Referenten: | Oberstaatsanwalt Markus Hartmann, Staatsanwaltschaft Köln |
Dr. Dominik Brodowski, Open Competence Center for Cyber Security, Goethe Universität Frankfurt | |
Jörg Bartholomy, Microsoft Deutschland GmbH | |
Moderation: | Dieter Kesper, Oberstaatsanwalt als Hauptabteilungsleiter, Staatsanwaltschaft Köln |
Protokoll: | Protokoll-Massendaten-Strafsachen |
Der Umgang mit elektronischen Massendaten ist mittlerweile zu einer Kernfrage des strafrechtlichen Verfahrens geworden. Kaum eine Durchsuchung endet ohne die Sicherstellung zahlreicher Datenträger. Im Wirtschaftsstrafverfahren wird die Beweisbedeutung analoger Medien durch den Zugriff auf die elektronische Kommunikation des betroffenen Unternehmens verdrängt. Allein der schiere Umfang gesicherter Daten führt zu erheblichen Problemen für die Strafverfolgungsbehörden – selbst wenn keine weitere Komplikationsfaktoren wie Verschlüsselung und Internationalität von Daten hinzukommen.
Besonders Verfahren wegen des Verdachts der Verbreitung, des Erwerbs oder des Besitzes von Kinderpornografie leiden unter der langen Auswertedauer der Beweismittel. Die Vergabe der Auswertung an behördenexterne Gutachter vermag Belastungsspitzen zu dämpfen. Eine dauerhafte Lösung ist sie — auch mit Blick auf die Preisgabe polizeilicher Kernkompetenzen in der Beweismittelauswertung — nicht. Ein Zuwachs an polizeilichen Sachbearbeitern ist zwar wünschenswert, aber aus haushalterischen Gründen kaum in dem erforderlichen Umfang erwartbar. Daher gerät für das informationstechnische Problem der Massendatenanalyse ein informationstechnischer Lösungsansatz in den Fokus.
Die Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen bei der Staatsanwaltschaft Köln (ZAC NRW) hat sich gemeinsam mit dem Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen, der Polizei Köln, der Goethe-Universität Frankfurt am Main, der Universität des Saarlandes und der Microsoft Deutschland GmbH auf den Weg gemacht, den Einsatz automatisierter Massendatenauswertung für Strafverfahrenszwecke zu gestalten. Im Fokus stehen dabei cloudbasierte Ansätze des Machine Learnings, künstlicher Intelligenzen und neuronaler Netzwerke. Eine gemeinsame Projektgruppe skizziert am Anwendungsbeispiel der Massendatenauswertung im Bereich der Kinderpornografie ein Szenario einer technischen Lösungskomponente. Über eine “Prosecutor’s Cloud” könnte die automatisierte Verarbeitung verfahrensrelevante von irrelevanten Datenbeständen anhand inhaltlicher Kriterien unterscheiden und dabei selbstlernend die von einem menschlichen Sachbearbeiter final zu bewertenden Datenmengen reduzieren. Durch die cloudbasierte Implementierung sollen die Verfügbarkeit der Lösung, die bereitgestellte Rechenleistung und der Kostenaufwand optimiert werden.
Dieser Ansatz birgt erhebliche technische und rechtliche Unwägbarkeiten. Neben Fragen der technischen Machbarkeit und der Leistungsfähigkeit intelligenter Systeme sind die rechtlichen Grundlagen besonders mit Blick auf den Datenschutz sowie die strafrechtlichen und strafprozessualen Vorgaben genauer in den Blick zu nehmen. Während des Workshops werden die Projektpartner Technikdemos vorführen, Einblicke in die aktuelle Konzeption sowie die damit einhergehenden Herausforderungen geben und sich der kritischen Diskussion stellen.