Deutscher EDV-Gerichtstag in Saarbrücken auch digital ein voller Erfolg


Spannende Diskussionen zu IT-Sicherheit, Künstlicher Intelligenz und Digitalisierungsfragen der Justiz mit über 1.200 Teilnehmern

Unter dem Motto „Digitalisierung grenzenlos – aber (nur) mit Sicherheit“ fand vom 23.–25. September der 29. EDV-Gerichtstag statt. „Aufgrund der frühzeitigen Entscheidung, den EDV-Gerichtstag als reine Online-Veranstaltung durchzuführen, war die Veranstaltung – trotz der stark veränderten Umstände im Vergleich zu den Vorjahren – ein voller Erfolg“, resümierte die neu gewählte Vorsitzende des Vereins Deutscher EDV-Gerichtstag e.V., Dr. Anke Morsch, Präsidentin des Finanzgerichts des Saarlandes.

Eröffnet wurde die Tagung durch den bisherigen Vorstandsvorsitzenden, Prof. Dr. Stefan Ory, der in seiner Ansprache – trotz Umstellung auf einen virtuellen EDV-Gerichtstag – einen neuen Teilnehmerrekord mit über 1.200 Teilnehmern vermelden konnte. „Der technische Aufwand war spürbar, aber er hat sich mehr als gelohnt“, konnte Professor Ory daher bereits bei der Eröffnung der Tagung konstatieren. Innovativ und der Form einer virtuellen Konferenz geschuldet, wurde zunächst ein aufgezeichnetes Interview eingespielt, das Professor Ory mit Roland Theis, Staatssekretär im Ministerium der Justiz des Saarlandes, vorab geführt hatte und in dem aktuelle Digitalisierungsfragen – nicht zuletzt in Verbindung mit der Corona-Pandemie – zur Sprache kamen. In einer weiteren Videosequenz berichtete Dirk Wedel, Staatssekretär der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen, in einem „Plädoyer für die digitale Souveränität“ (so Prof. Ory in seiner Zusammenfassung) über aktuelle Entwicklungen der Digitalisierung auf europäischer Ebene.

Das Fachprogramm beleuchtete in insgesamt zehn Arbeitskreisen aktuelle Themen zur Digitalisierung aus Justiz, Verwaltung, Politik und Wissenschaft. Besonders hervorzuheben ist hier etwa der „Blick in den Maschinenraum“ der EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands, der durch Alain Pilette, Generalsekretariat des Rats der EU, stv. Direktor DGD 2, Vorsitzender der Ratsarbeitsgruppe e‑Law (E‑Justice), Cristian Nicolau, Referatsleiter für IT und Dokumentenmanagement, Generaldirektion Justiz, EU-Kommission, sowie Dr. Michael Sommerfeld, Referatsleiter im Referat Z C 2 – Informations- und Kommunikationstechnik, Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, in dem Prof. Dr. Wilfried Bernhardt und Prof. Dr. Georg Borges moderierten Arbeitskreis „Work on E‑Justice“ gewährt wurde. Ein inhaltlicher Schwerpunkt des diesjährigen EDV-Gerichtstags lag auf Fragen der IT-Sicherheit, die aus der Perspektive von Justiz (IT-Sicherheit an Gerichten) und Wissenschaft (Rechtliche Grenzen der IT-Sicherheitsforschung) unter Moderation von Prof. Dr. Christoph Sorge beleuchtet wurden. Weitere Arbeitskreise befassten sich mit der Modernisierung der Zivilprozessordnung (Moderation: Dr. Ralf Köbler) und dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Justiz unter der Leitung von Isabelle Biallaß und Dr. Wolfram Viefhues, und bei der Erfüllung von Verpflichtungen nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (Leitung: Rigo Wenning, Jörn Erbguth). Auch aktuellen Entwicklungen des Einsatzes von Legal Tech in der Rechtsberatung, insbesondere zur standardisierten Anspruchsprüfung und ‑durchsetzung, war ein Arbeitskreis gewidmet. Am Beispiel automatisierter Verwaltungsakte nach §35 VwVfG wurden im traditionellen Arbeitskreis Schnittstellen Justiz-Verwaltung, von Prof. Dr. Uwe-Dietmar Berlit und Dr. Astrid Schumacher moderiert, rechtliche und technische Fragen bzgl. einer rechtsstaatlichen gerichtlichen Kontrolle digitaler Verwaltung aus Wissenschaft von Prof. Dr. Annette Guckelberger und aus der Praxis Dr. Florian von Alemann erörtert.

In insgesamt acht Sitzungen der Bund-Länder-Kommission für Informationstechnik in der Justiz standen u.a. Fragen der IT-Governance in der Justiz, der Einsatz der Blockchain-Technologie zur Dokumentation von notariellen Vollmachten und Erbscheinen und weitere Aspekte der Digitalisierung der Justiz – etwa die Videoübertragung im Gerichtssaal oder Online-Terminbuchungen bei Gericht – im Fokus. Vorgestellt wurde in diesem Rahmen der neue Internetauftritt des gemeinsamen Justizportals des Bundes und der Länder (abrufbar unter www.justiz.de).

Erstmals stand während des EDV-Gerichtstages das Thema „Digitalisierung“ nicht nur auf der Agenda des Fachprogramms, sondern war zugleich eine der zentralen Herausforderungen bei der Organisation und Durchführung der Veranstaltung selbst: Der digitale EDV-Gerichtstag wurde mittels eines Online-Messesystems durchgeführt, das neben der virtuellen Konferenzbühne für die Referentinnen und Referenten auch eine Firmenbegleitausstellung beherbergte, auf der sich insgesamt 21 Unternehmen und Organisationen präsentierten.

Frau Dr. Morsch dankte zum Abschluss der Tagung dem ausgeschiedenen Vorstandsvorsitzenden des Vereins Deutscher EDV-Gerichtstag e.V., Professor Dr. Stefan Ory, im Namen des gesamten Vorstands herzlich für sein unermüdliches Engagement für den EDV-Gerichtstag. „Professor Ory hat seit 2014 unglaublich wertvolle Arbeit geleistet, während seiner Amtszeit hat der EDV-Gerichtstag Jahr für Jahr neue Teilnehmer-Rekorde erzielt. Es ist für mich Freude und Ehre zugleich, dass ich nun seine Nachfolge antreten darf“, so die neue Vorstandsvorsitzende.

Für das kommende Jahr wünscht sich Morsch, dass die Tagung wieder im klassischen Messeformat stattfinden wird. „Wir sind optimistisch und planen mit einem ‚klassischen‘ EDV-Gerichtstag vom 22.–24. September 2021. Virtuell ist zwar auch schön, zum Austausch unter Anwesenden ist es aber – offen gesagt – kein Vergleich“, gab Morsch die einhellige Ansicht im Vorstand zu Protokoll.

Daher ist es umso wichtiger, dass Jurst:innen und Informatiker:innen zusammenarbeiten. Die Vorstandvorsitzende Dr. Anke Morsch betonte: “Digitalisierung kann nur interdisziplinär gelingen.”