Eröffnungsvortrag
Eröffnungsvortrag: „Was kann die Justiz von der Verwaltungsreform lernen, insbesondere bei der Einführung der technikunterstützten Informationsverarbeitung?“
Zeit: | 9.15 Uhr, Donnerstag, 2. April 1998 |
Ort: | Auditorium Maximum |
Referent: | Herr Richter am Oberlandesgericht Golasowski, Bremen |
Die Datenverarbeitung hat in der Justiz einen sonderbaren Weg genommen: Bis Ende der 80er Jahre war sie die Domäne des mittleren Managements (Rechtspfleger, Geschäftsstellenbeamte) in den Gerichten und Staatsanwaltschaften und befaßte sich überwiegend mit der Unterstützung der nicht-richterlichen Massen-Sachbearbeitung. Vor fast 10 Jahren hat mit dem Aufkommen der Personal Computer eine „Revolution von oben“ stattgefunden. Richter und Staatsanwälte fragten nach dem Nutzen der Datenverarbeitung für ihren Aufgabenbereich und erhielten keine befriedigenden Anworten. Entweder waren sie nicht in den „workflow“ der vorhandenen oder sich in der Entwicklung befindlichen Systeme eingebunden (Zitat: „Ihre Schnittstelle zur Geschäftsstelle bleibt der Aktenbock.“) bzw. es fehlten überzeugende Lösungen für die richter- und staatsanwaltschaftliche Fall- und Aktenbearbeitung.
Es ist u.a. dem EDV-Gerichtstag zu verdanken, daß inzwischen bei der Einführung von DV-Systemen in den Gerichten und Staatsanwaltschaften alle Arbeitsbereiche, also auch die des Höheren Dienstes, berücksichtigt werden. Die Umsetzung der sich daraus ergebenden Maßnahmen wird durch die neuen Betriebssysteme und die inzwischen erreichte professionelle Qualität der Programme zur Unterstützung der juristischen Arbeit erleichtert.
Durch die Kienbaum-Gutachten wurde zudem klar, daß es einen Zusammenhang zwischen Organisation und Technik gibt, der bei der Planung und Durchführung von DV-Vorhaben zu berücksichtigen ist. Die Zusammenlegung von Schreibdienst und Geschäftsstelle zu Service-Einheiten ermöglicht eine ganzheitliche Aufgabenerledigung. Nicht-Kienbaum-kompatible DV-Projekte oder Softwareprodukte haben keine Chance umgesetzt bzw. eingesetzt zu werden.
Alles auf dem richtigen Weg?
Nicht so ganz! Es könnte sein, daß wir aus lauter Freude über die Fortschritte der Technik und die Erfolgsmeldungen über den Ausstattungsgrad mit Richter-PCs die Abnehmer der Justiz-Dienstleistungen, den rechtsuchenden Bürger, die Rechtsanwälte und Notare, d.h. unsere Kunden vergessen haben.
Im Bereich der allgemeinen Verwaltung drohte eine ähnliche Entwicklung. Die ständige Kritik an der Qualität der Leistung, die Zweifel an der Leistungsfähigkeit und ‑bereitschaft der Bediensteten und nicht zuletzt der Kostendruck zwangen die allgemeine Verwaltung, neue Instrumente für die Planung, Steuerung und Umsetzung ihrer Geschäftsprozesse zu erschließen. Dabei bediente sie sich überwiegend betriebswirtschaftlicher Methoden. Im Zusammenhang mit der Einführung des „Neuen Steuerungsmodells“ (NSM) wuchs auch die Erkenntnis, daß sich die Leistungsfähigkeit der Verwaltung nur anhand der Zufriedenheit der Kunden messen läßt und nicht anhand von Kennzahlen über Ausstattungsgrade. Diese Sichtweise beeinflußt inzwischen die Konzeptionierung neuer DV-Vorhaben in der Verwaltung. Im Vordergrund steht die Frage „Was nützt das dem Bürger?“ und nicht „Was hat der Sachbearbeiter davon?“.
In dem Referat wird die Frage untersucht, welche Bestandteile der Verwaltungsreform für die Justiz von Interesse sein könnten, insbesondere bei der Einführung technikunterstützter Informationsverarbeitung. Möglicherweise ergeben sich daraus auch Themen für künftige EDV-Gerichtstage.