BLK: Bundeseinheitliches Datenbankgrundbuch
Zeit: | Donnerstag — 16.09.2010 — 14.00 Uhr |
Ort: | Hörsaal 111 |
Referenten: | Bredl Walther (Ministerialrat im Bayerischen Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz); Thomas Lang (Justizoberinspektor, Gemeinsame IT-Stelle der bayerischen Justiz) |
Dokumente: | Präsentation I — Präsentation II — Protokoll |
In Deutschland wurden mit dem Registerverfahrenbeschleunigungsgesetz von 1993 die Rechtsgrundlagen dafür geschaffen, um die Grundbücher in elektronischen Systemen führen zu können. Beginnend ab 1994 machten im Laufe der Zeit alle Länder Deutschlands von dieser Möglichkeit Gebrauch. Allerdings führte das Registerverfahrenbeschleunigungsgesetz von 1993 im Wesentlichen zu einer elektronischen Führung der vormaligen Papiergrundbücher. Von wenigen Ausnahmen abgesehen – wie z. B. die Online- Einsicht in die maschinell geführten Grundbücher – entsprechen die Funktion des Grundbuchs, der Aufbau und das äußere Erscheinungsbild dem des Papiergrundbuchs. Dabei nahm man aus dem übergeordneten Interesse der raschen Förderung des Immobilienverkehrs und Bodenkredits in Kauf, dass die Möglichkeiten eines elektronischen Grundbuchs, insbesondere hinsichtlich Funktionalität und äußerem Erscheinungsbild, nicht voll zur Wirkung gebracht werden können. Deutschland hat deshalb heute de facto ein „elektronifiziertes Papiergrundbuch“.
Auf der Grundlage eines 2004 erstellten Grobkonzepts sind die Länder dabei, das Grundbuch Deutschlands zu modernisieren. Das vordringliche strategische Projektziel besteht darin, ein bundesweit einheitliches Datenbankgrundbuch in Deutschland zu schaffen. Dadurch sollen einerseits die innovativen Potentiale über alle Bundesländer hinweg genutzt werden und außerdem soll die personell und finanziell aufwändige Entwicklung des benötigten IT- Systems durch die Verteilung auf alle Länder vor allem in wirtschaftlich schwierigen Zeiten leichter geschultert werden.
Zu den wichtigen Zielen des zu entwickelnden Systems gehört eine effiziente Unterstützung bei der Migration der sehr hohen Datenvolumina der sog. „Altsysteme“ in eine neue Grundbuchdatenbank. Immerhin werden damit fast 40 Mio. Grundbuchblätter im Rechtssinne elektronisch geführt. Das Gelingen des Projekts wird nicht zuletzt danach zu beurteilen sein, wie wirkungsvoll das künftige System die Übernahme der Daten aus den bisherigen Systemen in das Datenbankgrundbuch unterstützt.
Die Entwicklung eines bundeseinheitlichen Datenbankgrundbuchs erfordert einen hohen personellen und finanziellen Aufwand. Schon aus diesem Grund wird von dem neuen System eine höhere Effizienz als bei den bisher eingesetzten Systemen erwartet. Diese kann jedoch nicht allein mit technischen Mitteln erreicht werden. Es müssen auch die Möglichkeiten genutzt werden, das Grundbuch funktionell und organisatorisch zu verbessern, um zusammen mit den technischen Maßnahmen die angestrebte Effizienzsteigerung zu erreichen und die technischen Möglichkeiten eines voll strukturierten Datenbankgrundbuchs zur Wirkung bringen zu können. Der Fortentwicklung des formellen Grundbuchrechts unter der Zuständigkeit des Bundesministeriums der Justiz kommt hierbei eine entscheidende Bedeutung zu.
Die Länder sind sich darüber einig, im Zusammenhang mit dem neuen Datenbankgrundbuch auch ein neues einheitliches Online-Abrufsystem zu schaffen. Als wichtige funktionale Erweiterung bietet sich dabei die Online-Einsicht in elektronisch geführte Grundakten an, die mit dem Gesetz zur Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Akte im Grundbuchverfahren sowie zur Änderung weiterer grundbuch‑, register- und kostenrechtlicher Vorschriften von 2009 ermöglicht worden ist.
Die Kompetenz der Länder für den Vollzug der Grundbuchordnung, die für die Systementwicklung benötigten personellen und finanziellen Ressourcen und nicht zuletzt die Entwicklung im europäischen Raum erfordern ein entsprechendes verantwortungsvolles Vorgehen.
Im bisherigen Verlaufe des Projekts wurde es mehrmals erforderlich, die Organisation und das Vorgehen anzupassen, um im notwendigen Umfang voran zu kommen. Weichenstellende Entscheidungen wurden in diesem Zusammenhang durch die Konferenz der Justizstaatssekretäre getroffen. Hervorzuheben sind dabei ausschließlich für das Projekt eingesetzte Mitarbeiter und die Einrichtung eines geschäftsführenden Projektlenkungskreises ebenso wie die Festlegung inhaltlicher Prioritäten.
Europa rückt zusammen. Dies ist auch im Bereich des Immobilienverkehrs und der Bodenkreditwirtschaft festzustellen. Die Umsetzung der europäischen Dienstleistungsrichtlinie hat dazu geführt, dass in Deutschland z. B. Banken anderer europäischer Länder zum Grundbuch-Online-Verfahren zugelassen werden. Den hieraus entstehenden besonderen Anforderungen wird bei der Neuentwicklung der Online-Einsicht in das Datenbankgrundbuch und in elektronisch geführte Grundakten Rechnung zu tragen sein, z. B. durch die Berücksichtigung internationaler Standards. In gleicher Weise sollten inländische Abrufteilnehmer wie z. B. Notare und Kreditinstitute die Möglichkeit erhalten, über das deutsche Online-Abrufsystem an Grundbuchinformationen anderer europäischer Staaten zu gelangen, auch wenn der Weg hierzu noch lang und steinig sein mag.
Die Projektorganisation führt derzeit ein europaweites Vergabeverfahren durch, um den Partner für die Fertigstellung des Fachfeinkonzepts für das bundeseinheitliche Datenbankgrundbuch und die Realisierung eines prototypischen Migrationsautomaten zu gewinnen. Im darauf folgenden Schritt sind die Programmierung des Systems und dessen Pilotierung vorgesehen.