Eröffnungsvortrag Bundesjustizministerin Zypries
Sehr geehrter Herr Professor Herberger,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich freue mich sehr, Sie heute hier beim diesjährigen EDV-Gerichtstag begrüßen zu dürfen. Sie haben den Tag unter das Motto gestellt: „Justiz im Gespräch“, und wie so oft lässt das Thema mehrere Deutungen zu. Einerseits ist es wichtig, dass wir über die Justiz im Gespräch bleiben, denn sie muss vielfältige neue Herausforderungen bewältigen. Andererseits heißt „Justiz im Gespräch“ für mich aber auch, dass wir einen Blick werfen auf die Kommunikationsprozesse in der Justiz selbst. Sie sehen das genauso und haben deshalb für den EDV-Gerichtstag auch den Untertitel „Gerichte als Kommunikationszentren“ gewählt. Der Kommunikation kommt im Modernisierungsprozess der Justiz eine Schlüsselstellung zu. Denn es geht vor allem darum, Kommunikationsabläufe schneller und effizienter zu gestalten, ohne rechtsstaatliche Einbußen hinnehmen zu müssen. Ich brauche hier in Saarbrücken nicht extra zu betonen, dass wir deswegen vor allem im Bereich der elektronischen Kommunikation weitere Verbesserungen erreichen wollen. Der Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnik ist ein Motor für die Justizreform und für die Entbürokratisierung der Justiz. Ich möchte Ihnen heute daher gern vorstellen, wie weit die Projekte der Bundesregierung auf diesem Gebiet gediehen sind.
II.
Meine Damen und Herren,
jedes gerichtliche Verfahren besteht im Prinzip vor allem aus Kommunikation: Die Verfahrensbeteiligten bereiten die Streitpunkte auf und präsentieren sie dem Gericht. Im Anschluss daran werden sie erörtert. Ergebnis dieses Kommunikationsprozesses ist die Erledigung des Rechtsstreits – durch Einigung oder durch Entscheidung. Dazu kommt: Gerichtsverfahren sind formalisierte Verfahren mit einer Vielzahl standardisierbarer Tätigkeiten. Dokumente müssen geordnet oder ausgetauscht werden. Fristen müssen überwacht werden. Die Justiz ist daher wie kaum ein anderer Bereich für den Einsatz von moderner Informations- und Kommunikationstechnik prädestiniert. Mit Hilfe elektronischer Verwaltungsabläufe können Verfahren vereinfacht und standardisiert werden. Die Verfahrensbeteiligten werden dadurch von bürokratischem Aufwand entlastet und können sich verstärkt ihren zentralen Aufgaben widmen, also vor allem der Aufbereitung des Streitsstoffs.
Doch ein Haupthindernis für die Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnik für die Zwecke der Justiz war bislang das Problem der Datensicherheit. Sie muss in einem justizförmigen Verfahren auf jeden Fall gewährleistet sein. Dieses Problem ist inzwischen durch die Technik, und zwar insbesondere durch die moderne Signaturtechnik, gelöst. Mittlerweile ist es möglich, sowohl die Authentizität der Daten als auch deren Integrität zu sichern und wir können die Daten auch in elektronischer Form sicher aufbewahren. Wir wollen daher bei den Bundesgerichten moderne Informations- und Kommunikationstechnik einführen. Als Gesetzgeber haben wir zudem die Aufgabe, das Verfahrensrecht so auszugestalten, dass der elektronische Rechtsverkehr rechtlich möglich wird und ohne Rechtseinbußen für die Betroffenen effizient durchgeführt werden kann.
