Niedersachsen
Niedersächsisches Justizministerium
Projekte zum Elektronischen Rechtsverkehr
Insbesondere mit Blick auf das Justizkommunikationsgesetz, wird sich die niedersächsische Justiz auch zukünftig verstärkt den Herausforderungen des elektronischen Rechtsverkehrs stellen, um praktische Erfahrungen auf dem e‑Justice-Sektor sammeln zu können. Durch eine Verbreitung und Erhöhung der Anwendungsmöglichkeiten für externe Beteiligte soll der elektronische Rechtsverkehr nachhaltig gefördert und Akzeptanzschwierigkeiten überwunden werden.
Mit dem Einsatz moderner Kommunikationsmittel ist ein hoher Nutzen sowohl für die Justiz als auch für die Bürger und die anderen Verfahrensbeteiligten verbunden. Um die Rationalisierungs- und Beschleunigungspotentiale für die Justiz optimal nutzen zu können, bedarf es neben der Regelung der elektronischen Kommunikation zwischen den Gerichten und den Verfahrensbeteiligten auch der Analyse und weiteren Unterstützung bzw. Automation der Abläufe in der Innenorganisation der Gerichte.
Elektronischer Rechtsverkehr in Familiensachen
Das Land Niedersachsen führte im Rahmen der Multimediainitiative Niedersachsens in Kooperation mit der Deutschen Telekom AG ein Pilotprojekt zum elektronischen Rechtsverkehr in Familiensachen durch. Gegenstand des bis zum 30.06.2005 befristeten Projektes war die Entwicklung eines Konzepts für einen elektronischen Rechtsverkehr in Familiensachen und dessen Erprobung bei dem Amtsgericht Westerstede. Ziel war es, den familiengerichtlichen Prozess unter Wahrung von Authentizität und Integrität ganzheitlich elektronisch abzubilden.
Seit dem 01.06.2004 ist die Möglichkeit einer rechtsverbindlichen elektronischen Außenkommunikation mit dem Amtsgericht Westerstede (Oberlandesgerichtsbezirk Oldenburg) eröffnet. An diesem Tag ist in Niedersachsen auf der Grundlage des § 130a Abs. 2 ZPO die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr mit Gerichten (ElekRVVO) in Kraft getreten, die bei dem Amtsgericht Westerstede in allen Scheidungs- und Scheidungsfolgesachen sowie den hierauf gerichteten Verfahren zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Erlass einstweiliger Anordnungen die Einreichung elektronischer Dokumente nebst Anlagen gestattet.
Das Pilotprojekt hat die technischen Voraussetzungen für ein funktionierendes Kommunikationssystem und damit für einen rechtsverbindlichen elektronischen Austausch von Daten zwischen dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten geschaffen. Dabei ist es gelungen, die Integrität und Vertraulichkeit der zu übermittelnden Daten durch elektronische Signaturen und Verschlüsselungen sicherzustellen und die Komponenten des elektronischen Rechtsverkehrs an die eingesetzte Fachanwendung „EUREKA“ technisch anzubinden. Neben der Möglichkeit, Sendungen per E‑Mail zu übertragen, wurde in einer zweiten Stufe die elektronische Kommunikation über das OSCI-Protokoll realisiert und im Juni 2005 implementiert.
Allerdings konnte aufgrund der Verzögerungen bei der Gesetzgebung zum Justizkommunikationsgesetz die elektronische Aktenführung innerhalb der Projektlaufzeit nicht mehr erprobt werden und wird daher dem Folgeprojekt „Elektronischer Rechtsverkehr in Ordnungswidrigkeitenverfahren“ vorbehalten bleiben.
Elektronischer Rechtsverkehr in Ordnungswidrigkeitenverfahren
Anknüpfend an das Pilotprojekt zum elektronischen Rechtsverkehr in Familiensachen wird sich die niedersächsische Justiz in diesem Jahr einem weiteren Betätigungsfeld — namentlich dem „Elektronischen Rechtsverkehr in Ordnungswidrigkeitenverfahren“ — stellen.
Die konzeptionellen Vorarbeiten zur Realisierung eines elektronischen Rechtsverkehrs in Straßenverkehrsordnungswidrigkeitenverfahren bei dem Amtsgericht Hannover werden durch eine im Frühjahr 2005 eingerichtete Arbeitsgruppe geleistet. Dabei wird das gesamte justizbezogene Verfahren einschließlich der Schnittstellen zu den Ordnungsbehörden betrachtet.
Der inhaltliche Schwerpunkt liegt in der Übernahme der bei der Kommune vorhandenen strukturierten und unstrukturierten Daten – unter fachlicher Einbindung der Staatsanwaltschaft – und auf der medienbruchfreien elektronischen Bearbeitung im Amtsgericht. In einem zweiten Schritt soll dann die elektronische Kommunikation mit der Anwaltschaft realisiert werden.
Ein weiteres Ziel des Vorhabens ist es, die elektronische Akte (ELEKTRA) zu pilotieren. Für die Erprobung der elektronischen Aktenführung bieten sich die Ordnungswidrigkeitensachen aufgrund ihres überschaubaren Aktenumfangs und der starken Standardisierung im besonderen Maße an.
Die ersten Realisierungsschritte sollen bereits im Herbst 2005 umgesetzt werden. Die Roadmap sieht die Aufnahme des Echtbetriebs für das erste Quartal des Jahres 2006 vor.
Elektronischer Rechtsverkehr bei der Verwaltungs- und Arbeitsgerichtsbarkeit in Niedersachsen
Es ist beabsichtigt, in der niedersächsischen Arbeits- und in der Verwaltungsgerichtsbarkeit den elektronischen Rechtsverkehr zu verwirklichen. Wie bereits in der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Rheinland-Pfalz mit dem Projekt elba.rlp der elektronische Rechtsverkehr auf EUREKA-Fach aufsetzend realisiert wurde, soll auch in Niedersachsen zunächst der elektronische Rechtsverkehr auf E‑Mail-Basis pilotiert werden. In Aussicht genommen ist dabei auch die Umsetzung der Verfahrensstandabfrage und die Akteneinsicht über das Internet. Über die Realisierung beider Vorhaben wird derzeit entschieden.