Vorwort der Vorstandsvorsitzenden

In der Welt des ERV kann das Jahr 2022 nicht ohne das Jahr 2013 gedacht werden. Mit dem „Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten“, das am 16. Oktober 2013 im Bundesgesetzblatt verkündet wurde, wurde die entscheidende Weiche für den elektronischen Rechtsverkehr gestellt. Im Vorwort der Tagungsbroschüre des 22. EDV-Gerichtstags 2013 war von einem „historischen Ereignis“ die Rede, von dem Aufbruch zu einer Reise, deren Ende man mit Spannung entgegenfieberte: „Wenn alles gut geht, wird in einem stufenweisen Prozess spätestens zum 1. Januar 2022 der elektronische Rechtsverkehr mit den Gerichten nicht nur gefördert, sondern flächendeckend eingeführt sein. Hoffen wir, dass dieser Rückblick der auf eine Erfolgsgeschichte sein wird.“ Die Reise verlief, wie wir wissen, bisweilen holprig und stockend. Dennoch: Der elektronische Rechtsverkehr hat in diesem Jahr die langersehnte Hürde genommen. Dass dies – am Ende relativ geräuschlos – gelungen ist, ist in erster Linie ein Verdienst der Anwaltschaft, der dafür Dank gebührt! Die letzten acht Monate haben aber auch gezeigt, dass der Gesprächsbedarf geblieben und der Austausch zwischen Anwaltschaft und Justiz wichtiger denn je ist. Der EDV-Gerichtstag wird diese Debatte in bewährter Weise führen, moderieren und begleiten.

Digitalisierung der Justiz und des Rechtswesens ist natürlich weit mehr als ERV und E-Akte. Gerade der Einsatz von KI zur Unterstützung der richterlichen und staatsanwaltschaftlichen, aber auch der anwaltlichen Tätigkeit verspricht eine enorme Schubkraft. Die Entwicklung KI-gestützter Tools setzt allerdings voraus, dass überhaupt genügend Urteile, Beschlüsse und Schriftsätze als Trainingsdaten zur Verfügung stehen. Hiervon sind wir derzeit bekanntlich meilenweit entfernt. Neben dieser (technischen) Voraussetzung, der digitalen Verfügbarkeit der Daten, wirft die Thematik aber natürlich eine ganze Reihe komplexer und durchaus sensibler Fragestellungen auf. Der 31. EDV-Gerichtstag 2022 widmet sich den Fragen mit einem ganzen Veranstaltungsblock.

Der diesjährige Eröffnungsvortrag ist für den EDV-Gerichtstag in gewisser Weise eine Premiere. Er lenkt nämlich den Blick von der Rechtsanwendung – die bislang im Fokus stand – auf die Gesetzgebung. Es geht um die Digitalisierbarkeit von Rechtsnormen – also die „Übersetzung“ der Gesetzessprache in Programmiersprache – in Relation zum materiellen Recht und damit unter anderem um die Frage, wer eigentlich „übersetzen“ darf. 

Nach zwei Jahren analoger Abstinenz aufgrund der Pandemie freue ich mich, dass wir uns in diesem Jahr wieder in den Räumen der Universität des Saarlandes treffen und durch einen intensiven Austausch dazu beitragen können, dass aus dem ERV eine digitale Justiz wird!

Saarbrücken, im September 2022

Dr. Anke Morsch