Diese Aufgaben haben wir inzwischen zu einem guten Teil bewältigt. Durch das Zustellungsreformgesetz und das Formvorschriftenanpassungsgesetz wurden bereits 2001 erste Schritte zu einer Öffnung der Justiz für den elektronischen Rechtsverkehr unternommen. Wir haben dadurch die rechtlichen Grundlagen dafür geschaffen, dass elektronische Schriftsätze bei Gericht eingereicht werden und elektronische Zustellungen an einen bestimmten Personenkreis erfolgen können. Auf der Grundlage des gegenwärtig geltenden Verfahrensrechts ist allerdings noch keine umfassende elektronische Aktenbearbeitung innerhalb des Gerichts möglich. Es besteht daher weiterer Gesetzgebungsbedarf. Hier wird das von der Bundesregierung inzwischen eingebrachte Justizkommunikationsgesetz Abhilfe schaffen. Ich möchte Ihnen die wichtigsten Inhalte noch einmal ins Gedächtnis rufen und Ihnen auch sagen, wie der Stand der Dinge derzeit aussieht.
III.
Der Gesetzentwurf enthält vor allem Regelungen für den elektronischen Rechtsverkehr, und zwar insbesondere auch für die elektronische Akte. Dabei soll ein solcher umfassender elektronischer Rechtsverkehr zunächst für den Zivilprozess, den Arbeitsgerichtsprozess, den Prozess vor den öffentlich-rechtlichen Fachgerichtsbarkeiten und für das Ordnungswidrigkeitenverfahren ermöglicht werden. Verfahrensbeteiligte sollen allerdings nicht gezwungen werden, elektronisch zu kommunizieren. Die elektronische Kommunikation wird als Option angeboten.
Bei dieser Kommunikation ist es sehr wichtig, dass das Vertrauen in die rechtssichere und vertrauliche Kommunikation und Bearbeitung sichergestellt ist. Gerichte dürfen deshalb Erklärungen nur verschlüsselt übertragen. Vor allem bei bestimmenden Schriftsätzen müssen Authentizität und Integrität des Dokuments sichergestellt sein. Vor Gericht ist es notwendig, dass Dokumente dem Absender nachweislich zuzurechnen und dass sie unverändert sind.
Die qualifizierte elektronische Signatur erfüllt diese Anforderungen. Leider ist sie noch völlig unzureichend verbreitet. Vor dem Hintergrund, dass es keinen Sinn macht, ein Angebot vorzuhalten, das in der Praxis dann nicht genutzt wird, haben wir lange und intensiv über Erleichterungen diskutiert. Dabei spielte auch eine Rolle, dass die Gerichte derzeit – wenn es um die Übermittlung in Papierform geht — an die Authentizität und an die Integrität der Daten keine besonders hohen Anforderungen stellen: Denken Sie beispielsweise daran, dass Telegramm, Fax, und auch Computerfax akzeptiert werden. Wir haben uns deshalb für das Justizkommunikationsgesetz auf eine Öffnungsklausel verständigt, nach der neben der qualifizierten elektronischen Signatur auch ein anderes sicheres Verfahren zugelassen werden kann – vorausgesetzt, es stellt die Authentizität und die Integrität des übermittelten elektronischen Dokuments sicher. Da eine gesetzliche Regelung „technikoffen“ sein muss und da die Technik gerade in diesem Bereich ständig fortschreitet enthält der Gesetzentwurf keine detaillierten technischen Vorgaben; dies soll dem Bund, soweit er zuständig ist, bzw. den Ländern überlassen bleiben. Die entsprechenden Detailregelungen sind durch Rechtsverordnung zu treffen. Wir gehen allerdings nicht davon aus, dass ein „Flickenteppich“ mit 17 verschiedenen Rechtsverordnungen entsteht. Der Bund und die Länder sprechen schon jetzt im Rahmen der Bund-Länder-Kommission über einheitliche Standards und werden das auch in Zukunft tun. Möglicherweise wird sich das Problem auch erledigen, wenn die geplante Änderung des Signaturgesetzes in Kraft ist und wenn z.B. mit einer „Bank-Card“ qualifiziert elektronisch signiert werden kann. Das wird im Rahmen des Signaturbündnisses bekanntlich diskutiert, ist aber noch Zukunftsmusik.
