Grußwort des Vorsitzenden
“e‑justice” hat sich als Arbeitsbegriff etabliert. Die Initiative der österreichischen Ratspräsidentschaft und des Europarates zu diesem Thema in Wien 2006 wurde von der deutschen Ratspräsidentschaft mit dem Kongreß in Bremen im Frühjahr diesen Jahres aufgenommen und wird — wie in Bremen zum Abschluß versichert wurde — von der portugiesischen und der slowenischen Ratspräsidentschaft fortgeführt werden. Die sich so abzeichnende kontinuierliche europaweite Befassung mit dem Gegenstand ist außerordentlich zu begrüßen. Auch für den EDV-Gerichtstag und die Europäische EDV-Akademie des Rechts bleibt “e‑justice” ein Leitthema, wie nicht zuletzt auch das diesjährige Programm es erneut beweist.
Und doch verdient die Frage einen kurzen Augenblick der Reflexion, ob das ubiquitäre Hinzufügen
eines “e-” zur Bezeichnung von Lebensbereichen, Wissenschaften, Zuständen etc. der Erkenntnis
weiterhilft oder nicht vielleicht zu folgenreichen Mißverständnissen geradezu einlädt.
Bei der Eröffnung der Wiener Konferenz hat Frau Maud de Boer-Buquicchio, stellvertretende
Generalsekretärin des Europarats, in sehr einprägsamer Weise auf diese Problematik hingewiesen:
“E‑justice, in my view, can stand for equitable justice; it can stand for efficient justice, or even for
enlightened justice, but certainly not for electronic justice. What makes justice just, after all, is
human judgment, applying a democratically accepted set of abstract rules to a specific situation.
This can be greatly helped, but cannot be replaced by information technology, so I would prefer to
speak about e‑courts, or e‑law, rather than e‑justice.”
Wenn man weiter von “e‑justice” spricht, sollte man vielleicht diese “benigna interpretatio” zur
Rettung des “e-” immer mit im Sinne haben.
In Bremen war es dann wiederum Frau de Boer-Buquicchio, die nach Art eines “ceterum censeo”
auf die notwendige Relation zwischen dem Leitwert und die diesem subordinierten Instrumente
hingewiesen hat:
“For all the benefits of information and communication technologies we must never lose sight of
our objective – more and better justice for our citizens. At the end of the day, the statue of justice,
with an e or without, should still be blindfolded, with a sword in one hand and a scale – not a
Blackberry – in the other.”
Das “not a Blackberry” löste in Bremen nachdenkliche Heiterkeit aus. Diese Stimmungslage einer
heiteren Nachdenklichkeit sei auch dem EDV-Gerichtstag gewünscht, wenn er sich mit diesem
Gegenstand befaßt.
Saarbrücken, 28.8.2007
Maximilian Herberger
P.S. Im Bundesgesetzblatt vom heutigen Tag ist übrigens (pünktlich zum EDV-Gerichtstag :-))) )
die “Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und
Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV)” veröffentlicht worden.