Stellungnahmen

28. März 2024

1.    Allgemeines

Aus unserer Sicht ist das Ziel des Gesetzentwurfs zu begrüßen, die Reformanstrengungen der letzten Jahre zur Förderung der Digitalisierung der Rechtspflege fortzusetzen und Erleichterungen dort vorzusehen, wo sich in der Praxis bislang noch Schwierigkeiten durch Medienbrüche zeigen. Eine medienbruchfreie Weiterverarbeitung der im Beurkundungsverfahren errichteten Dokumente ist geeignet, Kapazitäten einzusparen und Prozesse zu beschleunigen. Die im Entwurf vorgesehene Ausweitung der Möglichkeiten zur Errichtung elektronischer Dokumente zum Zwecke der Beurkundung durch Notarinnen und Notare wie auch durch andere Urkundsstellen unterstützen wir.

Richtig ist der Befund, dass in Präsenzverfahren die Errichtung öffentlich beglaubigter Erklärungen heute in aller Regel noch im Wege der Beglaubigung einer Unterschrift auf einem Schriftstück erfolgt. Ursache dafür ist allerdings in erster Linie die fehlende Kenntnis von den Möglichkeiten der qualifizierten elektronischen Signatur bei den Beteiligten. Auf Basis von ErwGr. 52 der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (eIDAS VO) wurden die in anderen Mitgliedstaaten etablierte Fernsignatur auch in Deutschland angeboten. In der vom Europäischen Parlament am 29.2.2024 angenommenen Neufassung (dem European Digital Identity Framework) werden Fernsignaturen auch in der eIDAS VO ausdrücklich erwähnt (Art. 3 Abs. 29a) und damit anerkannt. Darauf basieren schon bewährte Geschäftsmodelle. Banken nutzen Fernsignaturen zum Abschluss von Verträgen über Verbraucherdarlehen, bei denen nach § 492 Abs. 1 BGB für die Erklärung des Verbrauchers die Schriftform vorgeschrieben ist. Anbieter wie D-Trust, Docusign, Namirial bieten Lösungen an, mit denen die Banken kostengünstig Fernsignaturen durch die Verbraucher organisieren können. Die Verbraucher identifizieren sich dazu beim Vertrauensdiensteanbieter mit ihrem Personalausweis (NPA) mit Identifizierungsfunktion. Für Verbraucher mit älteren Personalausweisen ohne freigeschaltete Identifizierungsfunktion wird ein entsprechender Provider eingeschaltet. Im Notariat könnte dies mit erledigt werden. Damit kann innerhalb von wenigen Minuten eine qualifizierte elektronische Signatur erstellt werden. Das dazu erstellte qualifizierte Zertifikat für elektronische Signaturen gilt nur für kurze Zeit und bedeutet damit keine Risiken für die Verbraucher. Die Bundesnotarkammer hat im vergangenen Jahr auf Fernsignaturen umgestellt und dazu die bislang verwendeten Signaturkarten (wie auch die beA-Karten mit Signaturfunktion) durch neue Karten ersetzt. Diese Karten dienen allerdings nicht mehr zur Erstellung von Signaturen, sondern zur Authentifizierung gegenüber dem Server der Bundesnotarkammer, der dann Fernsignaturen erstellt.

Damit ist festzuhalten, dass mit der Onlinefunktion des deutschen Personalausweises, der eID-Karte für EU/EWR-Bürger/innen und des elektronischen Aufenthaltstitel ausreichende Instrumente zur Erstellung von qualifizierten elektronischen Signaturen bei Bürgerinnen und Bürgern sowie in der Wirtschaft zur Verfügung stehen. Es fehlt den Bürgerinnen und Bürgern in erster Linie die Kenntnis der damit verbundenen Möglichkeiten, die auch im Notariat genutzt werden können. Kartenlesegeräte sind in Notariaten vorhanden, da diese auch im elektronischen Rechtsverkehr erforderlich sind. Möglicherweise sind Kartenlesegerät erworben worden, die nicht in der Lage sind den nPA auszulesen, so dass an dieser Stelle aufgerüstet werden müsste. Die entsprechenden Kartenlesegeräte sind, für weniger als 90 € auf dem Markt und wären eine preisgünstige Alternative zur Anschaffung von Unterschriftenpads oder Touchbildschirmen, die laut S. 19 der Begründung zum Entwurf durchschnittlich 210 € kosten. Auch der prognostizierte Installationsaufwand wäre geringer, da Kartenlesegeräte bereits im Notariat im Einsatz sind und sich in der Bedienung von den nPA-fähigen Kartenlesegeräten nicht unterscheiden.

Eine Nutzung dieser bereits etablierten und allgemein verfügbaren Verfahren würde den prognostizierten Aufwand für eine Signatursoftware für die Durchführung der elektronischen Präsenzbeurkundung durch die Notarinnen und Notare einsparen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Software von der Bundesnotarkammer oder von Bund und Ländern in Auftrag zu geben wäre. Dieser Aufwand könnte komplett entfallen.

Der Schulungsaufwand würde in geringerem Ausmaß anfallen, da Fernsignaturen im SaaS-Verfahren genutzt werden könnten.

Der erhoffte Entlastungseffekt für Notariat und Justiz würde in gleicher Weise realisierbar sein.

2.    Zu Nummer 1 (Änderung des § 129 BGB-E)

Die mit Einführung eines neuen Abs. 3 zu § 129 BGB verfolgte Zielsetzung unterstützen wir ausdrücklich. Der vorgeschlagene Weg über den neuen Abs. 3 wird von uns abgelehnt.

Nach bestehendem Recht kann die Erklärung gemäß § 129 Abs. 1 BGB entweder mit der „Unterschrift des Erklärenden” oder dessen qualifizierter elektronischen Signatur versehen und vom Notar/von der Notarin beglaubigt werden. § 129 Abs. 2 BGB stellt der notariell beglaubigten Unterschrift des Erklärenden dessen notariell beglaubigtes Handzeichen gleich. Mit dem geplanten Abs. 3 sollen in Anknüpfung an die kürzlich neu gefasste Regelung in Abs. 2 die “notariell beglaubigte eigenhändige elektronische Namensunterschrift” und das “notariell beglaubigte eigenhändige elektronische Handzeichen” gleichgestellt werden. Dadurch wird das bekannte papiergebundene Verfahren viel zu umständlich in elektronische Form gebracht, obwohl das sinnvolle Ziel der medienbruchfreien Umsetzung der öffentlichen Beglaubigung einfacher elektronisch zu erreichen wäre.

Zunächst ist nicht erkennbar, warum in Abs. 3 abweichend von Abs. 1 eine Namensunterschrift anstelle einer Unterschrift gefordert wird.

Zudem werden mit der “notariell beglaubigten eigenhändigen elektronischen Namensunterschrift” und dem “notariell beglaubigten eigenhändigen elektronischen Handzeichen” ohne Not zwei neue Kategorien geschaffen. Art. 3 Nr. 10 eIDAS VO definiert „Elektronische Signatur” als Daten in elektronischer Form, die anderen elektronischen Daten beigefügt oder logisch mit ihnen verbunden werden und die der Unterzeichner zum Unterzeichnen verwendet. Sowohl die elektronische Namensunterschrift als auch das elektronische Handzeichen sind nach Art. 3 Nr. 10 eIDAS VO elektronische Signaturen. Wie die Regelung in Abs. 2 zeigt, beruht die öffentliche Beurkundung in erster Linie auf der notariellen Beglaubigung. Es ist daher nicht erkennbar, wieso in Abs. 3 das zusätzliche Merkmal „eigenhändig” beim Handzeichen und der Namensunterschrift hinzugefügt werden.

Zwar sieht die eIDAS VO auch in der Neufassung in Art. 2 Abs. 3 vor, dass die Verordnung nicht das nationale Recht oder das Unionsrecht in Bezug auf den Abschluss und die Gültigkeit von Verträgen oder anderer rechtlicher oder verfahrensmäßiger Formvorschriften berührt. Insoweit wäre der nationale Gesetzgeber wohl frei, bestimmte Anforderungen an die Gestaltung einer einfachen Signatur vorzulegen. Die durch den European Digital Identity Framework (in der vom Europäischen Parlament verabschiedeten Fassung vom 29.2.2024, Link:

https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-6988-2024-INIT/en/pdf) neugefasste eIDAS VO sieht jedoch im Hinblick auf den europäischen Binnenmarkt eine stärkere Harmonisierung der Signaturvorschriften vor. Insbesondere sehen die Regelungen zur European Digital Identity Wallets auch die Möglichkeit vor, dass der Inhaber der Wallet leichter qualifizierte elektronische Signaturen nutzen kann und somit das Erfordernis entfällt, aus Gründen der Praktikabilität auf ein geringeres Signaturniveau auszuweichen (siehe dazu Erwägungsgrund 20: “…should also allow users to create and use qualified electronic signatures and seals which are accepted across the Union. Once on-boarded to a European Digital Identity Wallet, natural persons should be able to use it to sign with qualified electronic signatures, by default and free of charge, without having to go through any additional administrative procedures. Users should be able to sign or seal self-claimed assertions or attributes”). Der neu formulierte Erwägungsgrund 63 sagt u.a. Folgendes: “To increase the accessibility and use of electronic signatures, Member States are encouraged to consider the use of advanced electronic signatures in the day-to-day transactions for which they provide a sufficient level of security and confidence”. Mit dem Geist der neuen europäischen Regelung wäre daher ein neuer deutscher Sonderweg bei der Gestaltung bestimmter einfacher Signaturen nicht vereinbar, zumal die neue Regelung auch innerhalb von Deutschland ein Sonderweg wäre, der auf einen für die Bürgerinnen und Bürger selten vorkommenden Anlass beschränkt wäre.

3.    Zu Nummer 2 (Änderung des § 130 BGB-E)

Die Erleichterung des Zugangs von notariell beurkundeten und öffentlich beglaubigten Erklärungen ist grundsätzlich zu begrüßen.

Für den elektronischen Rechtsverkehr ist der vorgeschlagene neue Abs. 2 allerdings die Fortschreibung einer nicht mehr sinnvollen Einrichtung aus dem Zeitalter der Papierurkunden in elektronischer Form und damit ein überflüssiger Anachronismus. Mit der zunehmenden Digitalisierung von Justiz und Verwaltung, der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und der Einführung der elektronischen Akte werden Willenserklärungen nicht mehr auf Papier, sondern elektronisch beurkundet. Dies zu fördern ist Anliegen dieses Gesetzentwurfs. Bei einer elektronischen Urkunde ist die Unterscheidung zwischen Urschrift und Abschrift nicht mehr sinnvoll. Wie die Begründung der Regelung ausdrücklich ausführt, soll die öffentlich beglaubigte Abschrift dem Erklärungsempfänger die Möglichkeit eröffnen, Authentizität und Integrität der Erklärung zu überprüfen, was bei Papierurkunden nur beim Original möglich war.

Elektronische Urkunden sind dadurch gekennzeichnet, dass zwischen Original und Kopie kein Unterschied mehr besteht.

Bestenfalls für eine Übergangszeit mag es Anwendungsfälle geben, in denen von einer Papierurkunde eine beglaubigte (elektronische) Abschrift herzustellen ist.

Deshalb halten wir den geplanten Abs. 2 für überflüssig für den elektronischen Rechtsverkehr.

4.    Zu Nummer 3 (Änderung des § 873 BGB-E)

Wir begrüßen den Vorschlag, das Wort „ausgehändigt” durch das neutralere Wort „überlassen” zu ersetzen.

Zu Artikel 2 (Änderung der Bundesnotarordnung)

a)   § 78 Abs. 1 Nr. 11 BNotO

Durch § 78 Absatz 1 Satz 2 Nummer 11 BNotO-E soll der Bundesnotarkammer daher die Aufgabe übertragen werden, ein Signatursystem bereitzustellen, das die Signatur elektronischer Niederschriften nach § 13a BeurkG-E und die Beglaubigung nach § 40b BeurkG-E ermöglicht. Für die BNotK besteht die Möglichkeit, über ihre Zertifizierungsstelle eine IT-Softwareausstattung zu erstellen, die über Beiträge der Mitglieder finanziert werden kann.

Es besteht allerdings Bedarf, ein eigenes Signatursystem bereitzustellen. Die qualifizierten Vertrauensdiensteanbieter, zu denen auch die Bundesnotarkammer mit ihrer Zertifizierungsstelle gehört, stehen untereinander im Wettbewerb und bieten ausreichende Leistungen an, um alle gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen. Der Gesetzgeber sollte nicht einen einzelnen qualifizierten Vertrauensdiensteanbieter mit besonderen Aufgaben betrauen.

Die Digitalisierung der Rechtspflege sollte nicht auf proprietäre Systeme einzelner Vertrauensdiensteanbieter, sondern auf allgemein verfügbare Technik setzen.

5.    Änderung des BeurkG

a)   § 8 BeurkG

Wir begrüßen es, dass mit § 8 Abs. 2 BeurkG die Möglichkeit geschaffen wird, direkt eine elektronische Niederschrift zu erstellen und den Umweg über den Ausdruck der schon heute in der Regel in digitaler Form erstellten Niederschrift und das nachträgliche Scannen des Dokuments einzusparen.

Die in der Begründung erwähnten Fälle, in denen Auswärtstermine eine Errichtung auf Papier erforderlich machen, werden mit der zunehmenden Verbreitung mobiler Geräte (Notebook, Tablet etc.) bald der Vergangenheit angehören und technische Schwierigkeiten durch entsprechende Ausrüstung keine Rolle mehr spielen.

Wir stimmen ausdrücklich zu, dass die (einfache) elektronische Signatur (Art. 3 Nr. 10 eIDAS VO) und auch die im Entwurf vorgesehene elektronisch vollzogene Unterschrift gegenüber der eigenhändigen Unterschrift auf Papier und der qualifizierten elektronischen Signatur (Art. 3 Nr. 12 eIDAS VO) einen geringeren Beweiswert hat und Authentizität und Integrität nur unzureichend gesichert sind. Dazu wird in der Begründung zutreffend festgestellt, dass die im Schlussvermerk nach § 13 Absatz 1 Satz 2 BeurkG enthaltenen Feststellungen der Notarin oder des Notars gemäß § 418 Absatz 1 ZPO den vollen Beweis der bezeugten Tatsachen und damit die Defizite der elektronischen Signatur ausgeglichen werden.

b)   Änderung des § 12 BeurkG-E

Die Regelung folgt der Regelung in § 16d BeurkG für Beurkundungen mittels Videokommunikation, die allerdings nicht vollständig vergleichbar ist.

Soweit Nachweise in Papierform vorgelegt werden, ist die Situation mit der Videokommunikation vergleichbar, da die Nachweise nicht ohne weiteres überführt werden können. Es ist jedoch denkbar und sollte auch berücksichtigt werden, dass Nachweise in elektronischer Form vorliegen können. In diesem Fall ist eine elektronisch beglaubigte Abschrift nicht sinnvoll, es kann unmittelbar eine Kopie des elektronischen Originals genutzt werden.

c)    Zu § 13a Abs. 1 und Abs. 2 BeurkG-E

Mit § 13a BeurkG-E wird versucht, die bestehenden Regelungen in § 13 BeurkG für digitale Bearbeitung zu öffnen. Diese Intention begrüßen wir nachdrücklich. Es ist wenig sinnvoll, zur Erstellung der Niederschrift eine eigenhändige Unterschrift zu fordern, die nur auf Papier ausgeführt werden kann und anschließend zunächst gescannt und in den elektronischen Prozess überführt werden kann. Der vorgeschlagene Weg ist allerdings wenig sinnvoll, da bestehende Möglichkeiten der elektronischen Signatur nicht genutzt werden und alternativ mit dem “zur elektronischen Erfassung der Unterschrift geeigneten Hilfsmittel” ohne Not eine neue, bislang unbekannte Kategorie eingeführt wird.