Meine Damen und Herren,
Wenn wir vom elektronischen Rechtsverkehr sprechen, meinen wir nicht nur die Möglichkeit, Dokumente elektronisch an das Gericht zu schicken. Es geht vielmehr um ein ganzes Kommunikations- und Workflow-System. Erklärungen sollen so übermittelt werden, dass sie vom Empfänger elektronisch weiterverarbeitet werden können. Daten sollen ohne zusätzlichen Erfassungsaufwand in IT-Fachverfahren zu übernommen und weiter genutzt werden. Elektronische Dokumente müssen zum Beispiel in das justizinterne Dokumentenmanagement integriert werden können. Zusätzlich soll die Möglichkeit bestehen, über eingehende Daten bestimmte Abläufe zu steuern, also z.B. Aktenkontrolle, Wiedervorlage oder Kommunikation mit anderen Stellen. Deshalb müssen Dateiformate vorgegeben werden. Auch dies wird durch Rechtsverordnung geschehen. Am geeignetsten sind sicherlich XML-Dateien, da sie Möglichkeit schaffen, redundante Daten automatisch auszulesen und in die elektronische Gerichtsakte zu übernehmen. Auch hier werden wir aber in den Rechtsverordnungen Kompromisse eingehen und andere – weiter verbreitete – Dateiformate zulassen — in der Hoffnung, dass sich der beste Standard quasi natürlich durchsetzt.
Ich habe es schon ausgeführt: Kernbereich des Justizkommunikationsgesetzes ist die elektronische Akte. In diesem Zusammenhang sind vor allem Regelungen notwendig über die Anforderungen an ein wirksames gerichtliches elektronisches Dokument, an den Medientransfer und an den Beweis mit elektronischen Dokumenten.
Wir haben nach den Prozessordnungen zur Zeit bestimmte Formerfordernisse für gerichtliche Dokumente. Sie sollen in Zukunft qualitativ unverändert bleiben. Das heißt: Dokumente, die nach geltendem Recht zu unterschreiben sind, sind mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen. Für formlose Mitteilungen reicht dagegen das unsignierte Dokument.
Über die Einführung einer elektronischen Akte entscheidet der jeweilige Dienstherr. Bei den Gerichten des Bundes ist das also der Bund und bei den Gerichten der Länder das Land. Die Entscheidung ist jeweils durch Rechtsverordnung zu treffen. Im Hinblick auf den beschränkten finanziellen Bewegungsspielraum wird nicht sofort eine flächendeckende Einführung möglich sein: Die Einführung der elektronischen Akte kann deshalb auf einzelne Gerichte und auf einzelne Verfahren beschränkt werden.
Eine unserer Grundentscheidungen möchte ich an dieser Stelle aber herausheben: Es soll keine sogenannten Hybridakten geben. Das sind Akten, die teilweise aus elektronischen Dokumenten und teilweise aus Papierdokumenten bestehen. Das bedeutet für die Praxis: Wenn die elektronische Akte eingeführt ist, müssen Papiereingänge – jedenfalls im Grundsatz – eingescannt werden. Technisch kann das sinnvoll nur mit Scannstraßen gewährleistet werden, bei denen die Vor- und Rückseite aller eingehenden Dokument eingescannt wird – alles andere wäre unwirtschaftlich. Rechtlich wirft dieser Transfer allerdings Probleme auf: Richter und Richterinnen, die mit dem mit dem transferierten Dokument arbeiten, müssen sich darauf verlassen, dass das transferierte Dokument auch tatsächlich identisch mit dem Originaldokument ist. Ein technisches Transferverfahren, das absolute Sicherheit garantiert, ist – leider – noch nicht auf dem Markt. Ein visueller Vergleich kann schon im Hinblick auf die beschränkten Erkenntnismöglichkeiten nur Scheinsicherheit bieten und ist im übrigen auch viel zu aufwändig. Wir müssen deshalb – jedenfalls vorläufig – noch auf Hilfslösungen zurückgreifen. Wir haben daher vorgesehen, dass die Originale bis zum Abschluss des Verfahrens aufbewahrt werden. Würden wir das nicht tun, dann können wir jedenfalls nicht ausschließen, dass sich ein Verfahrensbeteiligter – zurecht oder zu unrecht – auf Fehler bei der Transformation beruft.
