Bund-Länder-Kommission II
BLK: Redesign — Verfahrensautomation Justiz
Zeit: | Freitag, 3. April 1998, 9.00 Uhr |
Ort: | HS 112 |
Referenten: | Herr Leitender Staatsanwalt Dr. Schneider, Bundesministerium für Justiz, Wien Herr Hofrat Dr. Paschinger, Verwaltungsgerichtshof, Wien |
Leitender Staatsanwalt Dr. Martin Schneider, Bundesministerium für Justiz, Wien
Redesign der Verfahrensautomation Justiz in Österreich
Erneuerung des Systems:
Die österreichische Verfahrensautomation Justiz hat seit 1986 in fast allen Sparten der Gerichtsbarkeit bundesweit Einzug gefunden. Mit dem Redesign soll eine technische und organisatorische Erneuerung grundsätzlich im vorhandenen Umfang vorgenommen werden. Technisch bedingt ist die Erneuerung durch das Auslaufen der Wartung des verwendeten Betriebssystems DPPX.
Der bestehende Funktionsumfang wird um folgende Punkte ausgeweitet:
- integrierte Online-Hilfe
- Vollständige Integration der Textverarbeitung
- Strafverfahren am Gerichtshof
- Edikts- (Insolvenzdatei)
Change Management
- Während der Projektdurchführung werden durch Gesetzesänderungen und Funktionsergänzungen, die sich im Zuge der Analyse ergeben, immer wieder Erweiterungen gefordert. Eine Kostenexplosion und Verzögerung des geplanten Projektendes muß daher verhindert werden.
Als Teil-Ziele dieses Erneuerungsprojektes wurden folgende Schwerpunkte festgelegt:
- grafische Benutzeroberfläche
- einheitliche Verfahrensautomation für alle Dienststellen
- integrierte Online-Hilfe-Funktion
- dezentrale Speicherung von Daten und damit verbunden bessere Verfügbarkeit: der Zugriff auf die Daten über die derzeitigen Betriebszeiten hinausgehend, möglichst rund um die Uhr, soll ermöglicht werden.
- Integration der Textverarbeitung, insbesondere:
— Verfügbarkeit von Daten der Verfahrensautomation über die Textverarbeitung
— Dezentraler Ausdruck zentraler Daten: zentral erstellte Dokumente sollen auch vor Ort bei der Dienststelle ausgedruckt werden können - Edikts- (Insolvenzdatei)
- Zugriff Dritter auf ausgewählte (zentrale) Daten: unter Berücksichtigung der Datensicherheit und des Datenschutzes soll Dritten (z.B. Rechtsanwälten oder Notaren) der Zugriff auf bestimmte Daten (zB Pfändungsprotokoll) ermöglicht werden
- Ausbau des ERV in allen Bereichen: elektronische Eingaben sollen über bestimmte bestehende Fallkonstellationen hinausgehend möglich sein, ebenso elektronische Erledigungen an die Parteien, ihre Vertreter und sonstige Beteiligte
- E‑Mail (Gericht-Gericht-Staatsanwaltschaft): die elektronische Kommunikation soll auch zwischen den Dienststellen ermöglicht werden
- Berücksichtigung der EURO-Umstellung und Jahr 2000 Problematik
Projektdauer:
4 Jahre (1997 bis 2000)
Projektkosten:
ca. 130 Mio Schilling
Projektmitarbeiter:
derzeit ca. 30 Personen
Projektpartner:
Internationale Zusammenarbeit des BMJ und des Bundesrechenzentrums mit IBM auf Grund einer europaweiten Ausschreibung: die Partner stellen Ressourcen zur Verfügung und teilen sich die Rechte am Entwicklungsergebnis. Neben der österreichischen Verfahrensautomation Justiz sollen Module für eine internationale Anwendung entstehen. Die Labors in Houston und Washington D.C. der IBM sind an der Entwicklung mitbeteiligt. Es gibt einen Kontakt und Austausch von Java-Klassen mit einem Parallelprojekt betreffend den Circuit Court in Du Page County bei Chicago (siehe:http://www.ibm.com/java/community/success-stories.html).
Stand des Projekts:
Mit Ende 1997 ist die Grobanalyse unter Beteiligung von Praktikern (rund 70 Richter, Staatsanwälte, Rechtspfleger, Kanzleikräfte, Gerichtsvollzieher, Rechtsanwälte, Notare und sonstige Beteiligte) im wesentlichen abgeschlossen. Ab Mitte 1998 soll der erste Prototyp, Anfang 1999 der erste Teil des neuen Verfahrens (Abhandlungsverfahren und Insolvenzdatei) zur Verfügung stehen. Zwei weitere Releases sind vorgesehen.
Hofrat Dr. Gerhard Paschinger, Verwaltungsgerichtshof, Wien
Das Rechtsinformationssystem des Bundes (= RIS) in Österreich im Intranet/Internet
Das Rechtsinformationssystem des Bundes (= RIS) in Österreich bietet seit Anfang Dezember 1997
- die Rechtsvorschriften des Bundes und der Bundesländer der Republik Österreich
- die Rechtsprechung der Höchstgerichte (des OGH, VfGH und VwGH )
- die Entscheidungen der Unabhängigen Verwaltungssenate (= UVS )
- die Normenliste des VwGH sowie
- die CELEX Datenbank
via Intranet für den Dienstgebrauch der Dienststellen des Bundes, Länder und Gemeinden in Österreich an.
Gleichzeitig wird in eingeschränkter Form weltweit der Zugang zu den/zur
- Rechtsvorschriften des Bundes und der Bundesländer Republik Österreich in konsolidierter Fassung, sowie zur
- Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes via Internet Adresse http://www.ris.bka.gv.at
für jedermann kostenlos geöffnet. Es fallen lediglich die Telephongebühren für die Benutzung des WWW an.
Damit soll dem Bürger der Zugang zum Recht erleichtert und transparent gemacht werden. Es sind auch Informationen über die Rechtsprechung des VwGH zum Gemeinschaftsrecht möglich.
Der technische Level (WWW-Technologie) und aktuelle Datenstand ist für beide Versionen jeweils gleich, jedoch muß aus Gründen, die nicht im technischen Bereich liegen, bei der Internet — Version eine Einschränkung des Datenbankenangebotes erfolgen.
Der kostenlose Zugang via Internet zum RIS (vgl. Die Presse, Rechtspanorama vom 26. Jänner 1998) ist derzeit Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens. Danach wurde die Republik Österreich von einem privaten Anbieter von juristischen Informationen vor dem Handelsgericht Wien wegen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht auf Unterlassung verklagt, wobei die Klägerin auch eine klare Abgrenzung zwischen einer kostenlosen öffentlichen Grundinformation und einer von privaten Anbietern offerierten “Mehrwertinformation” anstrebt.