Die Beweisführung mit privaten elektronischen Dokumenten
Die Beweisführung mit privaten elektronischen Dokumenten: Eine Untersuchung der §§ 144, 371, 371a ZPO sowie der Vorschriften der eIDAS-Verordnung über Vertrauensdienste
Susanne Rupp, Reihe Schriften zum Prozess- und Verfahrensrecht, Bd. 1, Nomos, 1. Auflage 2018
Die Dissertation (Augsburg 2018) geht davon aus, dass in der Beweisführung Urkunden als besonders sichere Beweismittel gelten. Was davon ist auf elektronische Dokumente übertragbar?
Im ersten Teil werden die Grundlagen gelegt und dabei geht es um die Beweise im Zivilprozess, den Augenschein und die Urkunde. Im Laufe der Arbeit wird deutlich, dass verschiedene Detailfragen, die scheinbar nicht (ausreichend) durch den modernen Gesetzgeber geklärt sind, aus den allgemeinen Grundlagen des Beweisrechts heraus gut erklärbar sind. Geboten wird eine Historie der beweisrechtlichen Einordnung elektronischer Dokumente.
Im zweiten Teil geht es um die Beweisführung mit elektronischen Dokumenten. Und hier dann auch die Antwort auf die Frage, was ein elektronisches Dokument ist. Vielleicht sollte man besser von einer „Datei“ reden. Wie bei der analogen Urkunde können Gedankenerklärungen enthalten sein. Die Datei könnte aber auch andere Inhalte haben, es können Audio‑, Video- oder Messdaten eingebettet sein oder sie können ganz aus ihnen bestehen. Maßgeblich ist insgesamt das Anscheinsbeweisrecht. Das hat für die Autorin auch Auswirkungen zum Beweisantritt: Das Dokument (also die Datei) ist dem Gericht zu übermitteln. Und wenn es für den Anscheinsbeweis darauf ankommt, eben auch sonstige Dateien wie Schlüssel oder das Trägermedium, wenn man die Datei etwa auf einem Stick erhält. Sie hält ein Beweisangebot etwa nur durch einen Ausdruck des Inhalts eines Dokuments (was bei nicht-schriftlichen Inhalten ja schon schwierig wird) nicht für ausreichend. Nicht erst nach einem Beweisbeschluss müsse das elektronische Dokument vorgelegt werden. Nachlesenswert auch die Überlegung zur Frage, was ein „Original“ eines elektronischen Dokumentes sei.
Weiter geht es mit den Wirkungs-Auferlegungspflichten des Beweisgegners und Dritter mit einem Vergleich zur Rechtslage im Urkunden-Beweisrecht. Der Beweiswert einfacher elektronischer Dokumente ist gering, der Beweisführer wird in Fällen des Bestreitens der Echtheit der Beweis kaum gelingen. Es gebe beispielsweise keinen allgemeinen Anstandsbeweis dahingehend, dass bei der Versendung einer E‑Mail von der Echtheit derselben ausgegangen werden könne. Anders sei das, wenn unabhängige Sicherungsmittel wie PIN, EC-Karte oder ähnliches eingesetzt worden seien. Die Beweiskraft privater, qualifiziert signierter elektronischer Dokumente wird als hoch beschrieben. In diesem Zusammenhang geht die Autorin ausführlich auf die eIDAS-VO ein. Die gesetzliche Anscheinsregelung des § 371a Abs. 1 S2 ZPO erleichtere dem Verwender eines derartigen Dokumentes die Beweisführung. Die besonderen Übertragungswege wie beA und De-Mail werden abgehandelt.
Für die Praxis wichtig ist der Hinweis der Autorin auf die nicht sichere langfristige Beweiswirkung elektronischer Dokumente. Aus ihren Ausführungen leitet sich die Empfehlung ab, elektronische Dokumente neu zu signieren, neu zu siegeln oder neu einen Zeitstempel anzubringen, die dann jeweils dem aktuellen Stand der Technik entsprechen, damit die ursprüngliche Vermutung der Echtheit fortwirkt. Sonst besteht die Gefahr, dass nach langen Jahren die ursprüngliche Signatur als nicht mehr sicher angesehen wird und die zuvor dargestellte gesetzliche Erleichterung der Beweisführung nicht mehr gilt. Am Ende geht es um die Beweiskraft transformierter Dokumente, also solcher Dokumente, die in ein anderes elektronisches Format umgewandelt, auf Papier ausgedruckt oder von dort wieder eingescannt wurden.
Die Dissertation ist ein Füllhorn mit Antworten und Anregungen zu Fragen, die sich im „elektronischen Prozess“ stellen (werden). Die Arbeit ist mit hoher technischer Kompetenz und Einfühlungsvermögen in die prozessuale Situation geschrieben. Sie steht mit wenig anderen Ausarbeitungen am Beginn der Diskussion, wie eJustice prozessrechtlich zu entwickeln ist