Und das Einscannen von Papierdokumenten muss auch Grenzen haben: Es wäre z. B. völlig unsinnig, die Buchführungsunterlagen mehrerer Jahre, die vielleicht in einem Finanzgerichtsprozess benötigt werden, einzuscannen. Ähnliches gilt für Pläne. Für diese Fälle sieht unser Gesetzentwurf Ausnahmen vor.
Meine Damen und Herren,
die elektronische Akte hat etwas, was Papierakten nicht haben: Sie kann etwa elektronisch eingesehen werden – zum Beispiel auf der Geschäftsstelle oder online von der Kanzlei aus – und sie kann elektronisch übermittelt werden. Diese Möglichkeiten sieht unser Gesetzentwurf nunmehr ausdrücklich vor.
Der Entwurf des Justizkommunikationsgesetzes ist vorige Woche in den Ausschüssen des Bundesrats beraten worden. Wir denken, dass der Entwurf ab Ende Oktober in den Ausschüssen des Bundestags beraten und dann hoffentlich schnell verabschiedet werden kann. Ich denke, ich sage nicht zuviel, wenn ich behaupte, dass die Praxis auf das Gesetz wartet.
IV.
Meine Damen und Herren,
bereits auf dem letztjährigen EDV-Gerichtstag hatte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Herr Hartenbach, auf die vielfältigen Aktivitäten zur Einrichtung des elektronischen Rechtsverkehrs im Geschäftsbereich des Bundeministeriums der Justiz hingewiesen. Seitdem hat sich einiges getan. Ich möchte Ihnen daher heute noch einmal einen aktuellen Überblick über den Stand der einzelnen Projekte geben.
Seit November 2001 besteht beim Bundesgerichtshof die Möglichkeit, alle Schriftsätze an die Zivilsenate wahlweise per E‑Mail zu übersenden. Gerichtsintern wird in einem Zivilsenat die elektronische Vorgangsbearbeitung per E‑Mail erprobt. Das Projekt läuft auf der technischen Ebene mittlerweile reibungslos und hat zur erwarteten Verfahrensbeschleunigung beigetragen. Im Mai 2004 ist die zweite Stufe des Projekts gestartet, in der das gerichtsinterne Dokumentenmanagement durch eine individuell angepasste Softwarelösung optimiert werden soll, die die Arbeitsabläufe im Bundesgerichtshof durch eine einheitliche Bedieneroberfläche zusammenfasst. Damit wird ein wesentlicher Schritt hin zu einer papierlosen Vorgangsbearbeitung bei diesem Gericht getan sein.
Beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof soll voraussichtlich zum 1. Dezember 2004 eine Pilotanwendung für die Implementierung einer gemeinsamen elektronischen Posteingangs- und ‑ausgangsstelle eingerichtet werden. Das Projekt ist so angelegt, dass es später auch von anderen Gerichten und Behörden des Bundes und der Länder genutzt werden kann.
Beim Bundespatentgericht läuft seit März 2002 ein Pilotbetrieb. Dort können Markenbeschwerdesachen und Dokumente bei Nichtigkeitsverfahren in Patentsachen auch in elektronischer Form eingereicht werden. Wir wollen damit die beim elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof gewonnenen Erkenntnisse für den Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes nutzbar machen. Das Projekt bietet die Gelegenheit, einen gesamten Rechtszug – und zwar von der Antragstellung beim Deutschen Patent- und Markenamt über das Bundespatentgericht bis hin zum Bundesgerichtshof — in elektronischer Form abzubilden.
Beim Bundeszentralregister können schon seit Mitte der 90er Jahre Auskünfte aus dem Bundeszentralregister elektronisch beantragt werden. Gerichten und Behörden wird hierfür eine elektronische Schnittstelle zur Verfügung gestellt, mit der innerhalb einer geschlossenen Nutzergruppe über spezielle Clients Auskünfte erteilt werden können. Im Rahmen des Projekts „eFührungszeugnis“ soll zukünftig auch Privatpersonen die Möglichkeit eröffnet werden, Führungszeugnisse weitgehend elektronisch zu beantragen und auch zu erhalten. Dafür muss aber eine technische Lösung dafür gefunden werden, dass der Antragsteller sicher identifiziert werden kann. Bisher ist es aus diesen Gründen notwendig, dass er persönlich bei der Meldebehörde erscheint. Um für diese Fragen eine Lösung zu finden, korrespondiert das Projekt mit dem „DeutschlandOnline“ — Projekt „Meldewesen“ und wird mit ihm zusammen Lösungsvorschläge erarbeiten.
