Notarnetz
Zeit: | Freitag, 27. September 2002, 9.00 Uhr |
Ort: | HS 105 |
Moderation: | Herr Notar a. D. AlexanderBenesch Herr Notar Dr. Jochim Püls |
„Signatur statt Siegel?
Notarielle Leistungen im elektronischen Rechtsverkehr“
Das Bild des Notars in der Bevölkerung ist nach wie vor geprägt durch den Eingang in ein altehrwürdiges Gebäude, an dem das Landeswappen mit der Aufschrift „Notar“ den Zugang zu einem Büro freigibt, dessen hohe Wände Bücherregale mit Fachliteratur aller Art bedecken. Der Notar, alt, seriös gekleidet und weise in seinen Ausführungen, ist ausschließlich mit dem Vorlesen sorgfältig formulierter Verträge beschäftigt. Ein verständliches Bild, gibt es doch nur wenige, seltene Gelegenheiten im Leben, die es notwendig machen, eine Vereinbarung zu treffen, die mit Brief und Siegel festgehalten, möglichst ewig Geltung behalten sollen.
Aber das Bild hat sich gewandelt, Notarinnen und Notare beraten in die Zukunft. Noch immer zeigt zwar das Landeswappen mit der Aufschrift „Notar“ den Weg. Heute gibt der Eingang den Blick auf helle, moderne und mit elektronischen Kommunikationsmitteln allgegenwärtig ausgerüstete Büros frei, in denen CD-ROM-Sammlungen die Bücherregale ersetzen und die Handhabung elektronischer Datenbanken den Zugriff auf alle erdenklichen Entscheidungssammlungen, Gesetze, Kommentare und Literatur gewährleisten, die vormals räumlich nicht zu erfassen gewesen wären. Doch eines bleibt: Das Verhandeln, Belehren und Verlesen und die später mit Siegel versehene Urkunde. Auf diese Urkunde kann der rechtsuchende Bürger vertrauen – darauf kann er sich verlassen.
Die Urkunde ist Zeugnis, Beweis und Garant für die getroffenen Vereinbarungen. Das ist – auch zum Schutz des Verbrauchers – wichtiger als je zuvor. Die schnelle moderne Zeit mit elektronischen Kommunikationsmitteln macht es möglich über große Entfernungen hinweg Gedanken auszutauschen und einverständliche Meinungen herzustellen, ohne dass die Verhandlungspartner sich selbst sehen. Hohe Übertragungsgeschwindigkeiten gehen mit ebenso schnellen, aber unüberlegten Entscheidungen selbst über hohe Werte einher. Gleichzeitig wächst mit der zunehmenden Digitalisierung die Unsicherheit über die Richtigkeit des eingeschlagenen Weges. Es ist fraglich, ob die elektronische Form ein „Allheilmittel“ ist. In historischer Hinsicht und nach übereinstimmender Ansicht von Experten im Rahmen der Technikfolgenabschätzung sind unverbrüchliche Urkunden – also schriftliche und vor allem notarielle Urkunden – in besonderem Maße kultursichernd.
Die Notare wollen in Anwendung moderner Gesetze und Signaturverfahren die Voraussetzungen schaffen, unter denen der besondere sichernde und schützende Wert der notariellen Urkunde auch im elektronischen Rechtsverkehr gewahrt bleibt. Der gesetzliche Rahmen für den elektronischen Rechtsverkehr in allen seinen Facetten ist in den letzten Jahren geschaffen worden, insbesondere Formvorschriften für den elektronischen Rechtsverkehr im bürgerlichen Gesetzbuch und Voraussetzungen für die Führung elektronischer Register (Handelsregister, Grundbuch u.a.). Zu nennen sind Signaturgesetz und Signaturverordnung, das Gesetz über elektronische Register und Justizkosten für Telekommunikation, das Gesetz über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Rechtsverkehr, das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr und das Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts. Trotz oder vielleicht wegen dieser Vielzahl von gesetzlichen Regelungen ist die elektronische Signatur bisher in der Bevölkerung auf wenig Gegenliebe gestoßen. Technik und wirtschaftliche Marktüberlegungen stellen allein kein Vertrauen her. Die gezielte Aufklärung der Bevölkerung zu „Risiken und Nebenwirkungen“ der Signatur ist für eine breite Akzeptanz der elektronischen Signatur in der Bevölkerung unverzichtbar. Die Einbindung von Notaren als unabhängige und unparteiliche, zugleich aber dienstleistungsorientierte Berater in bestehende Verfahren bei der Erteilung von digitalen Signaturen kann zur gewünschten und notwendigen Aufklärung bei weiten Teilen der Bevölkerung beitragen.
