Kurzreferat
Das Handbuch aus Sicht des programmierenden juristischen Autors
Kurzreferat im Arbeitskreis Handbuch des 6. EDV-Gerichtstags
von Werner Gutdeutsch
- Nichtprofessionelle Expertensoftware
Juristische Software wird derzeit weitgehend von Juristen für Juristen nebenberuflich hergestellt, ebenso wie die juristische Literatur. Sonst wäre sie nicht bezahlbar. Die Autoren könnten in der Regel davon nicht leben. Andererseits verschafft den Autoren ihre juristische Praxis auch die für die Herstellung dieser Software nötige Kompetenz.
- Funktion der Verlage
Meist wird diese Software von juristischen Verlagen, die dann auch das Handbuch produzieren, vertrieben.
Der Verlag bringt seine Professionalität i.d.R. nur bei der Konfektionierung und der Gestaltung des Handbuchs ein. Die Software ist jedoch i.d.R. nicht professionell gefertigt, weil der Jurist in der EDV nicht Fachmann sondern lediglich Experte ist und meist ohne Mitarbeiter die Software herstellt und das Handbuch verfaßt.
- Technischer Aufwand
Die Software wird vom Verlag rasch konfektioniert (meist nur kopiert), während das Handbuch wie ein anderes Buch lektoriert, gesetzt, gedruckt und gebunden werden muß. Es ist daher viel weniger aufwendig, die Software zu verbessern und zu aktualisieren, als das Handbuch. Je vollständiger das Handbuch das Programm abbildet, umso schwieriger wird es, dasselbe auch aktuell zu halten. Deshalb wird es meist als Loseblattsammlung gestaltet, wodurch das Problem jedoch nicht behoben, sondern auf die Probleme jeder Loseblattsammlung verschoben wird (lästiges Einordnen u.a.), im übrigen auch teilweise fortbesteht, weil auch die Nachlieferungen lektoriert, gesetzt und gedruckt werden müssen.
- Vorrang der elektronischen Hilfe
Daher ist es ein Gebot der Wirtschaftlichkeit, die Dokumentation soweit möglich als Teil der Software (z.B. Online-Hilfe) zugestalten und das Handbuch von allen Details, deren Anderung seine Aktualität gefährden würde, zu entlasten.
Welche Informationen müssen nun notwendig im Handbuch enthalten sein?
Nicht die Unterstützung bei der konkreten Programmbenutzung. Hier kann nur eine gute Online-Hilfe nützen. Die Erfahrung zeigt, daß in diesen Fällen das Handbuch von den Anwendern auch selten zu Rate gezogen wird, zumal, wenn der Verlag eine Hotline anbietet.
- Vor Inbetriebnahme
Wichtig kann das Handbuch vor allem vor der Inbetriebnahme der Software sein, sei es bei der Kaufentscheidung (für die das Handbuch herangezogen werden sollte, allerdings oft nicht zur Verfügung steht), sei es, daß entschieden werden soll, ob sich das Programm zur Lösung des aktuellen Problems eignet.
- Leistungsbeschreibung
Daher sollte vor allem eine vollständige Beschreibung der fachlichen Leistung vorhanden sein, wobei unwesentliche Details (z.B. die konkrete sprachliche Form der Ausgabe) wegzulassen sind, weil sonst ihre Verbesserung die Aktualität des Handbuchs gefährden würde. Damit sollte eine Groborientierung darüber verbunden sein, wie die Leistung erlangt werden kann, während man sich wegen der Einzelheiten auf die Online-Hilfe sollte verlassen können.
- Nicht dokumentierte Leistungen
Sonst sollte die Beschreibung natürlich vollständig sein. Allerdings betrachtet der Autor nur den Inhalt der Beschreibung als verbindlich für den Leistungsumfang, weitere Leistungen sind gewissermaßen Zugabe.
Vielfach werden im Laufe der Entwicklung zusätzliche Leistungen programmiert und befinden sich im fertigen Produkt, werden aber noch nicht der allgemeinen Kundschaft zur Verfügung gestellt, sei es, daß sie noch nicht hinreichend ausgereift sind, sei es, daß es aus zeitlichen Gründen nicht möglich war, sie in die Dokumentation aufzunehmen.
- Erst Programmverbesserung, dann Dokumentation
Man muß sich darüber klar sein, daß eine Leistungsverbesserung oder eine neue Leistung immer erst programmiert, dann das Ergebnis auf seine praktische Brauchbarkeit untersucht und verbessert werden muß, bevor es Sinn hat, die am Ende gefundene Form zu dokumentieren. Vielfach sind Verbesserungen durch Fehlermeldungen der Anwender veranlaßt, welche dankenswerterweise oft mit Verbesserungsvorschlägen verknüpft sind.
Bei nebenberuflicher Arbeit ist vorteilhaft, eine erkannte Verbesserungsmöglichkeit sofort zu realisieren, weil es meist schwer ist, sich in die Probleme später wieder hineinzudenken. Ist die Leistung erst einmal programmiert, so ist die spätere Dokumentation (wenn ihre Notwendigkeit vornotiert wurde) kein so großes Problem mehr.
Solche noch nicht dokumentierten Leistungen sind dann auch in den Menüs nicht erkennbar und können nur vom Kenner aufgerufen werden.
- Fehlerhilfe
Soweit keine Hotline in Anspruch genommen wird, muß das Handbuch auch Ratschläge für ungewöhnliche Programmzustände zur Verfügung haben, falls die Online-Hilfe dafür keine Beratung liefern kann. Dafür ist allerdings erforderlich, daß solche Zustände dem Autor bekannt werden. Dann aber hat er in erster Linie den zugrundeliegenden Fehler zu beseitigen, und es wäre auch nützlicher, in dieser Situation vom System die nötige Information liefern zu lassen. Nur soweit das Handbuch eine vollständigere Information geben kann, ist es hier gefragt.
- Umfangreichere Darstellungen
Entsprechendes gilt von zusammenhängenden Informationen größeren Umfangs. Auch Erörterungen zu den der Programmierung zugrundeliegenden Rechtsauffassungen lassen sich beim derzeitigen Stand der Datentechnik im Handbuch besser lesen, als auf dem Bildschirm. Das läßt sich leicht daran bemerken, daß bei einer Korrektur am Bildschirm i.d.R. wesentlich mehr Fehler unbemerkt bleiben, als bei einer Korrektur des ausgedruckten Textes.
- Zukünftige Entwicklung
Allerdings ist nur eine Frage der Zeit, bis Bildschirme entwickelt werden, auf denen man ebensogut liest, wie im Druckmedium. Dann wird man alle Information der Software ebensogut entnehmen können, wie dem Handbuch. Dieses wird auf seine Funktion, den Berechtigten zu legitimieren, beschränkt.
Auch diese Legitimierungsfunktion könnte später durch andere technische Mittel ersetzt werden und ein Handbuch würde dann ganz überflüssig.