Grußwort des Vorsitzenden
EDV-Gerichtstag 2011
Wird es einen EDV-Gerichtstag 2011 geben?
Und wie wird unsere Arbeit dann aussehen?
Blicken wir zurück: Als der EDV-Gerichtstag gegründet wurde, dachten wir nicht weit in die Zukunft. Der Anfang hatte den Charme jedes Anfangs. Entsprechend heiter verlief die Gründungssitzung. Man sah sich als eine kleine Gruppe Gleichgesinnter, die von mancher Institution verwundert bis distanziert betrachtet wurde. „PC-Freaks“ lautete ein Stichwort. Uns bekümmerte das nicht, weil wir überzeugt waren, aus unserer Erfahrung heraus guten Rat geben zu können. Aber so ganz sicher waren wir uns der Wirkung unserer Ideen nicht. Zu mächtig erschien damals die Phalanx der Befürworter zentraler Großrechnersysteme. Und doch: Der Gedanke des PC-Richterarbeitsplatzes setzte sich schneller als erwartet durch. Erste Anerkennung stellte sich ein: Aus den „PC-Freaks“ wurden die „Praxispioniere“. Das klang zwar immer noch ein wenig nach Wildem Westen, und Freiheit und Abenteuer gehen nicht spannungslos mit institutionellen Lebenswelten zusammen. Dennoch trug der einmal gemachte Anfang weiter. Zur Überraschung (ich glaube aller auf welcher Seite auch immer) kamen sich der EDV-Gerichtstag und die Bund-Länder-Kommission näher und entschlossen sich, regelmäßig zusammenzuarbeiten. Damit war der EDV-Gerichtstag auch als „Gerichtstag“ in der Welt der gerichtsbezogenen Entscheidungen über EDV-Infrastrukturen und Rahmenbedingungen angekommen. Daraus erwuchs die Verpflichtung, sich zu wesentlichen Fragen verantwortlich zu äußern und an der Entwicklung von Standards mitzuwirken. Sehr früh wurde ein Standard für die Strukturierung von Urteilstexten in Datenbanken verabschiedet, weitere Standards folgten. Mit der Verabschiedung eines Vorschlags für die XML-Strukturierung von Urteilstexten knüpfte der EDV-Gerichtstag dann an seinen ersten Standard an und zeigte, dass er mitgestaltend im Internet tätig sein will (und kann). So ähnlich wie bei der Einschätzung des PC-Arbeitsplatzes war der EDV-Gerichtstag auch bei der Erkenntnis Vorreiter, dass dem Internet Bedeutsamkeit für die juristische Tätigkeit zukommt. Ich glaube daran zeigt sich, dass der EDV-Gerichtstag sich die Sensibilität bewahrt hat, wichtige neue Entwicklungen gewissermaßen seismographisch wahrzunehmen. Manchmal muss man dann aus diesen Einsichten heraus auch etwas Grundsätzliches politisch einfordern. Der EDV-Gerichtstag hat dies mit der Forderung „Freies Recht für freie Bürger“ bisher einmal getan. Ohne Selbstüberschätzung darf man sagen, dass wir damit einen Beitrag geleistet haben, dieses jetzt im Prinzip unstreitige Konzept in Politik und öffentlichem Bewusstsein zu verankern.
Sind zehn Jahre eine lange Zeit? Einerseits ja. Andererseits verlässt in diesem Alter das Kind die Grundschule und wendet sich neuen Lernaufgaben zu. Wenn wir uns in diesem Bild wiedererkennen wollen, steht dem EDV-Gerichtstag noch einiges an Lernarbeit bevor, und wohl auch noch die Reifeprüfung. Beim EDV-Gerichtstag 2011 können wir dann sehen, ob wir sie bestanden haben.
Maximilian Herberger