Nach § 13 BeurkG wird die Niederschrift in folgenden Schritten erstellt: Die Niederschrift muss

  1. in Gegenwart des Notars/der Notarin den Beteiligten vorgelesen werden.
  2. von den Beteiligten genehmigt werden.
  3. von den Beteiligten eigenhändig unterschrieben werden.
  4. von dem Notar/der Notarin eigenhändig unterschrieben werden.

Die Schritte 3 und 4 sollen durch § 13a Abs. 1 und Abs. 2 BeurkG-E in digitale Arbeitsschritte überführt werden. Wir halten es für richtig, anstelle der eigenhändigen Unterschrift der Notarin, des Notars dessen qualifizierte elektronische Signatur gelten zu lassen.

Die Einführung eines zur elektronischen Erfassung der Unterschrift geeigneten Hilfsmittels halten wir nicht für sinnvoll. Aufgabe der eigenhändigen Unterschrift der Beteiligten ist es, ihre Autorisierung der elektronischen Niederschrift zu dokumentieren. Dies soll digitalisiert werden. In der Begründung (S. 29f.) wird dazu formuliert: „Mit der Unterschrift wird dokumentiert, dass sich die Beteiligten ihre Erklärungen zurechnen lassen und die Niederschrift genehmigen; die Unterschrift dient damit als formelles Zeichen der Verantwortungsübernahme für Geltung und Gültigkeit des beurkundeten Rechtsgeschäfts und für die Echtheit des beurkundeten Willens der Beteiligten.” Wie oben bereits dargestellt, könnte entsprechend Art. 25 eIDAS VO an die Stelle der eigenhändigen Unterschrift der Beteiligten auch deren qualifizierte elektronische (Fern-)Signatur treten.

Rechtssicherheit wird bei Erstellung der Niederschrift durch die eigenhändige Unterschrift bzw. nach der Neuregelung qualifizierte elektronische Signatur der Notarin oder des Notars gewährleistet. Darauf weist die Begründung zu Recht hin. Die eigenhändige Unterschrift der Beteiligten ist bei Papierform eine schnelle und effektive Möglichkeit, deren Genehmigung des verlesenen Inhalts der Niederschrift zu dokumentieren. Die Unterschrift auf einem “zur elektronischen Erfassung der Unterschrift geeigneten Hilfsmittel” stellt eine kleinschrittige Übertragung dieses analogen Vorgangs in digitaler Form dar. In allen Fällen der Digitalisierung ist es jedoch sinnvoller, einen digitalen Prozess zu definieren, mit dem die Möglichkeiten der Digitalisierung genutzt werden und nicht analoge Prozesse digital abzubilden.

Die eigenhändige Unterschrift der Beteiligten auf einem zur elektronischen Erfassung dieser Unterschrift geeigneten Mittel reduziert die Rechtssicherheit gegenüber der eigenhändigen Unterschrift auf Papier in erheblicher Weise. Fast alle Möglichkeiten, die Echtheit einer eigenhändigen Unterschrift nachzuweisen, sind an die eigenhändige Ausführung auf Papier gebunden. Bei einer qualifizierten elektronischen Signatur würde diese Einschränkung nicht entstehen. Deshalb wäre die qualifizierte elektronische Signatur der Beteiligten der beste Weg zur Digitalisierung.

Aufgabe der eigenhändigen Unterschrift der Beteiligten ist es, mit einer eindeutigen und bewussten Handlung die Verlesung der Niederschrift zu bestätigen und die Genehmigung zum Ausdruck zu bringen. Dies wird von der Notarin oder dem Notar beobachtet und mit seiner/ihrer eigenhändigen Unterschrift bzw. qualifizierten elektronischen Signatur rechtssicher dokumentiert. Es wäre daher akzeptabel, an die bestätigende Handlung der Beteiligten geringere Anforderungen zu stellen, da schließlich die Notarin oder der Notar die entscheidende Handlung vollzieht.

Für diese Intention wäre es besser, die eigenhändige Unterschrift der Beteiligten auch durch die elektronische Signatur nach Art. 3 Nr. 10 eIDAS VO erfüllt zu sehen. In diesem Fall müsste kein neues Verfahren einer elektronischen Unterschrift eingeführt werden, dass möglicherweise mit den Vorgaben der eIDAS VO kollidiert. Im Notariat könnte man – falls dies gewünscht wird – für die elektronische Signatur nach Art. 3 Nr. 10 eIDAS VO auch das vorgesehene Unterschriftenpad einsetzen. Eine dort geleistete elektronische Unterschrift würde die Definition in Art. 3 Nr. 10 eIDAS VO erfüllen. Mit einem solchen Gerät wird ein elektronisches Bild der Unterschrift erzeugt. Dies sind „Daten in elektronischer Form, die anderen elektronischen Daten beigefügt oder logisch mit Ihnen verbunden werden und die der Unterzeichner zum Unterzeichnen verwendet”.   Dies ist eine elektronische Signatur nach Art. 3 Nr. 10 eIDAS VO. Die Anknüpfung an den Wortlaut von Art. 3 Nr. 10 eIDAS VO würde eine technikneutrale Umsetzung ermöglichen und die Notariate nicht an die von der Bundesnotarkammer bereitzustellenden Geräte binden. Es wäre auch möglich, anstelle der elektronischen Signatur eine fortgeschrittene elektronische Signatur nach Art. 3 Nr. 11 eIDAS VO oder eine qualifizierte elektronische Signatur nach Art. 3 Nr. 12 eIDAS VO zu nutzen.

Darüber hinaus wäre es nicht erforderlich, Mit § 13a BeurkG eine zusätzliche Norm zu schaffen. Vielmehr könnte in § 13 Abs. 1 S. 1 BeurkG für die Unterschrift der Beteiligten formuliert werden: „eigenhändig unterschrieben oder mit einer elektronischen Signatur versehen werden”. In § 13 Abs. 3 S. 1 BeurkG könnte entsprechend formuliert werden: „eigenhändig unterschrieben oder qualifiziert elektronisch signiert werden”.

d)   Zu § 13a Abs. 3 BeurkG-E

Die Anforderung einer bildlichen Wiedergabe einer elektronischen Unterschrift am Ende des Dokuments ist abzulehnen.

Elektronische Signaturen werden in Art. 3 Nr. 10 – Nr. 12 eIDAS VO definiert. Elektronische Signaturen sind – anders als eigenhändige Unterschriften – nicht an einem bestimmten Ort in ein Dokument zu binden. Der Wunsch nach einer bildlichen Wiedergabe der Unterschrift ist eine überflüssige Reminiszenz an die eigenhändige Unterschrift, die bei elektronischen Signaturen nicht sinnvoll ist. Die Vorstellung, dass durch die bildliche Wiedergabe einer Unterschrift am Ende eines Dokuments ohne besondere Anforderungen an die Wiedergabe dieser Unterschrift ein “Bezug zwischen Beweiszeichen und elektronische Niederschrift hergestellt” werde, ist in Zeiten der Digitalisierung ein Anachronismus, auf den der Gesetzgeber verzichten sollte.

e)   Zu § 13a Abs. 4 BeurkG-E
  1. 1 ist überflüssig, da die qualifizierte elektronische Signatur nach Art. 3 Nr. 12 eIDAS VO auf einem qualifizierten Zertifikat für elektronische Signaturen beruht. Die eIDAS VO definiert detailliert die Anforderungen an qualifizierte Zertifikate auch die dauerhafte Speicherung. Da die eIDAS VO unmittelbar anzuwenden ist, sollte § 13a Abs. 4 BeurKG schlicht auf die eIDAS VO verweisen, um Zweifel an der Rechtmäßigkeit der nationalen Regelung zu vermeiden.
  2. 2 trägt dem nachvollziehbaren Gedanken Rechnung, dass die qualifizierte elektronische Signatur der Notarin oder des Notars nicht durch die Büroangestellten, sondern durch die Notarin oder den Notar erfolgen muss. Dies ist allerdings bereits eine berufsrechtliche Anforderung (§ 33 Absatz 3 BNotO) und muss nicht im Beurkundungsgesetz an dieser Stelle wiederholt werden. Sofern hier Defizite gesehen werden, sollte eine Regelung die sonstigen Urkundspersonen in gleicher Weise verpflichten, qualifizierte elektronische Signaturen nur höchstpersönlich zu erstellen. An dieser Einschätzung ändert auch die bestehende Regelung in § 16b Absatz 4 Satz 3 und 4 BeurkG nichts.
  3. 3 ist eine zusätzliche Anforderung, die in § 13 BeurkG keine Parallele findet und für die auch kein nachvollziehbarer Grund erkennbar ist. Deshalb lehnen wir diesen Satz ebenfalls ab.
  4. 4 entspricht § 13 Abs. 3 S. 2 BeurkG und begegnet keinen Bedenken. Sofern man unserem Vorschlag folgt und anstelle von § 13a BeurkG-E lediglich § 13 Abs. 1 und Abs. 3 BeurkG ergänzt, bedürfte es keiner zusätzlichen Regelung.
f)    Zu § 13a Abs. 5 BeurkG-E

Hier wäre das Wort “Unterschrift” durch “Signatur” zu ersetzen, um klarzustellen, dass es um eine elektronische Signatur bzw. qualifizierte elektronische Signatur gemäß Art.3 Nr. 10 und 13 eIDAS VO geht.

g)   Zu § 13b Abs. 1 BeurkG-E

Diese Regelung hat das erkennbare Ziel, für die Erstellung qualifizierter elektronischer Signaturen im Notariat ein Monopol der Bundesnotarkammer einzurichten. Diese Monopolisierung einer in der Europäischen Union durch die eIDAS VO ausreichend rechtlich geregelten Leistungen wie der qualifizierten elektronischen Signatur lehnen wir ab.

Qualifizierte Vertrauensdiensteanbieter unterliegen nach der eIDAS VO ausreichenden Qualitätsanforderungen und es ist nicht erkennbar, inwieweit die Bundesnotarkammer mit ihrer Zertifizierungsstelle größere Sicherheit oder Qualität bereitstellen könnte, als beispielsweise D-Trust als Unternehmen der Bundesdruckerei.

h)   Zu §§ 31 und 33 BeurkG-E

Der Ausschluss der Digitalisierung für Verfügungen von Todes wegen wird von uns abgelehnt. Die Neuregelung wäre Anlass, zeitgemäße Verfahren auch für die Digitalisierung im Bereich der Verfügung von Todes wegen und Erbverträge zu schaffen.

i)     Zu § 39a BeurkG-E

Es handelt sich laut Begründung um eine Folgeänderung zu § 13a BeurkG und wird deshalb ebenfalls abgelehnt.

31. Januar 2024

Der EDVGT begrüßt die in § 14 vorgesehene Regelung, im Interesse der zügigen Digitalisierung des Musterverfahrens die Verpflichtung zur elektronischen Führung der Prozessakten des Musterverfahrens abweichend von der Regelfrist des § 298a Absatz 1a Satz 1 ZPO auf den 1. Januar 2025 vorzuziehen. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass in einem sehr strukturierten Verfahren die Einführung der elektronischen Verfahrensakte nicht nur keinen größeren Herausforderungen begegnen dürfte, sondern besondere Vorteile sichtbar werden lässt. Das betrifft etwa die Durchführung der elektronischen Akteneinsicht. Von einer Stellungnahme zu den weiteren Regelungsvorschlägen des Referentenentwurfs sieht der EDVGT ab, da sie keinen Bezug zu den einschlägigen Themen des EDVGT aufweisen.

28. November 2023

  1. Allgemein

Aus unserer Sicht ist das Ziel des Gesetzentwurfs zu begrüßen, die Reformanstrengungen der letzten Jahre zur Förderung der Digitalisierung der Justiz fortzusetzen und Erleichterungen dort vorzusehen, wo sich in der Praxis Schwierigkeiten in der Umsetzung der bisherigen Regelungen gezeigt haben, insbesondere im Bereich des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Aktenführung sowie bei der der Strafantragstellung und weiteren Problemen, die aus den Schriftformerfordernissen erwachsen sind. Allerdings wird es durch einzelne Änderungen der Prozessrechtsvorschriften allein nicht gelingen, den Reformstau bei der Justizdigitalisierung aufzulösen.

Langfristig ist es unumgänglich, die Prozessordnungen zu modernisieren, um eine bürgernahe, niedrigschwellig zugängliche und moderne Justiz zu fördern und für die Bewältigung umfangreicher und komplexer Verfahren sowie von Massenverfahren nutzbar zu machen, wie dies zuletzt der Bund- Länder-Digitalgipfel am 10. November 2023 gefordert hat.

Mit dieser Maßgabe nehmen wir zu einigen vorgeschlagenen Neuregelungen Stellung:

  1. Zur Zulassung der Hybridaktenführung in bestimmten Fällen

Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Änderungen der § 298a ZPO, § 32 StPO, § 14 FamFG, § 46e ArbGG, § 55b VwGO, § 65b SGG und § 52 FGG sollen vor allem auf (technische) Probleme reagieren, die aus den gesetzlichen Vorgaben für eine durchgehende (ausschließlich) elektronische Gerichtsaktenführung bis zum 1. Januar 2026 (Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017, (BGBl. I S. 2208) erwachsen sind. So soll rechtlich eine Hybridaktenführung in allen Verfahrensordnungen für geheimhaltungsbedürftige Aktenbestandteile ermöglicht werden.

Dasselbe gilt für Akten, die vor der verpflichtenden Einführung der elektronischen Aktenführung in Papier begonnenen Akten angelegt wurden. Den Änderungsbedarf begründet der Gesetzentwurf zum einen damit, dass die Weiterführung einer Hybridakte, bestehend aus in Papierform und elektronisch vorliegenden Aktenteilen, bisher lediglich in Betreuungs- und Kindschaftssachen gestattet ist, es aber wegen der technisch aufwändigen Scan-Arbeiten und des  großen, kostenintensiven Speicherplatzbedarfs für eingescannte Papierakten erforderlich sei, eine Hybridaktenführung auch in den anderen Prozessordnungen in der Phase des Übergangs von Papierakten zu elektronischen Akten zu gestatten. Da es hier nur um eine Übergangsphase von der Papieraktenführung zur elektronischen Aktenführung geht, ist die vorgesehene Öffnung für eine begrenzte Hybridaktenführung akzeptabel.

Demgegenüber ist bedauerlich dass eine ausnahmslos elektronische Übermittlung und Aktenführung von Verschlusssachen, die höher eingestuft sind als VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH technisch immer noch nicht gewährleistet werden kann. Mit einer frühzeitigen Beauftragung technischer Lösungen für die Digitale Aktenführung auch in diesem Bereich hätte man darauf verzichten können, nun mithilfe einer Öffnungsklausel die Übermittlung einer entsprechenden Akte in Papierform noch bis zum 31. Dezember 2035 zu gestatten und eine Hybridaktenführung zuzulassen. Zu lange wurde die Digitalisierung geheimhaltungsbedürftiger Akten vernachlässigt.

