Grußwort von Frau Bundesministerin der Justiz
Den Veranstaltern und allen Teilnehmern des 8. EDV-Gerichtstages in Saarbrücken übersende ich meine besten Grüße. Angesichts des interessanten Diskussionsstoffes ist es sicherlich überflüssig, Ihrer Tagung spannende Diskussionen und gutes Gelingen zu wünschen.
Sie haben Ihre Veranstaltung unter das Thema “Freies Recht für freie Bürger!?” gestellt. Das Fragezeichen hinter diesem Slogan weist darauf hin, dass er nicht nur als politische Forderung gedacht ist, sondern mit allen Voraussetzungen und Folgen durchdacht werden soll. Das ist sehr gut!
Die EDV und insbesondere das Internet bieten die Möglichkeit, Informationen in einem Umfang zugänglich zu machen, der noch vor wenigen Jahren nicht für möglich gehalten wurde. Den Möglichkeiten der neuen Medien dürfen sich natürlich auch die öffentlichen Verwaltungen nicht verschließen.
Im Verantwortungsbereich des Bundesministeriums der Justiz habe ich hier schon Initiativen ergriffen. So stellt das Deutsche Patent- und Markenamt seine aktuellen Patentdokumente im Rahmen eines Projektes des Europäischen Patentamtes bereits in das Internet ein.
Auch die Einstellung der jeweils aktuellen Version aller Gesetze, die bei uns gelten, würde ich mir wünschen. Dafür gibt es auch gute Gründe. Lassen Sie mich daneben jedoch ein paar Gesichtspunkte nennen, die bei der Diskussion nicht vernachlässigt werden dürfen:
Allein auf Bundesebene gibt es derzeit über 2.000 Stammgesetze und 3.000 Stammrechtsverordnungen, die häufigen Änderungen unterworfen sind. Die Einstellung aller Gesetze in das Internet und die Pflege der entsprechenden Datenbanken würde daher einen hohen Aufwand erfordern. Wer soll den bezahlen? Sollen wir es als selbstverständlich betrachten, dass der Staat diese Leistungen den Bürgern unentgeltlich zur Verfügung stellt? Anders als etwa bei den Patentdaten, für deren Veröffentlichung der Anmelder Gebühren zahlen muss, fallen die Kosten der Erfassung von Gesetzen in Internetdatenbanken allen Steuerzahlern zur Last. Bei Leistungen, die nur einem Teil aller Bürger, insbesondere professionellen Nutzern, zugute kommen, ist der Staat gehalten, zumindest kostendeckende Gebühren zu erheben. Gilt das auch für unser Problem? Was bedarf danach der besonderen Rechtfertigung: die entgeltliche oder die unentgeltliche Bereitstellung aller Gesetze im Internet?
Eine weitere Frage, die zu prüfen ist:
Bekanntlich werden Gesetze in Deutschland nicht nur in der nach Artikel 82 des Grundgesetzes vorgesehenen Form im Bundesgesetzblatt verkündet. Viele private Verlage vertreiben Gesetzestexte in Papierform oder auf elektronischen Medien und machen sie dem Bürger zugänglich. Soweit der Staat unentgeltliche Angebote zur Verfügung stellen will, muss er darauf achten, dass er in diesen privaten Wettbewerb nicht eingreift. Ansonsten würde er den Zugang zum Recht durch ein Internetangebot im Ergebnis nicht erleichtern, sondern – insbesondere für die Nicht-Internetnutzer – sogar erschweren, wenn die privaten Angebote zurückgehen.
Der Blick ins europäische Umfeld zeigt bei der Internetbereitstellung von Gesetzestexten durchaus keine einheitliche Praxis: Während z.B. Österreich, die Schweiz und das Vereinigte Königreich ihre Gesetze unentgeltlich ins Internet einstellen, erheben Frankreich und Spanien Gebühren für die Nutzung entsprechender Dienste.
Ich freue mich, dass Sie alle Argumente für und gegen eine unentgeltliche Bereitstellung der Gesetze im Internet bei Ihren Beratungen diskutieren werden und sehe Ihren Überlegungen und Ergebnissen mit Interesse entgegen.
Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin
Bundesministerin der Justiz