20 Jahre EDV-Gerichtstag
20 Jahre sind eine lange Zeit – und ein Grußwort ist ein kurzer Text, und noch dazu ein gefährlicher. Denn die Versuchung ist groß, aus der langen Lebensdauer einer Institution allein auf deren Relevanz zu schließen – doch das wäre zu einfach. Andererseits ist aber sicher auch wahr: Hätte der EDV-Gerichtstag 20 Jahre lang nichts Relevantes zu sagen gehabt, wäre er wohl nicht mehr so lebendig, wie wir ihn jedes Jahr erleben. Es muss also doch etwas Zukunftsweisendes in dem Gründungsgedanken enthalten gewesen sein, der vor 20 Jahren zur Entstehung des EDV-Gerichtstages geführt hat.
Versucht man, der Grundidee des EDV-Gerichtstags auf die Spur zu kommen, kann man an das Thema anknüpfen, das beim Start Pate gestanden hat. Es war der Gedanke, dass alle bei Gericht in der Verantwortung stehenden Akteure über PCs verfügen sollten. Das sieht aus heutiger Sicht nach einer etwas trivialen Idee aus. Es war aber in einer Zeit, in der die Organisationidee „Zentralrechner samt Richter-Terminals“ dominant war, ein ziemlich ungewöhnlicher und gewöhnungsbedürftiger Gedanke. Das allein reicht jedoch als Erklärung für den von dieser Idee ausgehenden Schwung nicht aus, denn ungewöhnliche und gewöhnungsbedürftige Gedanken gibt es im IT-Umfeld viele. Was also war die „Idee hinter der Idee“? Es war das Gespür, dass man die für die Justiz und das Recht Verantwortlichen mit der für ihre Aufgabe denkbar besten Technologie ausstatten muss, damit sie ihrer Verantwortung bestmöglich gerecht werden können. Auf diese Weise wurde zugleich der dienende Charakter der IT-Technologie deutlich: Die IT-Technologie als Mittel zum Zweck von Recht und Gerechtigkeit und nicht als Selbstzweck. So konnte der EDV-Gerichtstag immer wieder auch warnend seine Stimme erheben, wenn irgendwo „bei Gericht“ Technik dabei war, sich zum Selbstzweck zu stilisieren. Auch heute besteht noch Anlass, auf diese Gefahr zu achten.
Man nimmt schon dann eine gesellschaftliche Verantwortung wahr, wenn man sich um die Optimierung des eigenen IT-Handlungsumfelds im Recht bemüht. Trotzdem liegt in einer dominanten Fokussierung auf diese Fragen allein die Gefahr einer berufsständischen Isolierung. Der EDV-Gerichtstag war sich dieser Gefahr bewusst und hat deswegen seine öffentliche Verantwortung auch dadurch wahrgenommen, dass er in Fragen votierte, die alle Bürgerinnen und Bürger angehen. Nicht ohne einen gewissen Stolz darf hier an die Debatte rund um das Motto „Freies Recht für freie Bürger“ erinnert werden. Was wir heute an „freiem Recht“ im Internet vorfinden, verdankt sich mit dieser Initiative, die in Deutschland das vorher bestehende Eis der diesbezüglichen Vorbehalte gebrochen hat.
Wenn sich der Blick vom IT-Umfeld bei Gericht auf gesamtgesellschaftliche Interessen mit Bezug zu Recht und IT richtet, liegt eine nächste Erweiterung des Blicks nahe. Denn es gibt kaum einen Grund, die Gedanken rund um IT und Recht auf Deutschland zu beschränken. Wir haben uns deswegen immer gefreut, dass Kolleginnen und Kollegen aus den Gastländern des EDV-Gerichtstages uns bei dieser notwendigen Ausweitung der Perspektive geholfen haben. Gastländer sind diesmal aus alter Verbundenheit Frankreich und Luxemburg.
20 Jahre sind eine lange Zeit. Das Schöne daran ist, dass man, so lebendig wie der EDV-Gerichtstag ist, dem 21. Jahr gespannt und mit Freude entgegensehen kann.