  1. Möglichkeit für Bevollmächtigte, (gesetzliche) Vertreter und Beistände (für die Straf-prozessordnung beschränkt auf professionelle Verfahrensbeteiligte), auch Scans von schriftlich einzureichenden Anträgen und Erklärungen der Naturalbeteiligten oder Dritten formwahrend elektronisch zu übermitteln (Ergänzungen der § 130a Abs. 3 ZPO, § 46c Abs. 3 ArbGG, § 65a Abs. 3 SGG, § 5a Abs. 3 VwGO, § 52a Abs. 3 FGO, § 32a Abs. 3 StPO).

Zutreffend führt die Gesetzesbegründung aus, dass die zur elektronischen Einreichung verpflichteten Nutzer bisher nicht die prozessuale Schriftform dadurch einhalten können, dass ein in Papierform unterzeichneter Antrag als eingescanntes elektronisches Dokument mit einer eigenen qualifizierten elektronischen Signatur z.B. des Rechtsanwalts versehen oder mit einfacher Signatur des Anwalts über einen sicheren Übermittlungsweg beim Gericht eingereicht wird. Vielmehr müsste der Antrag durch die vertretene Privatperson selbst qualifiziert elektronisch signiert werden. Die Privatpersonen verfügten aber oft nicht über eine eigene qualifizierte elektronische Signatur, so dass ein Einreichen nur selten elektronisch erfolgen könne.

Bedauerlich ist zunächst, dass die Neuregelung zu einer Perpetuierung des Medienbruchs insbesondere in den Anwaltskanzleien führen wird. Denn dort müssen die Papieranträge der Privatpersonen weiterhin eingescannt werden. Dem könnte dadurch entgegengewirkt werden, dass noch stärker als in der Vergangenheit Schriftformerfordernisse gesetzlich beseitigt werden. Sollte eine Schriftform mit der qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) weiterhin unerlässlich sein, müsste auf eine stärkere Verbreitung der qeS – insbesondere der Fernsignaturen – hingewirkt werden. Gegebenenfalls sollte  für die schriftformbedürftige Kommunikation im Privatrechtsverkehr noch stärker für den Einsatz der qeS geworben werden mit dem Hinweis, dass „dank“ eIDAS die qeS relativ einfach erzeugt werden kann. Schließlich wäre zu überlegen, ob in § 126a Abs. 1 BGB für die elektronische Form neben der qeS noch weitere Instrumente vorgesehen werden könnten, etwa unter Nutzung des elektronischen Personalausweises.

  1. Einführung einer Formfiktion für in elektronisch bei Gericht eingereichten Schriftsätzen enthaltene empfangsbedürftige Willenserklärungen, § 130e ZPO n.F., § 46h ArbG n.F., § 65e SGG n.F., § 55e VwGO n.F., § 52e FGG n.F.

Auch der Vorschlag des Gesetzentwurfs, im Interesse einer medienbruchfreien digitalen Kommunikation  für eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die der gesetzlich oder rechtsgeschäftlich bestimmten materiell-rechtlichen Schriftform oder elektronischen Form bedarf, eine Formfiktion einzuführen, wenn sie in einem Schriftsatz nach Maßgabe der prozessualen Vorgaben – also insbesondere auf einem sicheren Übermittlungsweg – als elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht und dem Empfänger zugestellt oder formlos mitgeteilt wird, ist nachvollziehbar. Die Begründung des Gesetzentwurfs verweist auch auf eine entsprechende Bitte der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister. Damit erfüllen auch privatrechtlich schriftformbedürftige Willenserklärungen, die nicht mit einer qeS signiert wurden, durch Übermittlung auf einem sicheren Übermittlungsweg in einem vorbereitenden Schriftsatz die Anforderungen der elektronischen Form im Sinne des § 126a BGB. Mit diesem Gesetzesvorschlag wird auf ein in der Praxis seit Jahren bestehendes Problem reagiert. Die vorgeschlagene Lösung zeigt aber auch, dass die Fokussierung der materiellen Vorschriften auf die qeS als maßgeblich für die elektronische Form in der Praxis nicht ausreicht.

  1. Abschaffung des Unterschriftserfordernisses für schriftliche Erklärungen von Bürgerinnen und Bürgern bei entsprechender Dokumentation durch die Strafverfolgungsbehörden, § 32a Abs. 3 StPO, § 158 Abs.2 StPO n.F.

Bei Straftaten, deren Verfolgung nur auf Antrag eintritt, muss der (förmliche) Strafantrag gemäß § 158 Abs. 2 StPO bei einem Gericht oder der Staatsanwaltschaft schriftlich oder zu Protokoll, bei einer anderen Behörde schriftlich angebracht werden. Zur Wahrung der Schriftform ist dabei grundsätzlich eine Unterschrift der antragstellenden Person erforderlich. Insoweit verweist der Gesetzentwurf zutreffend auf die Rechtsprechung des BGH, wonach die elektronische Strafantragstellung nur über die in § 32a StPO eröffneten Wege erfolgen kann, also mittels eines qeS -signierten Dokuments oder eines einfach signierten Dokuments, das auf einem sicheren Übermittlungsweg, insbesondere über ein elektronisches Bürger- und Organisationenpostfach (eBO) oder ein Nutzerkonto nach dem Onlinezugangsgesetz (OZG) eingereicht wird.

Diese Hürde für eine elektronische Strafantragsstellung dürfte – worauf der Gesetzentwurf zutreffend hinweist – in der Tat für Antragsteller hoch sein. Zwar hat eine solche Antragstellung für Antragsteller möglicherweise weitreichende Konsequenzen; so haben diese u.a. die Kostenfolge des § 470 StPO in den Blick zu nehmen. Indes erscheint die bisherige Ausgestaltung zu unpraktikabel zu sein. Deshalb ist die vorgeschlagene Regelung im Grundsatz zu begrüßen: Weiterhin soll eine Strafanzeige im Sinne des § 158 Absatz 1 StPO auch in elektronisch formloser Form möglich sein. Bei förmlichen Strafanträgen im Sinne des bisherigen § 158 Absatz 2 StPO soll künftig die Schriftform und ihr elektronisches Äquivalent nach § 32a StPO künftig nicht mehr erforderlich sein. Allerdings sollen die Identität und der Verfolgungswille der antragstellenden Person aus der Erklärung und den Umständen ihrer Abgabe eindeutig ersichtlich sein. Entsprechend soll der neue § 158 Abs. 2 StPO vorgeben, dass: „die Identität und der Verfolgungswille der antragstellenden Person sichergestellt sein müssen“. Der EDVGT begrüßt die Zielrichtung, die Antragstellung zu vereinfachen und zu digitalisieren. Der Verzicht auf genaue Formvorgaben für die Identitätsfeststellung und die Feststellung des Verfolgungswillens im Gesetz führt allerdings zu einer Rechtsunsicherheit. Verletzte, die einen Strafantrag stellen, sollten sich auf die formgerechte Antragstellung verlassen können, und nicht erst im Revisionsverfahren erfahren, ob das Strafverfahren wegen unwirksamer Antragstellung einzustellen ist. Daher sollte hier präzisiert werden, auf welchen elektronischen Wegen – etwa nach Authentifikation mittels elektronischen Personalausweises – ein Strafantrag gestellt werden kann.

Zu begrüßen ist auch die Abschaffung der Schriftform in den weiteren Fällen der § 350 und des § 424 Abs. 2 StPO.

  1. Änderung der Strafaktenübermittlungsverordnung: Ausnahmen von der Pflicht zur elektronischen Übermittlung in Strafsachen bei umfänglichen Akten, um eine rechtssichere Übermittlung von Akten zu ermöglichen. Wenn die Mengenbeschränkungen des EGVP überschritten werden, soll die Übermittlung auf einem physischen Datenträger ermöglicht werden.

Auch dieser Vorschlag greift Praxisprobleme auf. Allerdings wäre es wünschenswert, durch technische Fortentwicklungen des EGVP die Mengenbeschränkungen aufzuheben, um so auf Ausnahme­vorschriften zu den Vorgaben für eine elektronische Übermittlung verzichten zu können.

  1. Beschränkte Zulassung des Identifizierungsverfahrens ELSTER im ERV

Bisher ist eine Kommunikation von Unternehmen über das Organisations- („Unternehmens“-) Konto rechtlich nicht möglich, da die ERVV das für das OZG-Organisationskonto gewählte Identi­fikationsverfahren nach § 87a Abs. 6 AO (ELSTER) als Identifizierungsmittel nicht zulässt. Es ist sachgerecht, im Interesse eines möglichst breiten elektronischen Zugangs zur Justiz und im Sinne eines Gleichlaufs von Behörden- und Justizzugängen das ELSTER-Verfahren daher auch in der ERVV als Identifizierungsmittel für das OZG-Organisationskonto zuzulassen. Allerdings wird die Zulassung von ELSTER in einem Teilbereich der Justizkommunikation die Frage aufwerfen, ob es noch weitere Situationen gibt, in denen eine ELSTER-Identifizierung für die Justiz als ausreichend angesehen werden könnte.

  1. Anpassungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes

Durch die vorgeschlagene Änderung des § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG soll dem Wunsch der anwaltlichen Praxis Rechnung getragen werden, die elektronische Übermittlung von Vergütungsberechnungen zu erleichtern, indem anstelle einer bisher erforderlichen qeS die Textform ausreichend sein soll. Damit soll beispielsweise ermöglicht werden, dass eine von Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen verantwortete Berechnung künftig auch von einer Kanzleimitarbeiterin oder einem Kanzleimitarbeiter versandt werden können. Das erscheint unter dem Gesichtspunkt einer praxisgerechten Handhabung, die auf übertriebene Formanforderungen verzichtet, sachgerecht.

  1. Änderung der Insolvenzordnung

Es sollen die Möglichkeiten der elektronischen Kommunikation in Insolvenzverfahren erweitert werden. Künftig sollen die Gläubigerinformationssysteme nach § 5 Abs. 5 der Insolvenzordnung (InsO) auch in den kleineren Verfahren eingesetzt werden können. Im Interesse einer möglichst einfachen Gestaltung der Kommunikationen im Insolvenzverfahren könnte allerdings – wie dies die Begründung des Gesetzentwurfs auf Seite 36 beschreibt – allerdings noch über weitergehende Befreiungen von Formvorschriften nachgedacht werden. Dies setzt allerdings eine insgesamt stimmige Regelung mit entsprechenden Konsequenzen für die Praxis voraus, die eventuell kurzfristig nicht erreichbar ist.

6. Oktober 2023

Aus Sicht des Deutschen EDV-Gerichtstages e.V. ist das Bemühen des Gesetzentwurfs zu begrüßen, weitere für die Zwangsvollstreckung erhebliche Rechtshandlungen für eine Digitalisierung zu öffnen.

1.Bisher bleibt die Digitalisierung des Zwangsvollstreckungswesens weit hinter den Möglichkeiten der Übermittlung von elektronischen Dokumenten in der Kommunikation mit der Justiz und innerhalb der Justiz zurück. Gesetzliche Neuregelungen der Vergangenheit zielten zwar auf Modernisierungen des Zwangsvollstreckungswesens ab, blieben jedoch in ihrer Reichweite beschränkt. So ist die Nutzung elektronischer Instrumente – auch bezogen auf die Arbeit der Gerichtsvollzieher – nur sehr rudimentär geregelt. Auch dieser Entwurf bringt keine digitale Zwangsvollstreckung, sondern digitalisiert nur einzelne Schritte eines im Wesentlichen unveränderten analogen Ablaufs. Der Entwurf bezeichnet dies zwar tatsächlich als vorläufige Lösung. Allerdings wäre im Jahre 2023 eine echte Digitalisierung anzustreben, zumal Provisorien und Übergangslösungen bekanntlich meist länger Bestand haben als ursprünglich beabsichtigt.

a. So regelt § 193a ZPO, der durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer prozessrechtlicher Vorschriften eingefügt wurde[1], die Zustellung elektronischer Dokumente durch den Gerichtsvollzieher. Gemäß Satz 1 gilt als Zustellungsnachweis die automatisierte Eingangsbestätigung durch den Empfänger. Es bedarf also nicht eines elektronischen Empfangsbekenntnisses. Dies sollte – laut Empfehlungsdrucksache BT-Drs. 19/31119, S. 5 – eine effektive Zwangsvollstreckung sicherstellen und nicht den Zugang eines Dokuments von einer Handlung des Empfängers abhängig machen. Ferner wird als Zeitpunkt der Zustellung gemäß § 193a ZPO allein der in der automatisierten Eingangsbestätigung ausgewiesene Zeitpunkt des Eingangs im elektronischen Postfach maßgeblich sein, es gilt also nicht die Drei-Tages-Fiktion[2]. Demgegenüber müssen nicht-professionelle Nutzer weiterhin für das jeweilige Verfahren einer elektronischen Zustellung zustimmen, was verhindert, dass umfangreich von der elektronischen Zustellung Gebrauch gemacht wird.[3]

b. Das Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung, das im Wesentlichen zum 01.01.2013 in Kraft trat, sollte zu einer Neugestaltung des Zwangsvollstreckungsverfahrens führen und betraf Modernisierungsschritte im Bereich der Vermögensverzeichnisse, der Führung des Schuldnerverzeichnisses sowie der Auskunftserteilung aus dem Schuldnerverzeichnis. Seit dem 01.01.2013 erfolgen die Anordnungen zur Eintragung eines Schuldners in das Schuldnerverzeichnis sowie die Erstellung und Einlieferung von Vermögensauskünften in das zentrale Vermögensverzeichnis ausschließlich elektronisch. In den Ländern werden seitdem das Schuldnerverzeichnis und die Vermögensverzeichnisse durch ein Zentrales Vollstreckungsgericht elektronisch verwaltet. Durch Zentralisierung des Schuldnerverzeichnisses sowie die Hinterlegung und Verwaltung der Vermögensverzeichnisse in elektronischer Form beim Zentralen Vollstreckungsgericht können die Gläubiger mit geringstmöglichem Aufwand zuverlässige und aktuelle Informationen über die Vermögensverhältnisse des Schuldners erhalten. Über das zentrale elektronische Vollstreckungsportal erlangen die Gläubiger ländergrenzenübergreifende Informationen.

c. Schließlich wurde durch das Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 sowie zur Änderung sonstiger zivilprozessualer, grundbuchrechtlicher und vermögensrechtlicher Vorschriften und zur Änderung der Justizbeitreibungsordnung (EuKoPfVODG) vom 21.11.2016[4] ein weiterer Modernisierungsschritt eingeleitet. In § 753 Abs. 3 Satz 2 ZPO war vorgesehen, dass für elektronisch eingereichte Aufträge besondere Formulare eingeführt werden können. Um den mit den elektronischen Formularen verbundenen möglichen Ressourcengewinn ausschöpfen zu können, sollte in bestimmten Fällen davon abgesehen werden können, dem Antrag die vollstreckbare Ausfertigung des Titels und gegebenenfalls weitere Urkunden beifügen zu müssen, die in der Regel nur in Papierform vorliegen. Es sollte ausreichen, wenn der Gläubiger dem Auftrag eine Abschrift des Vollstreckungsbescheides nebst Zustellungsbescheinigung als elektronisches Dokument beifügt und der Gläubiger versichert, dass ihm eine Ausfertigung des Vollstreckungsbescheides und eine Zustellungsbescheinigung vorliegen und die Forderung in Höhe des Vollstreckungsauftrags noch besteht. Mit der damals neuen Bestimmung des § 754a ZPO sollte eine Vereinfachung und Beschleunigung des Zwangsvollstreckungsverfahrens erreicht werden, soweit die Zwangsvollstreckung von Geldforderungen durch den Gerichtsvollzieher auf der Grundlage von Vollstreckungsbescheiden betroffen ist. Die Gesetzesbegründung von 2015[5] wies bereits darauf hin: „Dabei ist die zunächst beschränkte Regelung etwa zukünftigen gesetzlichen Entwicklungen zur weiteren Stärkung der elektronischen Titelverwaltung gegenüber offen. Nach § 754a Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 ZPO-E ist der vereinfachte Auftrag nur möglich, wenn die zu vollstreckende Geldforderung nicht mehr als 5 000 Euro beträgt“. Bereits 2015 wurde daher an eine Stärkung der elektronischen Titelverwaltung gedacht, sie wurde aber bis heute nicht realisiert.

