Gastland Slowenien
In den letzten beiden Jahrzehnten hat die slowenische Justiz einen Anstieg der Entwicklung der Informationstechnologie erlebt, die, wie erwartet, dazu geführt hat, dass die Informationstechnologie in nahezu alle Bereiche der slowenischen Justiz Einzug gehalten hat.
Die Computerisierung der Gerichte hat sich in den letzten Jahren unter Federführung des Obersten Gerichtshofs konstant weiterentwickelt, wie es in Europa einzigartig ist. Dies ist einerseits historisch begründet, da der Oberste Gerichtshof schon in den 80er Jahren hinsichtlich der Computerisierung der Gerichte eine aktive Rolle gespielt hat, und andererseits methodologisch, da die Nähe zu den Begünstigten von höchster Bedeutung schien. Diese Entwicklung konnte zwar nicht ganz mit der rasanten Weiterentwicklung der Informationstechnologie Schritt halten, hat jedoch in vielen Fällen zu gesetzlichen und organisatorischen Änderungen beigetragen und fortschrittliche Lösungen hervorgebracht, die sich erst später zu allgemeinen Entwicklungstrends von Informationssystemen weiterentwickelt haben.
Heute können wir feststellen, dass Abläufe im Justizwesen vollständig IT-gestützt laufen: Die Gerichte bearbeiten mehr als 97% aller eingegangenen Fälle mit Hilfe eines Gerichtsinformationssystems. Über 53% aller Fälle ersten Grades werden elektronisch verarbeitet. Grundbuchverfahren, Vollstreckung öffentlicher Urkunden (vergleichbar mit dem deutschen Verfahren für geringfügige Forderungen) und Insolvenzverfahren laufen vollständig elektronisch und papierlos ab.
Die grundlegende Reform wurde 2010 für Grundbuchsachen vollzogen. Obwohl Amtsgerichte weiterhin für Grundbuchverfahren zuständig sind, wurde die Aufhebung der örtlichen Zuständigkeit bzgl. Antragsstellung und Zuständigkeit gemäß lex rei sitae umgesetzt. Dies ermöglichte die Zuweisung der Rechtssachen an RechtspflegerInnen gemäß deren Arbeitsauslastung und somit die Verteilung des Arbeitsaufwands auf die Zuständigen für Grundbuchangelegenheiten im ganzen Land. Die elektronische Übermittlung von Anträgen und Anhängen über das spezielle E‑Justice-Portal wurde obligatorisch für alle professionellen Benutzer (Gerichte, Notare, Rechtsanwälte, Immobiliengesellschaften und bestimmte staatliche Verwaltungsbehörden). Zudem wurde die ausschließliche Zuständigkeit eines einzigen Höheren Gerichts für Berufungsangelegenheiten zur einheitlichen Rechtsprechung eingeführt.
2008 wurde das “Data Warehouse and Business Intelligence”-Projekt gestartet, das schließlich zur Bereitstellung hochwertiger Geschäftsinformationen führen sollte. Der Oberste Gerichtshof sah sich konfrontiert mit inakzeptablen Rückständen und Verzögerungen bei fast allen Gerichtsverfahren bei fast allen Gerichten. Die Anzahl an Gerichtsfällen hatte sich in einem Zeitraum von 20 Jahren fast verdreifacht und stieg weiter an. Ermutigt auch durch Erfolge im Wirtschaftssektor (vor allem im Banken- und Telekommunikationsbereich) kombinierte der Oberste Gerichtshof diese mit branchenbezogener Business Intelligence (BI)-Technologie, um die Gerichtsverwaltung zu optimieren und die Effizienz und Qualität der Rechtsprechung landesweit zu verbessern. Die Umsetzung eines Analysewerkzeugs zur Lieferung von Geschäftsinformationen sorgte für einen Paradigmenwechsel in der slowenischen Gerichtsverwaltung und Business Intelligence wurde unverzichtbar im täglichen Betrieb des Systems und in der strategischen Verwaltung des gesamten Justizwesens. Die Performance Dashboards des Präsidenten/der Präsidentin stellen der Gerichtsverwaltung auf allen Ebenen die wichtigsten Informationen zur Verfügung, die benötigt werden, um einen Überblick über ein individuelles Gericht, Arten von Gerichten oder die gesamte Justiz zu erlangen.
Von grundlegender Bedeutung dazu waren die klare Vision und Zielsetzung für die Entwicklung von Informationssystemen in der Justiz sowie strategische Richtlinien und Standards, auf deren Basis eine koordinierte Entwicklung wichtiger zentralisierter Informationssysteme in der Justiz in den letzten fünfzehn Jahren am Zentrum für Informationstechnologie am Obersten Gerichtshof erfolgen konnte.
Die Erfahrungen der Vergangenheit haben gezeigt, dass langfristig Visionen, Zielsetzungen, strategische Richtlinien und Standards allein nicht ausreichen, um nachhaltige Entwicklung in diesem Feld zu gewährleisten. Es wäre praktisch unmöglich gewesen, diese Ergebnisse ohne enge Zusammenarbeit der ManagerInnen, BetreiberInnen und BenutzerInnen von Informationssystemen und deren Engagement hinsichtlich gemeinsamer strategischer Ziele zu erreichen. Folglich wurden gemeinsame strategische Richtlinien erarbeitet, um langfristige strategische Grundsätze und Richtlinien zur Einführung moderner Technologien, Dienstleistungen und Standards für die IT-Umgebung der slowenischen Justiz einzuhalten und zur Verfügung zu stellen.