Beim BZR erarbeiten wir auch erstmals einen elektronischen Datenabgleich innerhalb Europas.
Vor allem der Fall „Fourniret“ hat für breite Bevölkerungsschichten ein Bewusstsein dafür geschaffen, wie wichtig eine möglichst schnelle Verbesserung des Informationsaustauschs zwischen den nationalen Vorstrafenregistern in der Europäischen Union ist.
Vielleicht hat der eine oder andere von Ihnen in der Presse gelesen, ich hätte mich gegen ein Strafregister ausgesprochen. Das war nicht der Fall: Seit längerem setze ich mich immer wieder für den schnellen und reibungslosen Austausch von Strafregisterdaten ein. Ich bin aber der Meinung, dass es besser ist, die bestehenden nationalen Strafregister zu vernetzen, anstatt ein neues zentrales Register zu schaffen. Denn wenn wir erst ein solches zentrales Register aufbauen müssten, würden wir wertvolle Zeit verlieren und möglicherweise mit technischen Problemen zu kämpfen haben, die man vermeiden könnte, wenn man einfach auf die bestehenden Daten zurückgreift und diese schnell austauscht.
Deutschland, Frankreich und Spanien haben sich bereits deshalb im letzten Jahr entschlossen, ihre nationalen Strafregister miteinander elektronisch zu vernetzen. Damit soll ein Modell für eine umfassende Vernetzung der Strafregister in Europa geschaffen werden.
Die zeitaufwändige papiergebundene Kommunikation soll künftig durch einen schnellen und unkomplizierten elektronischen Informationsaustausch zwischen den nationalen Registerbehörden ersetzt werden: Elektronische Auskunftsanträge an das Register eines anderen Staates sollen dabei über das jeweilige nationale Register kanalisiert werden.
Die von den beteiligten Staaten eingesetzte gemeinsame Arbeitsgruppe hat bereits Einigkeit über die technischen Standards erzielt. Schon jetzt wird klar: Die Standards gewährleisten ein hohes Maß an Sicherheit und Vertraulichkeit des Informationsaustauschs und sie können ohne größere Schwierigkeiten auch von weiteren EU-Mitgliedsstaaten umgesetzt werden. Bis zum Ende dieses Jahres sind erste Tests für den Austausch von Daten zwischen den drei Registern geplant. Die Vorarbeiten an dem Projekt werden die Grundlage dafür bilden, dass sich auch die anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union mit ihren nationalen Registern anschließen können. Mehrere Länder haben bereits ihr Interesse bekundet, an dem Projekt mitzuwirken – und die Kommission hält diese Linie für richtig.
Ein weiteres Projekt ist die Einführung elektronischer Handelsregister. Wir müssen schon aufgrund einer Richtlinie der Europäischen Union spätestens ab dem 1. Januar 2007 solche elektronischen Register zur Verfügung stellen und haben bereits im Dezember 2003 dazu eine Bund/Länder-Unterarbeitsgruppe „Deutsches Unternehmensregister“ eingerichtet. Dort werden die technischen und rechtlichen Voraussetzungen zur Umsetzung der EG-Richtlinie erarbeitet und Möglichkeiten eines umfassenden einheitlichen Zugriffs auf alle Unternehmensveröffentlichungen festgelegt, die bisher noch bei verschiedenen Stellen wie Handelsregister und Bundesanzeiger einzureichen sind.
Neben verfahrenstechnischen Fragen konnte zwischenzeitlich geklärt werden, wer Träger des Unternehmensregisters wird und wer es operativ betreibt. Das Deutsche Unternehmensregister soll von Bund und Ländern gemeinsam getragen werden. Die Länder werden die Handelsregisterbekanntmachungen bestimmen. Der Bundesanzeiger erhält im Gegenzug die alleinige Zuständigkeit für Entgegennahme, Speicherung und Bekanntmachung der Jahresabschlüsse und die operative Führung des Registers.