2. Der jetzt vorgelegte Referentenentwurf vermeidet leider erneut das Bekenntnis zu einer Neuregelung, die ein voll digitalisiertes Zwangsvollstreckungsverfahren ermöglicht. So verweist die Begründung des Gesetzentwurfs darauf, „dass zur Behebung der Problematik hybrider Anträge und Aufträge eine solche digitale Lösung angestrebt werden sollte, die vor allem aus Gründen des Schuldnerschutzes ein hohes Niveau an Fälschungs- und Manipulationsschutz gewährleisten kann. Eine solche Lösung könnte in der Schaffung einer elektronischen Datenbank für die Zwangsvollstreckung bestehen, die jedoch aufgrund der notwendigen technischen Entwicklungen nicht zeitnah realisiert werden kann“. Auch der Zeitrahmen für die Entwicklung der digitalen Lösung erforderliche Zeitrahmen könne lt. Gesetzesbegründung „derzeit nicht verlässlich abgeschätzt werden“. Außerdem werde eine digitale Lösung „möglicherweise auch nicht einheitlich für Titel aller Art zum selben Zeitpunkt“ zur Verfügung stehen. Daher komme eine Befristung der jetzt vorgesehenen Regelungen nicht in Betracht.

3. Seit 2017 gibt es das UNCITRAL Model Law on Electronic Transferable Records[6]. Dieses wurde bereits in UK, Singapur und anderen Staaten zumindest teilweise umgesetzt. Aktuell existiert von UNECE UN/CEFACT ein White Paper “Transfer of Model Law on Electronic Transferable Records – Compliant Titles”[7]. Die Geltung solcher elektronischer Vorgangsregister ist zudem Teil der eIDAS Revision, über die im Trilog Ende Juni 2023 eine Einigung erzielt wurde und die daher noch 2023 verabschiedet werden kann. Bereits im Jahr 2020 haben das Fraunhofer FIT, die Bundesnotarkammer und das Bayerische Staatsministerium der Justiz eine Machbarkeitsstudie für ein Blockchain-basiertes Gültigkeitsregister für notarielle Vollmachten und Erbscheine erstellt.[8] Die notwendigen Grundlagen und Vorbilder für eine dezentrale elektronische Lösung sind vorhanden und harren nur der Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber.

4. Doch auch, wenn man diesen Innovationsschritt nicht mitmachen möchte und auf eine klassische zentrale Datenbank setzt, ist nicht nachvollziehbar, weshalb die erforderlichen Vorarbeiten für eine solche Datenbank (Register) nicht schon vor längerer Zeit initiiert wurden, um nunmehr durch rechtliche Regelungen das technische Konzept absichern zu lassen. Denn die Idee der Nutzung eines Zwangsvollstreckungsregisters ist nicht neu.[9] So hat auch die Arbeitsgruppe „Modernisierung des Zivilprozesses“ der Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte, des Kammergerichts, des Bayerischen Obersten Landesgerichts und des Bundesgerichtshofs im Diskussionspapier[10] ein solches Register angeregt. Dabei könnte ein solches Register auf der Basis des bereits existierenden zentralen Urkundenarchivs errichtet werden. Alternativ käme auch ein eigenständiges Justizregister in Betracht[11]. Gefragt ist insoweit, „Nägel mit Köpfen zu machen“ und gesetzlich ein solches Register unter Nutzung einer üblichen Übergangsfrist vorzuschreiben.

Seit 2022 verwahren Notarinnen und Notare ihre Urkunden, klassisch – ohne Nutzung der Blockchaintechnologie – immer auch elektronisch im „Elektronischen Urkundenarchiv“; dieses soll die sichere Aufbewahrung der Urkunden, die von den Notarinnen und Notaren in die elektronische Fassung übertragen, qualifiziert elektronisch signiert und dem jeweils neuesten Stand der Technik verschlüsselt abgelegt wurden, für 100 Jahre ermöglichen. Die Justiz hat in dieser Zeit bei der Umsetzung eines elektronischen Zwangsvollstreckungsregisters jedoch keine Fortschritte gemacht. Es ist nicht nachvollziehbar, wieso Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher nicht in ähnlicher Weise über ein gesichertes Netzwerk einen Zugang mit Entschlüsselungsmöglichkeit zum Zwangsvollstreckungsregister gewährt werden kann. Natürlich müssen dort alle notwendigen Funktionen, z. B. die Möglichkeit, Teilzahlungen auf dem Titel zu dokumentieren, implementiert werden.

  1. Es war absehbar, dass sich infolge der seit dem 01.01.2022 geltenden Verpflichtung von Rechtsanwälten, Behörden und juristischen Personen des öffentlichen Rechts, Vollstreckungsaufträge an Gerichtsvollzieher und Anträge an Vollstreckungsgerichte als elektronische Dokumente zu übermitteln, die Anzahl der Aufträge und Anträge in hybrider Form bei den Vollstreckungsorganen und damit der Zuordnungsaufwand stark erhöhen würde, wenn – wie weiterhin gesetzlich vorgeschrieben – die vollstreckbare Ausfertigung als Grundlage für die Vollstreckung ausschließlich in Papierform erteilt wird und grundsätzlich auch in Papierform vorgelegt werden muss.

Deshalb hätte der Gesetzgeber früher handeln müssen, um diese absehbare Überlastung aufgrund der durch die Rechtslage provozierten hybriden Einreichungen bei den Gerichtsvollziehern zu verhindern.

  1. Nun hat sich der Referentenentwurf zum Ziel gesetzt, die Anzahl der Aufträge und Anträge in hybrider Form deutlich zu verringern und die digitale Übermittlung ausreichen zu lassen. Insoweit soll der Anwendungsbereich der §§ 754a und 829a ZPO erweitert werden. Dies soll in weiterem Umfang als bisher erlauben, anstelle der vollstreckbaren Ausfertigung und anderer Schriftstücke in Papierform elektronische Kopien an das Vollstreckungsorgan zu übermitteln. Insoweit ist in den in den vorgeschlagenen Fassungen der §§ 754, 755, 757 und 802a ZPO geregelt, dass für die dort genannten Befugnisse und Pflichten des Gerichtsvollziehers die Übermittlung einer elektronischen Kopie der vollstreckbaren Ausfertigung an den Gerichtsvollzieher beziehungsweise dessen Zugriffsmöglichkeit auf eine solche Kopie ausreicht. Zusätzlich hat der Auftraggeber gem. § 745a Abs. 3 ZPO-E in Textform die Versicherung abzugeben, dass ihm die Originaldokumente der elektronischen Kopien vorliegen und sie jeweils bildlich und inhaltlich mit den übermittelten Dokumenten übereinstimmen. § 745a Abs. 4 ZPO regelt: „Kann der Gerichtsvollzieher anhand der übermittelten Dokumente nicht zweifelsfrei feststellen, dass die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung vorliegen, teilt er dies dem Antragsteller mit und fordert die aus seiner Sicht erforderlichen Dokumente an.“ Das insoweit verbleibende Restrisiko unentdeckt fehlerhafter Übermittlungen oder Angaben des Auftraggebers nimmt der Gesetzentwurf in Kauf, um über die Digitalisierung Anwendungserleichterungen zu schaffen.

Hier ließe sich aber (nochmals) die Frage aufwerfen, ob nicht ein zeitig einzuführendes elektronisches Zwangsvollstreckungsregister ein größeres Maß Rechtssicherheit schaffen würde und damit weniger missbrauchsanfälliger wäre als das jetzt vorgesehene Verfahren.

  1. Der Vorschlag des Referentenentwurfs erscheint daher allenfalls als Übergangslösung tragbar, der zwar nicht das vorstellbare finanzielle Entlastungsvolumen erzeugt, aber auch bereits zu Einsparungen führt, wie die Begründung des Gesetzentwurfs zutreffend darlegt. Denn es entfällt bei den Gerichtsvollziehern und Vollstreckungsgerichten der Aufwand, postalisch eingegangene vollstreckbare Ausfertigungen und elektronisch eingegangene Aufträge beziehungsweise Anträge einander zuordnen zu müssen.

Um den Druck auf eine schnelle technische Entwicklung des Vollstreckungsregisters aufrecht zu erhalten, ist jedoch – entgegen dem Gesetzentwurf – eine Befristung der Übergangsregelungen zu befürworten.

  1. Mit dem ferner vorgeschlagenen § 753 Abs. 4 bis 8 ZPO-E wird der elektronische Rechtsverkehr mit den Gerichtsvollziehern ausgeweitet. Während bisher die Verpflichtung zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs professioneller Nutzer (Rechtsanwälte, Behörden oder juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse) nur für die Übermittlung von Dokumenten galt, die in § 753 Absatz 4 Satz 1 ZPO enumerativ aufgezählt wurden, wird dies nun auf Dokumente aller Art erweitert (ausgenommen die vollstreckbare Ausfertigung und sonstige vorzulegende Urkunden).

Dies ist im Sinne einer Einheitlichkeit der Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs zu begrüßen, denn die bisherige Möglichkeit der Einreichung bestimmter Dokumente mithilfe von einfachen E-Mails oder per Fax beim Gerichtsvollzieher ist nicht mehr zeitgemäß und widerspricht, solange keine Verschlüsselungsverfahren eingesetzt werden können, auch den Prinzipien vertraulicher und sicherer Kommunikation. Der Gesetzentwurf sieht insoweit – parallel zu den weiteren Regelungen des elektronischen Rechtsverkehrs in den Verfahrensgesetzen – vor, Dokumente an den Gerichtsvollzieher qualifiziert elektronisch zu signieren oder auf einem „sicheren Übermittlungsweg“ zu übermitteln. Ausgenommen sollen lediglich Anlagen sein, die selbst keine Erklärung des Einreichers enthalten. Bei den Regelungen zum „sicheren Übermittlungsweg“ in § 753 Abs.7 ZPO-E sind zwei Vorschriften hervorzuheben:

(1) Bei einer Kommunikation über das Amtsgericht als Verteilerstelle die in § 130a Absatz 4 Satz 1 ZPO genannten Übermittlungswege.

Dies ist konsequent, denn diese Wege entsprechen den auch sonst vorgesehenen elektronischen Kommunikationswegen mit den Gerichten.

(2) Bei einer Kommunikation mit dem Gerichtsvollzieher selbst der Übermittlungsweg zwischen einerseits einem der in § 130a Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 bis 4 ZPO genannten Postfächer oder einem der in § 130a Absatz 4 Satz 1 Nummer 5 ZPO genannten Postfach- und Versanddienste und andererseits einem Postfach des Gerichtsvollziehers nach § 130a Abs. 4 Satz 1 Nummer 4 ZPO oder einem den Anforderungen der Rechtsverordnung nach § 130a Absatz 2 Satz 2 ZPO entsprechenden elektronischen Postfach des Gerichtsvollziehers.

Durch diese Vorschrift werden die besonderen elektronischen Postfächer nun nicht mehr nur zwischen bestimmten professionellen Nutzern (Rechtsanwälte, Behörden oder juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse) und dem Gericht vorgeschrieben, sondern auch die Kommunikation der Inhaber von Postfächern der Nutzer untereinander ermöglicht. Diese Multifunktionalität der Postfächer erscheint sinnvoll, wenn man die Kommunikation über die Einrichtung von besonderen elektronischen Postfächern als angemessen betrachtet.

Die gesetzlich vorgesehene Einrichtung besonderer elektronischer Postfächer durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs von 2013 bezweckte damals u.a., den als umständlich empfundenen Gebrauch der Signaturkarten unter den damals gesetzlich vorgesehenen Rahmenbedingungen überflüssig zu machen. Tatsächlich sind zur Nutzung der besonderen elektronischen Postfächer technisch praktisch identische Karten erforderlich, die auch in der Bedienung keine Erleichterung bringen. Auf der Grundlage der europarechtlichen Vorgaben der eIDAS-Verordnung entfällt aber heute die obligatorische Nutzung von Signaturkarten, da qualifizierte elektronische Signaturen als Fernsignaturen mit Smartphones möglich sind.

Deshalb ist zu hinterfragen, ob es wirklich sinnvoll ist, den deutschen Sonderweg des Betriebs besonderer elektronischer Postfächer im Justizbereich langfristig weiterzuverfolgen oder – besser – die mittlerweile einfacheren eIDAS-Möglichkeiten verbindlich vorzuschreiben.

Als Argument für die Nutzung der besonderen elektronischen Postfächer wird teilweise angeführt, dass diese – im Gegensatz zu der qualifizierten elektronischen Signatur – nicht nur die Identifizierung des Absenders ermöglichen, sondern zugleich einen Rückkanal für Antworten eröffnet. Es könnte angezeigt sein, angesichts der bekannten Dauer der Entscheidungsfindung, zum jetzigen Zeitpunkt erneut in die Diskussion einzusteigen, ob mittelfristig eine weniger aufwändige Lösung für den Versand durch das Gericht bzw. den Gerichtsvollzieher gefunden und etabliert werden kann.

Die Regelungen zum elektronischen „Rückverkehr“ des Gerichtsvollziehers an Rechtsanwälte, Behörden oder juristische Personen des öffentlichen Rechts sind konsequent, wenn Gerichtsvollzieher an solche Personen auch ohne deren explizite Einwilligung elektronische Dokumente übermitteln darf (§ 753 Abs. 5 Satz 1 ZPO-E). Allerdings ist wiederum vorgeschrieben, dass Gerichtsvollzieher an andere Personen nur Dokumente elektronisch übersenden dürfen, wenn sie in diese Form der Übermittlung für das jeweilige Vollstreckungsverfahren eingewilligt haben, was einen gewissen Prüfungsaufwand auslöst (siehe dazu oben). Konsequent ist es jedenfalls, die Einwilligung auch dann als erteilt anzusehen, wenn die betroffene Person zuvor ein Dokument elektronisch übermittelt hat (§ 753 Abs. 5 Satz 2 und 3 ZPO-E).

Soweit natürliche oder juristische Personen oder Behörden über einen sicheren Übermittlungsweg erreicht werden können, ist nicht erkennbar, warum diese nur nach Einwilligung auf diesem Weg angeschrieben werden dürfen.