Die Sicherheit des elektronischen Rechtsverkehrs muss im Mittelpunkt aller weiteren Maßnahmen stehen. Nur so können ein dauerhafter Vertrauensverlust, aber auch volkswirtschaftliche Schäden von unbezifferbarer Höhe vermieden werden. Gerade in der jetzigen heißen Einführungsphase der elektronischen Register in der Justiz darf das Sicherheitsniveau der Kommunikation nicht abgesenkt werden. Vielmehr gilt es die notwendigen Erfahrungen zu sammeln. Positive Ansätze sind die elektronisch geführten Grundbücher, auf die Notare im Interesse ihrer Auftraggeber „online“ zugreifen können, dadurch die Grundbuchämter entlasten und die eigene Beratungsqualität durch noch aktuellere Einsichten erhöhen. Weitere Anwendungen sind denkbar, bei denen der Notar als Schnittstelle zwischen Bürger und Wirtschaftsunternehmen einerseits und Register andererseits fungiert, so etwa beim Handelsregister, aber auch bei einem noch von den Notaren zu schaffenden Testamentsregister oder Register für Vorsorgevollmachten.
Ihre Kompetenz im Bereich des Internets und der Kommunikation über das Internet haben die Notare über den Aufbau einer akkreditierten Zertifizierungsstelle sowie eines eigenen Intranets (VPN) im Rahmen des Projekts Notarnetz unter Beweis gestellt. Sie sind dadurch in die Lage versetzt, untereinander und mit der Justiz auf sicheren Wegen zu kommunizieren, diese Sicherheit nahezu aus eigener Kraft zu gewährleisten und ihre Amtstätigkeit in den Dienst des Verbrauchers zu stellen. Dabei erfüllen sie mit ihrer eigenständigen Technik die Anforderungen an die Verschwiegenheitspflicht des Notars ebenso, wie sie die Kommunikationssicherheit mit den Urkundsbeteiligten herstellen. Damit werden vier Schutzziele erreicht, nämlich:
- die Vertraulichkeit, d.h. der Schutz der Nachrichteninhalte vor unbefugtem Mitlesen durch Dritte;
- die Integrität, das bedeutet, die Nachricht gelangt unverändert zum Empfänger bzw. unbefugte Veränderungen können vom Empfänger erkannt werden;
- die Authentizität, also den Absender zu erkennen und ihm das Absenden der Nachricht auch nachweisen zu können;
- die Verfügbarkeit, worin die Möglichkeit zu sehen ist, auf die erforderlichen technischen Einrichtungen zu jedem gewünschten Zeitpunkt zugreifen zu können.
Damit schaffen Notarinnen und Notare nicht nur für ihre eigene Tätigkeit eine Plattform, sondern ihre frühzeitige Beschäftigung mit diesen Themen seit Anfang der neunziger Jahre hat ihnen ein fundiertes und breites Wissen in Fragen des elektronischen Rechtsverkehrs und seiner zivilrechtlichen Umsetzung gebracht. Notarinnen und Notare können deshalb nicht nur mit ihrer Beratungs- und Amtstätigkeit Privatpersonen oder Gesellschaften helfen, sondern sie sind besonders qualifizierte Multiplikatoren zur Darstellung und Übermittlung des Potentials des elektronischen Rechtsverkehrs in der Bevölkerung. Sie werden Garanten dafür sein, dass die Gesellschaft Vertrauen in die elektronischen Signaturen gewinnt, dass die elektronischen Signaturen dem Einzelnen, den Wirtschaftsunternehmen und damit der Volkswirtschaft Nachteile oder gar Schäden vermeiden hilft, indem sie ihr Streben nach Sicherheit, ihr stetiges Bemühen um Rechtswirksamkeit und ihre Professionalität zur Vermeidung von Streitigkeiten zu Gunsten der Verbraucher einsetzen. Für alle Bereiche unserer Gesellschaft sind die Notarinnen und Notare deshalb die Berater für die Zukunft.