Landesbericht Bayern
Stand der DV-Verfahren und ‑Projekte in der bayerischen Justiz (Ende 1995)
In der bayerischen Justiz, zu der die ordentlichen Gerichte und die Staatsanwaltschaften sowie der Strafvollzug gehören, werden die Mitarbeiter an etwa 7.500 Bildschirmarbeitsplätzen durch etwa 40 verschiedene DV-Anwendungen in nahezu allen Bereichen unterstützt. Bereits seit Mitte der achtziger Jahre werden die Justizbehörden sukzessive mit funktionellen Verfahren zur Geschäftsstellenautomation auf mehrplatzfähigen UNIX-Anlagen ausgestattet, an die schwerpunktmäßig die Mitarbeiter der Geschäftsstellen und Schreibkanzleien angeschlossen werden, deren Tätigkeiten in besonderer Weise für den DV-Einsatz prädestiniert sind. Beispielhaft sind hier zu nennen die Verfahren SIJUS-Zivil für Amtsgerichte und Landgerichte, SIJUS-Vollstreckung, die mit Standardsoftware selbst entwickelten sog. TEXT-Lösungen wie ZIVTEXT (für Zivilgerichte), FAMTEXT (für Familiengerichte), NACHTEXT (für Nachlaßgerichte) oder VORMTEXT für Vormundschaftsgerichte sowie im staatsanwaltschaftlichen Bereich das komplexe Verfahren SIJUS-Straf-StA mit seinen Verknüpfungen zum Bundeszentralregister (MIREG) u.ä. In diese Verfahren sind frühzeitig geeignete Arbeitsplätze der Richter, Staatsanwälte und Rechtspfleger eingebunden worden. Hinzu kommen zahlreiche Verfahren für Spezialanwendungen, die konkret auf die Bedürfnisse der Rechtsanwender zugeschnitten sind, wie z.B. die familienrichterlichen Berechnungsprogramme von Richter am Oberlandesgericht Gutdeutsch, die teilweise in FAMTEXT integriert sind, das Programmsystem für Grundbuchämter SOLUM oder das Programm zur Unterstützung der Handeslregister HAREG. Einzelheiten zu den jeweiligen Verfahren ergeben sich aus der anliegenden Übersicht.
Neuland hat die bayerische Justiz Ende 1994 betreten mit der Erprobung des DV-Verfahrens zur maschinellen Grundbuchführung SOLUM-STAR, einer Client-Server-Anwendung, die die mit dem bewährten Produktionssystem SOLUM erzeugten Grundbucheintragungstexte nicht in Papiergrundbücher ausigbt, sondern auf WORM-Platten speichert und für externe Nutzer in einem automatisierten Abrufverfahren zur Verfügung stellt. In einem Pilotprojekt, das zusammen mit der sächsischen Justiz und der Bundesnotarkammer durchgeführt wird, soll der elektronische Rechtsverkehr unter Einbindung von Eintragungsmitteilungen und Eintragungsanträgen erprobt werden. Das Verfahren SOLUM-STAR, das seit Dezember 1995 auch in Verbindung mit der Nutzung einer Datenhochgeschwindigkeitsverbindung zu einem Datenhaltungszentrum erprobt wird, soll im Rahmen der wirtschaftlichen Möglichkeiten zügig landesweit ausgedehnt werden. Ein weiterer Schwerpunkt der DV-Ausstattung liegt im Bereich der Staatsanwaltschaften, die im Jahr 1996 alle 22 mit SIJUS-Straf-StA ausgestattet sein werden; dann werden auch Kommunikationsverbindungen zu dem neu zu schaffenden und noch im 1. Halbjahr 1996 pilotierten staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister bestehen, das den Staatsanwaltschaften Erkenntnisse über alle bei einer bayerischen Staatsanwaltschaft anhängigen Ermittlungsverfahren liefert. Ende 1996 wird auch ein neu entwickeltes Verfahren zur Geldstrafenvollstreckung das insoweit derzeit eingesetzte alte Großrechnerverfahren ablösen und die von den Staatsanwaltschaften erzeugten Kostendatensätze der bayernweit zuständigen Landesjustizkasse zur weiteren Verarbeitung in einem EDV-Kosteneinziehungsverfahren übermitteln.
Die Fortschritte in der DV-Ausstattung haben bei vielen bayerischen Gerichten bereits dazu geführt, daß die traditionell sehr aufgesplitterte Arbeitsteilung im Unterstützungsbereich (Geschäftsstelle/Schreibkanzlei/Wachtmeisterdienst) zugunsten einer ganzheitlichen Bearbeitung in Service-Einheiten oder vergleichbaren Organisationsformen aufgehoben werden konnte. Das Bayer. Staatsministerium der Justiz prüft derzeit gemeinsam mit der gerichtlichen und staatanwaltschaftlichen Praxis, wie aufgrund der örtlichen und personellen Verhältnisse sowie der tarifrechtlichen Rahmenbedingungen weitere Service-Einheiten eingerichtet werden können.
Schließlich werden 1996 im Zusammenhang mit der weiteren Einrichtung von Service-Einheiten bei Gerichten und Staatsanwaltschaften mehrere Arbeitsplätze von Richtern und Staatsanwälten mit PC ausgestattet, die auch den Zugriff auf die Stammdaten der Geschäftsstellenautomation ermöglichen.