[1] Vom 5. Oktober 2021 BGBl I 4607.

[2] Bernhardt/Leeb in: Heckmann/Paschke, juris PraxisKommentar Internetrecht, 7. Aufl. Kap. 6, Rn. 146.1.

[3] Müller (NJW 2021, 3281, 3285) kritisiert zu Recht die Regelung, wonach Verfahrensbeteiligte nach § 173 Abs. 4 ZPO für das jeweilige Verfahren einer elektronischen Zustellung zustimmen müssen. Diese Regelung bedeute nicht nur einen erheblichen organisatorischen Aufwand in der Stammdatenpflege bei den Gerichten, sondern sei auch fehleranfällig. Ferner sei zu unbestimmt, was „das jeweilige Verfahren“ ist.

[4]BGBl. I S. 2591; in Kraft getreten am 01.01.2018.

[5] BT-Drs. 18/7560, S. 35.

[6] UNCITRAL Model Law on Electronic Transferable Records (2017), https://uncitral.un.org/en/texts/ecommerce/modellaw/electronic_transferable_records.

[7] UNECE, UN / CEFACT, White Paper: Transfer of Model Law on Electronic Transferable Records – Compliant Titles, September 2023, https://unece.org/sites/default/files/2023-09/WhitePaper_Transfer-MLETR.pdf.

[8] Danninger, Drasch, Ehresmann, Guggenberger, Rieger, Urbach, Völter, Wachter, 2020, Das Blockchain-basierte Gültigkeitsregister. Eine Machbarkeitsstudie zur ersten Blockchain-Kooperation in der deutschen Justiz. Bayreuth/Berlin/München. Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik FIT, Hrsg.: Bundesnotarkammer K.d.Ö.R und Bayerisches Staatsministerium der Justiz, https://www.bnotk.de/fileadmin/user_upload_bnotk/Pressemitteilungen/2020/Machbarkeitsstudie_Das_Blockchain-basierte_Gueltigkeitsregister.pdf.

[9] Siehe zum Beispiel Graf-Schlicker, DGVZ 2017, 164 („Titelregister ist sicherlich eine gute Idee, aber nicht einfach in der Realisierung“); Gietmann mit dem Appell, mehr Kompetenz zu wagen, DGVZ 2017, 159.

[10] https://www.justiz.bayern.de/gerichte-und-behoerden/oberlandesgerichte/nuernberg/aktuelles.php, S. 109 ff. Andere (Paulus, DGVZ 2019, 198) verweisen darauf, dass es für ein Vollstreckungsregisters keines aufwändigen Ortes und keines eigenständigen Personals bedarf. Wenn man die Aussagekraft darauf beschränke, dass gegen einen bestimmten Schuldner etwa, in Anlehnung an § 802d ZPO, binnen der letzten zwei Jahre ein Vollstreckungsverfahren eingeleitet worden ist bzw. dass momentan ein Titel gegen ihn vorliegt. Dies in einer justizeigenen Cloud verortet und von jedem Gerichtsvollzieher an je seinem Arbeitsort eingesehen und ergänzt werden.

[11] Hierzu Stamm (Die Digitalisierung der Zwangsvollstreckung – Der Schlüssel zu einer Reform an Haupt und Gliedern), in NJW 2021, 2563.

21. Juli 2023

Der Deutsche EDV-Gerichtstag e.V. (EDVGT) nimmt Stellung zu dem Referentenentwurf des Zehnten Gesetzes zur Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes des Bundesministeriums der Justiz vom 15. Juni 2023 über die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs mit dem Bundesverfassungsgericht.

Mit dem Gesetzesentwurf werden die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Teilnahme des Bundesverfassungsgerichts am elektronischen Rechtsverkehr in verfassungsgerichtlichen Verfahren – analog zum ERV und zur eAkte bei anderen deutschen Gerichten – geschaffen. Dokumente sollen rechtswirksam elektronisch eingereicht und seitens des Bundesverfassungsgerichts elektronisch zugestellt werden können. Ferner soll die Nutzung der elektronischen Akte ermöglicht bzw. deren Nutzungspflicht geregelt werden.

Die Teilnahme des Bundesverfassungsgerichts am elektronischen Rechtsverkehr ist zu begrüßen.

Allerdings kommt der Schritt so spät, dass zu erwägen ist, neue Erkenntnisse und Entwicklungen aus der Anwendungspraxis der Instanzgerichte bereits zum Anlass für partielle Abweichungen vom bisherigen Standard der Regelungen in den anderen Prozessordnungen zu nehmen.

Bekanntlich ist der Weg des Schriftformersatzes über die absenderbestätigte De-Mail in Justiz und Verwaltung bisher kaum genutzt worden. Deshalb wird für die Verwaltungskommunikation bereits über die Abschaltung des De-Mail-Weges diskutiert. Ob dessen explizite Aufnahme in das BVerfGG noch sinnvoll ist, scheint zweifelhaft.

Saarbrücken, 22. Juni 2023

Mit dem Gesetzentwurf soll der deutsche Vertreter im Rat in die Lage versetzt werden, dem Verordnungsvorschlag zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 216/2013 zuzustimmen. Da der Verordnungsvorschlag auf Artikel 352 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union gestützt ist, bedarf es für die Zustimmung des deutschen Vertreters im Rat gemäß § 8 des Integrationsverantwortungsgesetzes vom 22. September 2009 eines vorausgehenden deutschen Gesetzes gem. Art. 23 Abs. 1 GG.

Der Vorschlag für eine EU-Änderungsverordnung sieht neue Regelungen vor, die die Echtheit, Unverfälschtheit und Unveränderlichkeit der elektronischen Ausgabe des Amtsblatts weiterhin sicherstellen sollen, dabei aber die Festlegungen so formuliert sind, dass zukünftig verschiedene technische Mittel in Betracht kommen, sofern diese Mittel sowohl auf technischer als auch auf organisatorischer Ebene vergleichbare Garantien bieten wie qualifizierte Vertrauensdienste im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 910/2014. Durch eine offenere Formulierung in Art. 2 Abs. 1 des Verordnungstextes soll vermieden werden, dass die Verordnung (EU) Nr. 216/2013 jedes Mal geändert werden muss, wenn eine neue Lösung oder Technologie eingesetzt wird oder wenn der für diese Lösungen und Technologien geltende Rechtsrahmen geändert wird. Das zur Gewährleistung der Echtheit eingerichtete System soll zukünftig auf der EUR-Lex-Website dokumentiert werden; somit soll auch eine einfache Überprüfung der Echtheit der elektronischen Ausgabe des Amtsblatts ermöglicht werden.

Dies ist zu befürworten. Es zeigt sich, dass verfügbare technische und organisatorische Instrumente zur Gewährleistung von Echtheit, Unverfälschtheit und Unveränderlichkeit der elektronischen amtlichen Veröffentlichung einer dynamischen Fortentwicklung unterworfen sind. Um jeweils den Stand der Technik und weitere, in anderen EU-Verordnungen festgelegte rechtliche Rahmenregelungen (wie die der eIDAS-Verordnung) zeitnah berücksichtigen zu können und damit die Zukunftsoffenheit der eingesetzten Technologien zu ermöglichen, ist die beabsichtigte Änderung der EU-Verordnung (EU) Nr. 216/2013 sinnvoll.

Bereits die Diskussionen anlässlich des von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurfs zur Modernisierung des Verkündungs- und Bekanntmachungswesens und der damit verbundenen Umstellung von der Papierverkündung zur elektronischen Verkündung von Bundesgesetzen (in Kraft getreten zum 1. Januar 2023) hat gezeigt, dass die Möglichkeiten der elektronischen Verkündung zukünftig weiterentwicklungsfähig sind. Der Deutsche EDV-Gerichtstag hatte in seiner Stellungnahme zu dem entsprechenden Gesetzentwurf (https://www.edvgt.de/stellungnahmen/#toggle-id-6) bereits z.B. vorgeschlagen, zumindest neben dem PDF-Dokument ein strukturiertes Format (auf Basis von XML) für die Gesetzesverkündung und für Bekanntmachungen vorzusehen, das eine automatische Weiterverarbeitung erheblich vereinfachen würde. Insbesondere könnten – so unsere damalige Stellungnahme – vorhandene Software-Werkzeuge für XML-Dokumente eingesetzt werden. Es gibt – auf der Basis des zum 1.1.2023 in Kraft getretenen Gesetzes – auch entsprechende Planungen der Bundesregierung, XML-Formate für die elektronische Verkündung zu nutzen. Fortentwicklungschancen bei der Veröffentlichung von Normen sollten auch auf EU-Ebene nutzbar sein. Dem könnte die nun vorgeschlagene Formulierung in der Änderungsverordnung dienen.

Auch die Änderungsvorschläge zur nachträglichen Entfernung von personenbezogenen Daten aus dem europäischen Amtsblatt sind zu begrüßen. Auch insoweit hat das deutsche Gesetz zur Modernisierung des Verkündungs- und Bekanntmachungswesens beispielhaft Regelungen vorgesehen, die das Erfordernis der Unveränderlichkeit des Bundesgesetzblatts mit den Verpflichtungen in Einklang bringen, die sich aus den Rechtsakten der Union über den Schutz personenbezogener Daten (DSGVO) und aus Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union über die Entfernung bestimmter Angaben ergeben. Auf EU-Ebene sind entsprechende Anpassungen ebenfalls veranlasst. Der dazu beschrittene Weg, eine neue Fassung der elektronischen Ausgabe des betreffenden Amtsblatts zusammen mit einem entsprechenden Hinweis zugänglich zu machen und die ursprüngliche Fassung der elektronischen Ausgabe des betreffenden Amtsblatts gleichzeitig auf unbegrenzte Zeit im Archiv des Amts für Veröffentlichungen aufzubewahren, erscheint sinnvoll und erforderlich. Die Aufbewahrung soll unter technischen und organisatorischen Bedingungen gewährleisten, dass die ursprüngliche Fassung ausschließlich im Einklang mit den Rechtsvorschriften der Union, insbesondere den Vorschriften über das Recht auf Zugang zu Dokumenten und den Schutz personenbezogener Daten, offengelegt werden kann.

Schließlich ist es auch sinnvoll, Notfallmaßnahmen in der Verordnung zu definieren, die das Risiko minimieren, dass die elektronische Ausgabe des Amtsblatts nicht auf der EUR-Lex-Website veröffentlicht und zugänglich gemacht werden kann. Auch parallele Fragen standen im Zusammenhang mit der Umstellung auf eine elektronische Verkündung von Bundesgesetzen zur gesetzlichen Neuregelung an und wurden auf nationaler Ebene befriedigend gelöst. Deshalb ist es verständlich und auch erforderlich, entsprechende Regelungen auch für die elektronische Veröffentlichung des Amtsblatts der Europäischen Union vorzusehen.

Saarbrücken, 13. Februar 2023

Der Deutsche EDV-Gerichtstag e.V. (EDV-GT) hat eine Stellungnahme zu dem „Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz – Entwurf eines Gesetzes zur digitalen Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung (Hauptverhandlungs­dokumentationsgesetz – DokHVG)“ (nachfolgend: Referentenentwurf) abgegeben.

Der EDV-GT befasst sich seinem Vereinszweck entsprechend unter anderem mit dem Einsatz der Informationstechnologie bei der Rechtsanwendung, einschließlich der Auswirkungen auf die Rechtssetzung, die Rechtswissenschaft, die Gestaltung des Arbeitsplatzes und des organisatorischen Umfeldes. Regelmäßig stehen dabei auch Fragen der Gestaltung der Rechtssetzung im Hinblick auf die Auswirkungen in der Justiz in der Diskussion.

I.

Der Referentenentwurf sieht vor, dass in erstinstanzlichen Strafverfahren vor dem Landgericht oder dem Oberlandesgericht zusätzlich zum formal gehaltenen Protokoll eine Aufzeichnung der Hauptverhandlung in Bild und Ton angefertigt wird, welche „automatisiert in ein elektronisches Textdokument zu übertragen (Transkript)“ ist (§ 271 Abs. 2 S. 2 StPO-E). Vorübergehende technische Störungen sollen dem Fortgang der Hauptverhandlung nicht entgegenstehen (§ 273 Abs. 2 StPO-E). Die Aufzeichnungen selbst dürfen dem Referentenentwurf zufolge grundsätzlich nur für „Strafverfahrenszwecke“ verwendet werden (§ 273 Abs. 5 S. 1 StPO-E). Während Aufzeichnungen zu löschen sind, „wenn das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen oder sonst beendet ist“ (§ 273 Abs. 4 S. 1 StPO-E), ist das Transkript dauerhaft zu den Akten zu nehmen (vgl. § 273 Abs. 2 StPO-E).

Der Referentenentwurf verfolgt das im Koalitionsvertrag benannte Ziel, dass „Hauptverhandlung […] in Bild und Ton aufgezeichnet werden [müssen]“. Vor allem aber adressiert er den Anachronismus des deutschen Strafprozessrechts, dass Ablauf und Inhalt der strafprozessualen Hauptverhandlung bislang nur sehr formal protokolliert und technische Möglichkeiten zur Dokumentation nicht genutzt werden. Dies ist ineffizient und der Wahrheitsfindung nicht dienlich: Die Verfahrensbeteiligten müssen für eigene Zwecke (in der Regel handschriftliche) umfängliche Notizen anfertigen, was zu einer Mehrbelastung führt und mit der Gefahr verbunden ist, nicht die volle Aufmerksamkeit dem eigentlichen Prozessgeschehen zu widmen. Zudem verfestigen sich subjektiv unterschiedliche Wahrnehmungen desselben Prozessgeschehens, ohne dass sich derartige Divergenzen durch eine verlässliche Dokumentation auflösen ließen. Dass Deutschland bislang auf technische Hilfsmittel zur Dokumentation von Strafverfahren verzichtet, ist im europäischen und internationalen Vergleich rückständig und längst nicht mehr vermittelbar.

II. 

Vor diesem Hintergrund begrüßt der EDV-GT die Zielsetzung des Referentenentwurfs und insbesondere die Entscheidung für eine Aufzeichnung der Hauptverhandlungen in Bild und Ton. Dies gewährleistet im Vergleich zu einer bloßen Tonaufzeichnung eine deutlich umfassendere Dokumentation, die sich z.B. auch auf nonverbale Kommunikation zwischen den Verfahrensbeteiligten erstreckt, und rechtfertigt daher den Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der in Bild und Ton aufgezeichneten Personen. Befürchtungen, die Aufzeichnung in Bild und Ton würde das Aussageverhalten von Zeugen negativ beeinträchtigen, sind nicht belegt und haben sich in anderen Rechtsordnungen nicht bestätigt; bei gefährdeten Zeuginnen und Zeugen lässt die StPO bereits jetzt besondere Vorkehrungen zu deren Schutz zu. Dennoch ist es aus Sicht des EDV-GT erforderlich, sowohl technische als auch rechtliche Vorkehrungen zum Schutz gegen eine rechtswidrige Verbreitung der Aufzeichnung und zur Aufklärung von Verstößen zu treffen; insbesondere ist zu erwägen, bei Einsichtnahme die Aufzeichnungen mit einem „digitalen Wasserzeichen“ zu versehen sowie § 353d Nr. 4 StGB-E noch nachzujustieren und z.B. neben der Bild-Ton-Aufzeichnung auch die Weitergabe von Einzelbildern oder der Tonspur zu erfassen.