Bereits im letzten Jahr hatte Herr Staatssekretär Hartenbach Ihnen auch über den elektronischen Bundesanzeiger berichtet, der in immer mehr Gesetzen als Veröffentlichungsmedium vorgesehen ist. In zunehmendem Maße ersetzt er die herkömmliche Papierausgabe des Bundesanzeigers.
In diesem Zusammenhang stehen auch Überlegungen, Gesetze und Verordnungen in Zukunft in elektronischer Form zu verkünden. Die sich hieraus ergebenden Fragen zur Sicherheit und zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit eines solchen Verkündungsweges sind noch nicht abschließend geklärt, so dass ich Ihnen hier und heute noch keinen Zeitrahmen für die Umsetzung dieses Vorhabens nennen kann. Gerade die verfassungsrechtliche Seite bedarf wegen der Bedeutung der Verkündung von Gesetzen und Verordnungen einer intensiven Prüfung. Verglichen mit anderen Projekten, die sich derzeit mit dem Einsatz der Elektronik befassen, halte ich allerdings die Frage der elektronischen Verkündung nicht für prioritär.
Schließlich gibt es auch Überlegungen zu einer „elektronischen Bundesgesetzgebung“. Damit ist ein elektronischer Work-Flow vom ersten Entwurf eines Gesetzes oder einer Rechtsverordnung bis hin zum fertigen Gesetz und dessen elektronischer Verkündung gemeint. Die elektronische Gesetzgebung soll vor allem ermöglichen, die einzelnen Arbeitsschritte elektronisch auf Plausibilität und Stimmigkeit zu prüfen – also zum Beispiel darauf, ob Verweisungen auf Rechtsvorschriften korrekt sind.
Dieses Projekt wird im Rahmen des Bund-Online 2005- Programms unter Federführung des Bundeskanzleramtes betrieben. Aber auch hier sind die zu klärenden Fragen derart komplex, dass ich Ihnen einen Zeitrahmen zur Einführung dieses Work-Flow jetzt noch nicht nennen kann.
Konkreter kann ich Ihnen allerdings etwas zu einem noch recht neuen Vorhaben sagen: Das Bundesministerium der Justiz hat sich entschlossen, in Zusammenarbeit mit der JURIS GmbH das Bundesrecht so ins Internet zu stellen, dass demnächst jede Bürgerin und jeder Bürger die Möglichkeit hat, sich schnell und unkompliziert über die geltenden Bundesgesetze zu informieren. Ich hoffe, dass dieses Internetangebot im Laufe des kommenden Jahres zur Verfügung stehen wird. Ich denke, hiermit werden wir einen wesentlichen Beitrag zur Transparenz des geltenden Rechts in der Öffentlichkeit leisten.
Meine Damen und Herren,
der elektronische Rechtsverkehr gewinnt immer mehr an Bedeutung – nicht nur auf Bundes‑, sondern auch auf Länderebene. Deshalb freue ich mich sehr darüber, dass die Länder unter dem Dach der Bund-Länder-Kommission für Datenverarbeitung und Rationalisierung in der Justiz den Elektronischen Rechtsverkehr auch länderübergreifend betreiben und intensiv miteinander abstimmen.
Ich bin überzeugt, dass wir alle – und damit meine ich Bund, Länder und auch die beteiligten Firmen und Forschungsstellen – auf einem guten Weg sind, den Rechtsverkehr in Deutschland komfortabler, effektiver und schneller zu gestalten und ich möchte mich nochmals bei den Veranstaltern des EDV-Gerichtstags dafür bedanken, dass sie dieses wichtige Thema aufgegriffen haben.
Ihnen allen danke ich fürs Zuhören und wünsche uns noch einen erfolgreichen EDV-Gerichtstag 2004 – es lohnt sich, wenn wir miteinander über die Justiz im Gespräch bleiben.