Auch die in § 271 Abs. 2 S. 2 StPO-E vorgesehene Maßgabe, dass die Aufzeichnung automatisiert in ein Transkript zu übertragen ist, begrüßt der EDV-GT. Zwar ist ein solches Transkript kein vollwertiger Ersatz zur originären Videodokumentation und kann dies, in Ermangelung einer Verifikation und förmlicher Korrekturmöglichkeiten, auch nicht sein. Das hat jedoch zur Folge, dass die Aufzeichnung – anders als es der Entwurf in § 273 Abs. 4 S. 1 StPO-E vorsieht – auch über den rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens hinaus (z.B. für Verfassungsbeschwerden und Wieder­aufnahmeverfahren, aber auch für Vorführungen nach § 255a StPO und für die Rechtstatsachenforschung) vorgehalten werden sollte. Unbeschadet dessen kann ein solches Transkript wertvolle Hilfestellung für die Verfahrensbeteiligten sein, insbesondere um sich schnell einen groben Überblick über den Ablauf der Verhandlung zu verschaffen sowie um entscheidende Passagen der Videodokumentation aufzufinden; hierfür sollte das Transkript und die audiovisuelle Aufzeichnung durch entsprechende Sprungmarken miteinander verknüpft werden. Bei entsprechender technischer Ausstattung, etwa mit gesonderten Tonspuren für alle Verfahrensbeteiligten, ist zu erwarten, dass eine – auf diese begrenzte Zwecke bezogene – automatisch generierte Transkription qualitativ hinreichend ist. Wollte man das Transkript darüber hinausgehend für weitere Zwecke nutzen oder nur das Transkript dauerhaft zur Akte nehmen, so wäre zumindest ein förmliches Korrekturverfahren in Fällen falsch oder nicht transkribierter Äußerungen vorzusehen und im Gesetz klar zu verankern.

III.

Aus Sicht des EDV-GT ist der vorliegende Referentenentwurf jedoch nicht weitreichend genug, um die technischen Möglichkeiten bestmöglich zu nutzen, die Digitalisierung der Strafjustiz voranzubringen und hierdurch Strafverfahren sowohl effizienter durchzuführen, als auch die Wahrheitsfindung zu verbessern. Im Einzelnen:

1. Aus Sicht des EDV-GT ist es kritikwürdig, dass die Aufzeichnung und das Transkript erst „nach jedem Verhandlungstag“ den Verfahrensbeteiligten zugänglich gemacht werden sollen (§ 273 Abs. 6 S. 1 StPO-E). Technisch ist es ohne Weiteres realisierbar, die Aufzeichnung und auch das Transkript noch während der laufenden Verhandlung den Verfahrensbeteiligten zugänglich zu machen. Dies ist auch unabdingbar, um widersprüchliche Wahrnehmungen und Missverständnisse unverzüglich – idealerweise noch während demselben Hauptverhandlungstag – aufklären zu können.

2. Die audiovisuelle Aufzeichnung ist lediglich das Mittel, nicht aber Selbstzweck. Hinsichtlich der Nutzung der audiovisuellen Dokumentation bleibt der Entwurf jedoch zu deutlich hinter Regelungsalternativen zurück und lässt daher etliche Chancen der Digitalisierung ungenutzt. So skizziert der AE-ADH (Arbeitskreis deutscher, öster­reichischer und schweizerischer Strafrechtslehrer, Alternativ-Entwurf | Audiovisuelle Dokumentation der Hauptverhandlung [AE-ADH], 2022, https://doi.org/10.5771/9783748933793) mit sehr guten Gründen z.B. die Optionen,

  • auf das herkömmliche Formalprotokoll zu verzichten,
  • die audiovisuelle Dokumentation zu nutzen, um in den Fällen des § 247 StPO den Angeklagten über das, „was während seiner Abwesenheit ausgesagt oder sonst verhandelt worden ist“, zu unterrichten, und
  • in Fällen offensichtlicher Widersprüche zwischen Hauptverhandlung und Urteilsgründen die Revision hierauf stützen zu können (§ 337 Abs. 3 StPO-AE).Zwar setzte dies eine hohe Verfügbarkeit und einen hohen technischen (Mindest‑)Standard der Dokumentationstechnik voraus. Diese technischen Voraussetzungen ließen sich aber – bei adäquater Finanzausstattung der Strafjustiz – ohne Weiteres realisieren. Der EDV-GT empfiehlt daher, im weiteren Gesetz­gebungsverfahren derartige Regelungs­vorschläge aufzugreifen, um die durch die digitale Dokumentation der Hauptverhandlung eröffneten Effizienzgewinne zu realisieren und das mit dem Gesetzentwurf verfolgte Ziel der Verbesserung der Wahrheitsfindung zu verwirklichen.

3. In Verfahren von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sollte die Bild-Ton-Aufzeichnung zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken archiviert werden können; bislang ist begrenzt auf diesen Zweck nur eine Tonaufzeichnung zulässig (§ 169 Abs. 2 GVG).

4. Aus Sicht des EDV-GT ist es nicht überzeugend, dass erstinstanzliche Hauptverhandlungen vor den Amtsgerichten und Berufungsverhandlungen vor den Landgerichten vom Anwendungsbereich der Dokumentationspflicht ausgenommen werden sollen. Bereits grundsätzlich begegnet es Bedenken, Strafverfahren abhängig von der Eingangsinstanz ungleich zu behandeln, obwohl die Strafgewalt der Amtsgerichte bis zu vier Jahren Freiheitsstrafe reicht (§ 24 Abs. 2 GVG) und daher einschneidende – mitunter lebensentscheidende – Urteile von Amtsgerichten gesprochen werden. Führte man auch in amtsgerichtlichen Verfahren eine audiovisuelle Dokumentation ein, ließe sich dort auf die ausgeweitete Protokollierungspflicht (§ 273 Abs. 2 StPO bzw. § 272 Abs. 4 StPO-E) verzichten und damit Zusatzaufwand vermeiden. Zudem ist zu bedenken, dass in Strafverfahren vor dem Strafrichter oder vor dem Schöffengericht die Ablenkung vom Prozessgeschehen, die mit eigenständigen, ja eigenhändigen Mitschriften verbunden ist, besonders misslich ist: In diesem Verfahren ist nämlich, anders als vor Land- und Oberlandesgerichten, stets bzw. in der Regel lediglich ein Berufsrichter bzw. eine Berufsrichterin anwesend. Nähme man es diesem bzw. dieser ab, selbst handschriftlich den Gang und Ablauf des Verfahrens zu dokumentieren, könnte er bzw. sie sich vollumfänglich dem Verhandlungsgeschehen widmen.

5. Um die Einführung einer audiovisuellen Dokumentation möglichst zügig – und parallel zur Einführung der E-Akte – zu ermöglichen, ist es erforderlich, ausreichende finanzielle und personelle Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Zwar wird nicht jeder Gerichtssaal in kurzer Zeit mit Dokumentationstechnik in hinreichender Qualität ausgestattet werden können. Nur bei entsprechender Ressourcenausstattung ließen sich bereits in kürzerer Frist sämtliche in Strafsachen genutzten Verhandlungssäle der Oberlandesgerichte und Landgerichte technisch entsprechend ausrüsten, sodass die Länder nicht die Möglichkeit nutzen müssten, die Übergangsfrist bis zum 1.1.2030 (vgl. § 19 Abs. 1 S. 1 EGStPO-E) zu verlängern. Die schon bald vor den Oberlandes- und Landgerichten gewonnenen Erfahrungen mit der Dokumentationstechnik sollten zeitnah evaluiert werden und die dabei gewonnenen Erkenntnisse in die Umrüstung der Verhandlungssäle der Amtsgerichte einfließen.

Saarbrücken, 1. Februar 2023

Der Deutsche EDV-Gerichtstag e.V. (EDV-GT) nimmt Stellung zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2022/868 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2022 über europäische Daten-Governance und zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1724 (Daten-Governance-Rechtsakt).

Der Gesetzentwurf soll laut seiner Begründung dazu dienen, die wirksame und einheitliche Anwendung der EU-Verordnung[1] sicherzustellen. Als unmittelbar geltendes Unionsrecht muss die Verordnung nicht in nationales Recht umgesetzt werden. Allerdings sind in einem Durchführungsgesetz die Regelungen zu treffen, die der Daten-Governance-Rechtsakt (DGA) den nationalen Mitgliedstaaten vorbehalten hat.

Deshalb konzentriert sich der Gesetzentwurf zu Recht auf die Regelungen zu den Zuständigkeiten der beteiligten deutschen Behörden sowie zur nationalen Ausgestaltung der Ordnungswidrigkeitsbestimmungen.

Der EDV-Gerichtstag nimmt lediglich zu den vorgeschlagenen Zuständigkeitsregelungen Stellung, weil nur insoweit Fragen des IT-Einsatzes in der Rechtspflege betroffen sind.

§ 1 Abs. 3 des Gesetzentwurfs ermächtigt „das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, das [Bundesministerium für X] und [das Bundesministerium für Y]“, „durch Rechtsverordnung die zuständige Stelle“ zu bestimmen, „welche die öffentlichen Stellen, die Zugang zur Weiterverwendung von Daten der in Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/868 genannten Datenkategorien gewähren oder verweigern, nach Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/868 unterstützt, sowie die zentrale Informationsstelle nach Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2022/868.“

Der Gesetzentwurf bezieht sich insoweit zunächst auf Art. 7 DGA. Demnach benennen die Mitgliedstaaten „eine oder mehrere – möglicherweise auch für bestimmte Sektoren – zuständige Stellen, die öffentlichen Stellen, die Zugang zur Weiterverwendung von Daten der in Artikel 3 Absatz 1 genannten Datenkategorien gewähren, bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe unterstützen.“

Die national festzulegenden Behörden sollen u.a. technische Unterstützung leisten „durch Bereitstellung einer sicheren Verarbeitungsumgebung für die Gewährung des Zugangs zur Weiterverwendung von Daten“ sowie „bei der Anwendung erprobter Techniken, die gewährleisten, dass die Datenverarbeitung in einer Weise erfolgt, bei der die Privatsphäre in Bezug auf die Informationen in den Daten, deren Weiterverwendung erlaubt wird, gewahrt bleibt; dazu gehören auch Techniken zur Pseudonymisierung, Anonymisierung, Generalisierung, Unterdrückung und Randomisierung personenbezogener Daten“ (Art. 7 Abs. 2 Buchst. a und b).

Unterstützung kann nur eine Behörde leisten, deren allgemeine Zuständigkeit eine fachliche Expertise in dem Fachgebiet verspricht, für das sie hier tätig werden soll. Bedeutsam für die Entscheidung, welche nationalen Stellen hier benannt werden sollen, ist somit auch die Frage, welche Daten weiterverwandt werden sollen. Gemäß Art. 3 DGA gilt das Kapitel der Art. 3 bis 9 „für Daten, die sich im Besitz öffentlicher Stellen befinden und aus folgenden Gründen geschützt sind.“ Als Gründe für den Schutz im Sinne dieser Bestimmung nennt Art. 3 Abs. 1 sodann die geschäftliche Geheimhaltung einschließlich Betriebsgeheimnissen, Berufsgeheimnisse, Unternehmensgeheimnisse, statistische Geheimhaltung, den Schutz geistigen Eigentums Dritter oder den Schutz personenbezogener Daten, soweit diese Daten nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2019/1024 fallen (Open-Data-Richtlinie).

Damit dürften auch bestimmte, in der Justiz anfallende, geschützte Daten einzubeziehen sein. Justizdaten sind auch nicht durch Art. 3 Abs. 2 Buchst. d DGA von der Anwendung des DGA ausgeschlossen, denn bei ihnen handelt es sich nicht um Daten, „die aus Gründen der öffentlichen Sicherheit, der Landesverteidigung oder der nationalen Sicherheit geschützt sind“.

Daten im Sinne des Art. 3 DGA aus dem Justizbereich könnten etwa Gerichtsurteile sein, die zunächst (vor der Anonymisierung) wegen ihres Personenbezugs geschützt sind. Es könnten aber auch sonstige Justizdaten sein, die zur Ermöglichung KI-gestützter cloudbasierter Justizdienste „kontrolliert übergeben werden sollen“, worauf etwa die Digitalstrategie[2] Bezug nimmt. In Betracht kommen ferner statistische Daten über den Arbeitsanfall an Gerichten zusammen mit den dazugehörigen Fallerledigungszahlen, die über die Arbeitsweise der Richterinnen und Richter Auskunft geben und deshalb Fragen der richterlichen Unabhängigkeit berühren. Vorstellbar wären auch Identitätsdaten von Richterinnen und Richtern sowie Angehörigen der Justiz mit dem Ziel oder der Bewertung, Analyse, des Vergleichs oder der Vorhersage ihrer tatsächlichen oder angeblichen Berufspraktiken, deren Verwendung in Frankreich wegen ihres eventuellen Einflusses auf die richterliche Unabhängigkeit verboten wurde[3].

Hier wird deutlich, dass die Entscheidung über die Weiterverwendung und die Modalitäten der Verwendung von geschützten Justizdaten und die Unterstützung der insoweit zuständigen Behörden auf einer Kenntnis der besonderen (verfassungs-)rechtlichen Rahmenbedingungen beruhen muss, denen die Justiz unterworfen ist.

Deshalb sollte der Gesetzentwurf anstelle eines Platzhalters „X“ ausdrücklich das Bundesministerium der Justiz als das fachlich für die Justiz zuständige Bundesministerium im Gesetz bestimmen, das mithilfe einer Rechtsverordnung eine unterstützende Stelle für den Justizsektor benennt, z.B. das Bundesamt für Justiz. Die Benennung wäre ferner für die Aufgaben einer zentralen Informationsstelle gemäß Art. 8 DGA relevant, nämlich einschlägige Informationen in Bezug auf die Anwendung der Art. 5 und 6 bereitzuhalten und zur Verfügung zu stellen.

Die Zuständigkeitsregelung zugunsten der Bundesnetzagentur in § 1 Abs. 1 des Gesetzentwurfs für die Wahrnehmung der Aufgaben im Zusammenhang mit dem Anmeldeverfahren für Datenvermittlungsdienste nach Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2022/868 und in § 1 Abs. 2 für das Registrierungsverfahren für datenaltruistische Organisationen weist demgegenüber keinen Justizbezug auf und bedarf daher keiner Kommentierung durch den Deutschen EDV-Gerichtstag.

[1] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX%3A32022R0868

[2] https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/digitaler-aufbruch/digitalstrategie-2072884

[3] Hierzu Nico Kuhlmann, Legal Tribune Online 14.6.2019, https://www.lto.de/recht/legal-tech/l/frankreich-legal-tech-beschraenkung-predictive-analysis-verbotene-erkenntnis/

Saarbrücken, 13. Januar 2023

Der Deutsche EDV-Gerichtstag e.V. (EDV-GT) nimmt Stellung zu dem Referentenentwurf eines Gesetzes zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten Stellung.

Der EDV-GT befasst sich dem Vereinszweck entsprechend unter anderem mit dem Einsatz der Informationstechnologie bei der Rechtsanwendung einschließlich der Auswirkungen auf die Rechtssetzung, die Rechtswissenschaft, die Gestaltung des Arbeitsplatzes und des organisatorischen Umfeldes. Regelmäßig stehen dabei auch Fragen der Gestaltung der Rechtssetzung im Hinblick auf die Auswirkungen in der Justiz in der Diskussion.

Durch die Veranstaltung „Virtuelle Verhandlungen vor Gericht – Erfahrungen – Herausforderungen – Zukunft“ am 9. Juni 2020, die Treffen des Praktikerforums Videoverhandlung am 6. August 2020, 2. September 2020, 9. Februar 2021 und 21. Juni 2021 und die Arbeitskreise auf dem 30. EDV-Gerichtstag 2021 und dem 31. EDV-Gerichtstag 2022 verfügt der EDV-GT über vertiefte Kenntnisse der Bedürfnisse aus der Praxis.

Unter diesem Blickwinkel begrüßen wir die durch das Bundesministerium der Justiz mit dem Gesetzesentwurf verfolgten Ziele. Aufgrund der großen praktischen Erfahrungen mit dem Einsatz von Videoverhandlungen in den letzten zwei Jahren war eine Anpassung des § 128a ZPO angezeigt. Soweit Kritik an Einzelregelungen angebracht wird, ändert dies nichts an der nachhaltigen Unterstützung des EDV-GT am Gesetzentwurf, den Einsatz von Videotechnik in den Gerichtsbarkeiten auszubauen und praxistauglich zu gestalten. Die Voraussetzungen eines die Prozessziele fördernden, sinnvollen Einsatzes von Videokonferenztechnik sind indes ebenso wenig erforscht wie dessen Grenzen sowie mögliche kontraproduktive Nebenfolgen; es ist daher eine systematische Begleitforschung zu diesen Fragen vorzusehen, die am Ende des dritten Jahres nach dem Inkrafttreten des Gesetzes einen entsprechenden Bericht vorlegt.

Die Regelung zur Möglichkeit der Einführung von digitalen Rechtsantragsstellen wird begrüßt. Soweit in der Gesetzesbegründung ausgeführt wird, dass die Identitätsprüfung des Antragstellenden niedrigschwellig per Video-Ident erfolgen kann, d. h. der Personalausweis über die Kamera für den/die Urkundsbeamten:in sichtbar gemacht werden kann, wird dies als problematisch angesehen, da hiermit eine Abkehr von den bisherigen hohen Authentifizierungsanforderungen im elektronischen Rechtsverkehr verbunden wäre. Die Gefahr durch sog. Deep-Fakes (siehe hierzu BSI https://www.bsi.bund.de/DE/Themen/Unternehmen-und-Organisationen/Informationen-und-Empfehlungen/Kuenstliche-Intelligenz/Deepfakes/deepfakes_node.html) und der Reputationsverlust für die Justiz, wenn sie das Opfer eines solchen Identitätsdiebstahls wird, sollte nicht unterschätzt werden. Unterstützt wird auch, dass diese Option einer virtuellen Abnahme der Vermögensauskunft (§ 802f ZPO) geschaffen werden soll.

Die Möglichkeit eine Bild-Ton-Aufzeichnung zur Dokumentation der Aussagen von Zeug:innen, Sachverständi:ginnen oder der zu vernehmenden Partei für die weitere Virtualisierung des gerichtlichen Verfahrens vorzusehen, wird begrüßt. Ziel sollte es jedoch sein, diese Aufzeichnungen oder deren Transkripte in einer weiteren Stufe an die Stelle des Protokolls treten zu lassen.

Bedenken bezüglich der Möglichkeit der vollvirtuellen Verhandlung bestehen jedoch im Hinblick auf den Öffentlichkeitsgrundsatz. Die Öffentlichkeit ist bei dem Regelungsvorschlag nur formal berücksichtigt. Der EDV-GT spricht sich für eine digitale Partizipation der Öffentlichkeit aus. Dazu sind unterschiedliche Varianten denkbar, die generell oder in dem jeweils gebotenen Maße organisatorische und technische Vorkehrungen zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der Verfahrensbeteiligten zulassen. Der EDV-GT regt insoweit – weitergehend – eine Experimentieröffnungsklausel an, welche dem Bund und den Ländern bei geeigneten Gerichten weitere Abweichungen von § 169 GVG für eine Erprobung der digitalen Gerichtsöffentlichkeit ermöglicht.

Der Sorge vor illegalen Mitschnitten der Verhandlung lässt sich durch technische Maßnahmen begegnen (vergleiche zum sog. Fingerprinting/Watermark etwa Paschke, Digitale Gerichtsöffentlichkeit, S. 250 ff.). Diese können zwar das Abfilmen einer digital übertragenen Verhandlung mit externen Geräten nicht verhindern, bei Verbreitung aber – anders als bei illegalen Film- und Tonaufnahmen (unmittelbar) im Gerichtssaal – den/die Urheber:in identifizieren. Daneben ließe sich auch bei der Strafbarkeit von illegalen Bild- und Tonaufnahmen von Gerichtsverhandlungen nachschärfen: De lege lata kommt lediglich eine Strafbarkeit wegen Verstoßes gegen das Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (§§ 22, 23 KunstUrhG) in Betracht, wenn Bildaufnahmen ohne die Zustimmung der Abgebildeten verbreitet werden.

Eine Ausdehnung des Regelungsbereiches von Videoverhandlungen auf Verfahrensbeteiligte aus dem EU-Ausland wäre wünschenswert. Zu der Frage der schriftlichen Zeugenvernehmung im EU-Ausland hat sich der EuGH im Beschluss vom 8. September 2022 – C-188/22 – geäußert. Auch wenn der EuGH dabei nicht zu der Frage der verpflichtenden Teilnahme per Videokonferenz aus dem Ausland Stellung bezogen hat, deutet sich jedoch an, dass die grundsätzlichen Bedenken bzgl. der territorialen Souveränität vom EuGH nicht mehr geteilt werden (vgl. hierzu etwa Windau, https://anwaltsblatt.anwaltverein.de/de/zpoblog/schriftliche-zeugenvernehmung-ausland-eugh-c-188-22).

Die Regelungstechnik, statt gleichlautender Normen in verschiedenen Gesetzen auf die ZPO als „Referenzgesetz“ zu verweisen, ist zu begrüßen.

Der Entwurf verzichtet auf technische und organisatorische Vorgaben. Regelungsbedürftig könnte beispielsweise die Frage sein, ob das Gericht während der Dauer der Verhandlung permanent im Bild bleiben muss. Offen ist auch die Frage, wie ein/e Beteiligte/r mitteilen kann, dass er/sie Ton oder Bildprobleme hat sowie die Konsequenzen einer gestörten Bild- und Tonübertragung aus unbekannten Gründen – siehe OLG Celle, Beschl. v. 15.09.2022 – 24 W 3/22. Dies wird folglich auch nach der neuen Rechtslage kein Einzelfall bleiben. Als Minimalansatz käme eine Verpflichtung zur Einhaltung des BSI-Mindeststandards für Videokonferenzdienste in Betracht (siehe https://www.bsi.bund.de/DE/Themen/Oeffentliche-Verwaltung/Mindeststandards/Videokonferenzdienste/Videokonferenzdienste_node.html). Alternativ könnten auch – ggf. in einer Rechtsverordnung zu deren Erlass in § 128a ZPO-E ermächtigt wird – inhaltliche Vorgaben gemacht werden.

Insgesamt muss natürlich sichergestellt sein, dass die Länder bzw. die Gerichte über die entsprechende technische und personelle Ausstattung verfügen.

Im Einzelnen:

Zu den einzelnen Vorschriften werden nur insofern Anmerkungen gemacht, als Bedenken bestehen oder Anregungen formuliert werden.

  1. Die Videoverhandlung nach § 128a ZPO-E

Gegen die grundsätzlich begrüßenswerten Änderungen bestehen insoweit Bedenken, als die Regelpflicht in Verbindung mit dem Umstand, dass der Antrag auf Durchführung der Videoverhandlung nicht fristgebunden ist, gerichtsorganisatorische Probleme (zum Beispiel bei der Zuteilung von geeigneten Sitzungssälen) entstehen können. Es wird deshalb angeregt, dass der Antrag auf Durchführung einer Videokonferenz fristgebunden zu stellen ist.

Bedenken bestehen vor allem im Hinblick auf § 128a Abs. 4 ZPO-E. Die Regelung zur Beteiligung der Öffentlichkeit bei der sich der Spruchkörper nicht im Gericht befindet (vollvirtuelle mündliche Verhandlung) trägt dem verfassungsrechtlich garantierten Öffentlichkeitsgrundsatz nicht hinreichend Rechnung. Insoweit wäre es konsequent, der Öffentlichkeit die Möglichkeit einer digitalen Teilnahme – wie eingangs bereits ausgeführt – zu eröffnen. Im Übrigen sollte nicht außer Betracht bleiben, dass sich das Erscheinungsbild der Justiz durch die Möglichkeit des Verzichts auf die Anwesenheit des Spruchkörpers im Gerichtssaal grundlegend ändert. Die Justiz sollte nicht nur agieren, sondern nach außen hin als solche wahrnehmbar und erkennbar sein. Durch den Verzicht auf eine solche Erkennbarkeit könnte das Vertrauen in eine unabhängige Justiz in Mitleidenschaft gezogen werden. Auch bei einer vollvirtuellen Verhandlung sollte deshalb zumindest, die Illusion einer Anwesenheit des Gerichts im Gerichtssaal erzeugt werden. Bei Spruchkörpern ist dies derzeit noch eine besondere Herausforderung. Perspektivisch könnte sich aber eine technische Lösung durch sog. Liveness-Effekte ergeben, mit denen bei den Teilnehmenden einer virtuellen Verhandlung sich die Vorstellung einer gemeinsamen Präsenz eines Spruchkörpers im Gericht herstellen lässt.

Auch für § 128a Abs. 5 ZPO ergeben sich in der Folge dieselben Bedenken. Die Überlegungen zur vollvirtuellen Verhandlung sind Folgen aus den Erfahrungen der Corona-Pandemie. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht überzeugend, dem Gericht die Präsenz am Gerichtsort nicht zumuten zu wollen, der Gerichtsöffentlichkeit aber schon.

Nach dem aktuellen Wortlaut der Vorschrift wäre eine Zuschaltung der/des Vorsitzenden von einem anderen Ort zu einer Sitzung (z.B. weil er/sie unter Quarantäne steht), an der ein oder alle weiteren Mitglieder des Spruchkörpers in einem Sitzungssaal teilnehmen, nicht zulässig. Da hierfür kein sachlicher Grund ersichtlich ist, sollte diese Option ergänzt werden.

Um einen Gleichlauf zwischen Abs. 4 und Abs. 5 zu schaffen, sollten die Worte „in geeigneten Fällen“ in Abs. 4 aufgenommen oder aus Abs. 5 gestrichen werden.

128a Abs. 7 ZPO-E unterliegt erheblichen Bedenken. Die Norm birgt erheblichen Mehraufwand- und Verzögerungspotenziale. Dies lässt sich exemplarisch durch ein Praxisbeispiel aus dem familiengerichtlichen Verfahren verdeutlichen, für das gem. § 32 Abs. 3 FamFG § 128a ZPO ebenfalls entsprechende Anwendung findet. Für Kindschaftsverfahren gilt gem. § 155 FamFG das Beschleunigungsgebot, weil der Gesetzgeber des FamFG zu Recht davon ausgeht, dass gerade Umgangs- und Sorgerechtsverfahren vom Gericht umgehend bearbeitet werden müssen und dies in einer mündlichen Verhandlung mit Anhörung der Beteiligten zu erfolgen hat. Die Regelung des § 128a Abs. 7 ZPO-E gibt nun eine neue Möglichkeit, Verfahren zu verzögern und ist daher mit dem in § 155 FamFG geregelten Beschleunigungsgebot nicht vereinbar.

  1. Vorläufige Protokollaufzeichnung

Die Möglichkeit, eine Bild-Ton-Aufzeichnung zur Dokumentation der Aussagen von Zeug:innen, Sachverständig:innen oder der zu vernehmenden Partei für die weitere Virtualisierung des gerichtlichen Verfahrens vorzusehen, sollte nur eine Übergangslösung darstellen und perspektivisch protokollersetzend wirken. Namentlich bei elektronischer Aktenführung ist der Verzicht auf eine Transkription zugunsten eines ausschließlich audiovisuellen Protokolls (ggfls. neben der Protokollierung der Tatsache, dass eine Verhandlung stattgefunden hat und welche Entscheidungen in dieser verkündet worden sind) vorzugswürdig.

Die vorläufigen Aufzeichnungen gehören zur Prozessakte und unterliegen dem Akteneinsichtsrecht aus § 299 ZPO. Grundsätzlich erfolgt die Bereitstellung der Akten zum Abruf über das Akteneinsichtsportal, § 299 Abs. 3 S. 1 ZPO. Es würden erheblich größere Datenmengen als bisher ausgetauscht, was derzeit noch zu praktischen Problemen führen könnte.

  1. Digitale Rechtsantragsstelle

Die Regelung zur Möglichkeit der Einführung von digitalen Rechtsantragsstellen wird begrüßt. Auf über den Gesetzeswortlaut hinausgehende Festlegungen zu den Authentifizierungsanforderungen in der Gesetzesbegründung sollte indes verzichtet werden.

  1. Weitere Änderungen der ZPO

Gemäß § 160 Abs. 1 ZPO muss in das Protokoll aufgenommen werden, wer per Bild- und Tonübertragung an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat. Der Ort der Teilnahme muss nicht aufgenommen werden. Für den Fall der Erweiterung des Anwendungsbereichs auf das EU-Ausland, der befürwortet wird, wird angeregt, auch den Ort der Teilnahme in das Protokoll aufzunehmen.

Bei der vollvirtuellen Hauptverhandlung muss ins Protokoll aufgenommen werden, dass die Öffentlichkeit durch Übertragung in einen Raum nach § 128a Abs. 5 S. 3 ZPO stattgefunden hat. Unklar bleibt insofern, wie sichergestellt wird, dass die Übertragung während der kompletten Verhandlung möglich war.

Um eine Aufnahme der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse durch den/die Rechtspfleger:in zu ermöglichen, soll an § 117 Abs. 4 ZPO ein neuer Satz 2 angefügt werden. Es bietet sich an, in diesem Zusammenhang auch die weiteren Probleme im Rahmen der digitalen Bearbeitung des Formulars zu beheben, indem klargestellt wird, dass ein/eine zur digitalen Einreichung verpflichtete:r Rechtsanwalt:in einen Scan des im Original handschriftlich unterzeichneten Prozesskostenhilfeformulars einreichen darf (zum aktuellen Stand der Diskussion siehe Biallaß in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 2. Aufl., § 14 FamFG, Stand: 31.10.2022, Rn. 80-86).

  1. 61 Abs. 2 SGG (Art. 7 Nr. 1)

Aus welchen Gründen der Sozialgerichtsbarkeit nicht einmal die Möglichkeit einer Beratung und Abstimmung unter Nutzung von Bild- und Tonübertragung (§ 193 Abs. 1 Satz 1 GVG [n.F.]) eröffnet werden soll, erschließt sich nicht. § 193 Abs. 1 Satz 1 GVG regelt nicht die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung, sondern an der Beratung.

Saarbrücken, 14. Juli 2022

Durch den Referentenentwurf soll die Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung neugefasst und die Gerichtsvollzieherformular-Verordnung aufgehoben werden. Damit erfolgt eine umfangreiche Überarbeitung der Formulare und der Forderungsaufstellungen für den Auftrag an Gerichtsvollzieher zur Zwangsvollstreckung von Geldforderungen, den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses sowie den Antrag auf Erlass einer richterlichen Durchsuchungsanordnung und auf Erlass einer richterlichen Anordnung der Vollstreckung zur Nachtzeit und an Sonn- und Feiertagen.

Eines der Ziele der Verordnung ist es, die Möglichkeiten der Digitalisierung auszu-schöpfen. Dieses Ziel ist begrüßenswert, wurde jedoch nicht vollständig erreicht.

  • 4 Abs. 1 ZVFV-E gestattet es den Ländern, die Formulare als strukturierte Datensätze zum Zwecke der Übermittlung an Gerichtsvollzieher oder an das Gericht bereitzustellen. Regelungen zur Übermittlung der Daten in strukturierter maschinenlesbarer Form finden sich bereits in § 4 GVFV und § 4 ZVFV a. F.

Die zukünftigen Formulare sind in das XJustiz-Format zu übertragen. Für die als strukturierte Datensätze bereitgestellten Formulare gelten die §§ 2 und 3 ZVFV-E entsprechend. Diese Regelung ist ausdrücklich zu begrüßen. Eine Pflicht der Länder für die Bereitstellung solcher Datensätze existiert nicht. Rechtsgrundlagen für die Bereitstellung elektronischer Formulare sind die § 753 Abs. 3 S. 2, § 758a Abs. 6 S. 3 und § 829 Abs. 4 S. 3 ZPO.

Die Übermittlung von strukturierten Daten lässt eine IT-gestützte Vorgangsbearbeitung ohne Medienbruch bei den Gerichten und damit eine deutlich effizientere Gestaltung der gerichtlichen Verfahrensabläufe zu. Die übermittelten Metadaten könnten automatisiert in die Fachanwendung des Gerichts bzw. der Gerichtsvollzieher übernommen werden. Hierzu sind gegebenenfalls vorab Anpassungen der Software notwendig. Sinnlose doppelte Erfassungsarbeit wird vermieden und die bei stetiger Personalknappheit notwendigen Ressourcen für eine Konzentration auf die Kerntätigkeit – nämlich die Bearbeitung des Antrags bzw. dessen Entscheidung – werden freigesetzt. Bei der bisherigen Nutzung von Papierformularen ist dies nicht möglich. Insofern ist es sehr bedauerlich, dass in dem Gesetzesentwurf nicht alle bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten ausgeschöpft wurden, um die Einreichung von elektronischen Dokumenten zu fördern.

Auf S. 45 des Referentenentwurfs heißt es: „Es ist nicht davon auszugehen, dass Bürgerinnen und Bürger die Formulare für die Zwangsvollstreckung in nennenswertem Umfang softwaregestützt nutzen.“ Des Weiteren wird davon ausgegangen, dass jährlich ca. 250.000 Aufträge von Privatpersonen gestellt werden. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn im Rahmen der Gesetzesänderung diesen Privatpersonen auch ermöglicht worden wäre, die Anträge ohne großen Aufwand digital zu stellen.

Bürgerinnen und Bürgern steht zur Übersendung die Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs offen. Seit dem 01.01.2018 regelt § 130a Abs. 4 Ziff. 1 ZPO, dass es sich bei dem Postfach- und Versanddienst eines De-Mail-Kontos um einen sicheren Übermittlungsweg handelt, wenn der Absender bei Versand der Nachricht sicher im Sinne von § 4 Abs. 1 S. 2 De-Mail-Gesetz (De-MailG) angemeldet ist und er sich die sichere Anmeldung gemäß § 5 Abs. 5 De-MailG bestätigen lässt. Die Möglichkeit der Nutzung von De-Mail wurde durch die Bürgerinnen und Bürger jedoch nur sehr schlecht angenommen. Durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften wurde zudem das elektronische Bürgerpostfach (eBO) eingeführt und die Möglichkeit eröffnet, den Postfach- und Versanddienst eines Nutzerkontos im Sinne des § 2 Abs. 5 OZG zu nutzen, wenn bestimmte technische Voraussetzungen erfüllt sind. Erst die Zukunft wird zeigen, wie das eBO und die elektronische Kommunikation über den Postfach- und Versanddienst eines Nutzerkontos angenommen werden. Da für die Nutzung des eBO Kosten anfallen, erscheint jedoch zweifelhaft, dass es von Bürgerinnen und Bürgern für eine gelegentliche Kommunikation mit dem Gericht genutzt wird. Der Postfach- und Versanddienst eines Nutzerkontos im Sinne des § 2 Abs. 5 OZG kann zwar theoretisch genutzt werden, praktisch ist aktuell lediglich die Bayern-ID verfügbar (siehe https://bayernid.freistaat.bayern/de/bayern/freistaat).

Es hätte sich angeboten, in der Verordnung auch von der Möglichkeit des § 130c ZPO (Parallelvorschriften finden sich in § 46 f. ArbGG, § 14a FamFG, § 52c FGO, § 65c SGG, § 32c StPO und § 55c VwGO) Gebrauch zu machen. Dieser lässt die Einführung von elek­tronischen Formularen für das gerichtliche Verfahren durch das BMJ zu und senkt die Anforderungen an die Identifikation des Formularverwenders. Die Norm lässt die Identifizierung des Formularanwenders auch durch Nutzung eines elektronischen Identitätsnachweises zu. Eine Pflicht zur Verwendung der elektronischen Formulare besteht auch nach dieser Vorschrift nicht.

Hierdurch würde der Zugang zum Recht erweitert und nicht reduziert. Digital affine Bürgerinnen und Bürger können ohne die hohen Schwellen des elektronischen Rechtsverkehrs die Möglichkeit zur elektronischen Einreichung nutzen. Allen anderen Bürgerinnen und Bürger stünde jedoch weiterhin die Einreichung in Papierform offen, so dass diese durch die Schaffung der Formulare in ihren Rechten nicht beeinträchtigt würden.

Gleiches gilt für die geschätzten 500 Durchsuchungsanordnungen und die 500 Anträge auf Erlass einer richterlichen Anordnung der Vollstreckung zur Nachtzeit und an Sonn- und Feiertagen, die jährlich von Privatpersonen gestellt werden sowie die geschätzten 200.000 Anträge auf Erlass von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen, die von Privatpersonen gestellt werden.

Gemäß § 4 Abs. 1 S. 3 ZVFV-E gelten die Regelungen zur Nutzung der Formulare (§ 2 ZVFV n. F.), insbesondere zur Nutzungspflicht der Anlagen für Forderungsaufstellungen, und zu Abweichungen von der im Bundesgesetzblatt veröffentlichten Fassung der Formulare (§ 3 ZVFV-E) auch für Nutzer der elektronischen Formulare. Diese Regelung ist zu begrüßen, da nur so eine automatisierte Weiterverarbeitung möglich ist.

Nach § 4 Abs. 2 ZVFV-E können die Länder durch Verwaltungsvereinbarung eine gemeinsame Koordinierungsstelle für die Übertragung der in den Formularen enthaltenen Angaben einrichten. Besteht bereits eine solche Stelle, so können die Länder sich dieser bedienen. Auch diese Regelung ist zu begrüßen und entspricht der bisherigen Praxis. Mit der bei IT.NRW angesiedelten XJustiz-Pflegestelle, die durch die BLK – vertreten durch die BLK-AG IT-Standards – mit der Betreuung und Fortentwicklung von XJustiz beauftragt wurde, besteht bereits eine solche Stelle.

Die Fristen in § 5 ZVFV-E sind in Abstimmung mit der BLK-AG IT-Standards so zu bemessen, dass die relevanten XJustiz Standards zu diesem Zeitpunkt tatsächlich veröffentlicht und gültig sind. Seit 2021 wird einmal jährlich eine neue XJustiz-Version gültig, die die dahin gültige Version ablöst. XJustiz-Versionen werden immer 12 Monate vor Gültigkeit veröffentlicht. Die Übergangsfrist von 9 Monaten ist somit zu knapp, um eine rechtzeitige Veröffentlichung der angepassten XJustiz-Version zuzulassen.

Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 ZVFV a. F.

Die Aufnahme eines Feldes zur Angabe der „SAFE-ID“ des Gläubigers bzw. von dessen gesetzlichem Vertreter oder Bevollmächtigten unter Verwendung dieser Bezeichnung ist begrüßenswert.

Der Zustellungsnachweis und die Forderungsaufstellung können als elektronisches Dokument übermittelt werden. Dies entspricht der neuen Rechtslage und ist ebenfalls begrüßenswert.

Das Formular ermöglicht gemäß § 753a S. 1 ZPO die Versicherung der ordnungs-gemäßen Bevollmächtigung zur Vertretung. Dies entspricht ebenfalls der neuen Rechtslage und ist begrüßenswert.

Am Ende des Dokuments befindet sich links ein Texteingabefeld für den Namen des Auftraggebers bzw. des Antragstellers. Dieses ist im Fall der elektronischen Übersendung auszufüllen, da so bei der Einreichung über einen sicheren Übermittlungsweg nach § 130a Abs. 3 S. 1 2. Alt. ZPO eingehalten ist. Bei einer Einreichung in Papierform ist das Dokument zusätzlich über dem Feld Unterschrift Auftraggeber, über dem sich eine Signierlinie befindet, zu unterzeichnen. Das gewählte Design überzeugt. Bei Übersendung als Schriftstück dient die Angabe nach der Begründung der Verordnung dazu, die häufig unleserlichen Unterschriften einer bestimmten Person zuordnen zu können und damit festzustellen, ob der Gläubiger, ein Bevollmächtigter oder ein gesetzlicher Vertreter, den Antrag unterzeichnet hat.

Anlage 2 zu § 1 Abs. 2 ZVFV a. F.

Dass ein Feld zur Angabe der SAFE-ID des Gläubigers bzw. von dessen gesetzlichen Vertreter oder Bevollmächtigten vorgesehen ist, ist begrüßenswert.

Die Protokolle über die Vollstreckungshandlungen können ebenfalls als elektronisches Dokument übermittelt werden. Die Bezugnahme auf elektronische Dokumente war wegen § 193 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO und § 193a ZPO notwendig.

Anlage 2 zu § 1 Abs. 2 enthält ab S. 19 bis 22 ebenfalls einen Vordruck des Durchsuchungsbeschlusses. Da § 758a Abs. 6 S. 2 ZPO nur für den Antrag gilt, ist das Gericht nicht verpflichtet, den im Antragsformular enthaltenen Beschlussentwurf und die grau hinterlegten Rahmen zu nutzen. Nutzt das Gericht die Formulare, sind Felder vorgesehen, die nicht vom Antragsteller, sondern vom Gericht ausgefüllt werden. Diese Felder sind in den neuen Formularen grau unterlegt und dürfen bei der Übermittlung auch nicht weggelassen werden (vergleiche § 3 Abs. 2 Ziff. 4 ZVFV-E). Befremdlich ist, dass zwar ein Freitextfeld für die Gründe, nicht jedoch für den Tenor vorgesehen ist. Es ist unbedenklich, dem Richter die Möglichkeit zu geben, den Tenor durch die Auswahl von Textbausteinen zu erstellen. Auch wenn der Richter die Möglichkeit hat, von der Verwendung des Formulars abzusehen, wäre es durch eine geringe Anpassung leicht, ihm auch bei Verwendung des Formulars die Möglichkeit zu geben, den Tenor frei zu formulieren.

In Bezug auf die Anbringung einer einfachen Signatur und der nur in Papierform nötigen (eigenhändigen) Unterschrift des Richters überzeugt das Design.

Anlage 3 zu § 1 Abs. 3 ZVFV a. F.

Sofern die Möglichkeit, eine elektronische Kostenmarke zu nutzen, im Formular Berücksichtigung findet, ist dies begrüßenswert.

Dass ein Feld zur Angabe der SAFE-ID des Gläubigers bzw. von dessen gesetzlichen Vertreter oder Bevollmächtigten vorgesehen ist, ist ebenfalls begrüßenswert.

Der Zustellungsnachweis und die Forderungsaufstellung können als elektronisches Dokument übermittelt werden.

Das Bundesministerium der Justiz kann nach der Begründung der Verordnung Ausfüllhinweise zu den Formularen auf seiner Webseite bereitstellen, sofern und soweit dies zweckmäßig erscheint. Nach hiesiger Auffassung wäre dies sinnvoll.

Anlage 3 zu § 1 Abs. 3 enthält ab S. 26 bis 33 ebenfalls einen Vordruck des Beschlusses des Vollstreckungsgerichts. Da § 829 Abs. 4 S. 2 ZPO nur für den Antrag gilt, ist das Gericht nicht verpflichtet, den im Antragsformular enthaltenen Beschlussentwurf und die grau hinterlegten Rahmen zu nutzen. Auffällig ist, dass der Beschluss keine Freitextfelder enthält. Auch Rechtspfleger sind sachlich unabhängig. Auch wenn der Rechtspfleger die Möglichkeit hat, von der Verwendung des Formulars abzusehen, wäre es durch eine geringe Anpassung leicht, ihm auch bei Verwendung des Formulars die Möglichkeit zu geben, den Tenor frei zu formulieren.

In Bezug auf die Anbringung einer einfachen Signatur und der nur in Papierform nötigen (eigenhändigen) Unterschrift des Richters überzeugt das Design.

Anlage 4 zu § 1 Absatz 4 Nummer 1 ZVFV a. F.

Unter beizutreibende Kosten der Zwangsvollstreckung wurde § 13e RDG aufgenommen.

Anlage 5 zu § 1 Absatz 4 Nummer 2 ZVFV a. F.

Unter beizutreibende Kosten der Zwangsvollstreckung wurde § 13e RDG aufgenommen.

Es ist begrüßenswert, dass die Nutzung der Formulare flexibilisiert wird, indem einzelne Formularbestandteile mehrfach genutzt oder weggelassen werden können.

Darüber hinaus sieht die Verordnung Änderungen der Formulare der Beratungshilfeformularverordnung vor.

In dem Antragsformular in Anlage 2 zur Beratungshilfeformularverordnung heißt es aktuell noch: „Der Berechtigungsschein im Original oder der Antrag auf nachträgliche Bewilligung von Beratungshilfe ist beigefügt.“

Die unterbliebene Anpassung des Antragsformulars an die Verfahrensabläufe des Elek­tronischen Rechtsverkehrs steht der elektronischen Übermittlung des Antrags auf Vergütungsfestsetzung nicht entgegen (so zutreffend Saarländisches OLG v. 16.12.2019 – 9 W 30/19 – juris Rn. 11 – MDR 2020, 634; LG Osnabrück v. 24.01.2022 – 9 T 466/21 – juris Rn. 4; OLG Oldenburg (Oldenburg) v. 01.04.2022 – 12 W 25/22 – juris Rn. 11 ff.; AG Ludwigshafen v. 21.02.2022 – 2 UR II 82/20 – juris Rn. 2; Biallaß in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 1. Aufl., § 14 FamFG (Stand: 01.09.2020), Rn. 61). Wird der Vergütungsfestsetzungsantrag in elektronischer Form eingereicht, ist die Vorlage des Berechtigungsscheins im Original nicht erforderlich.

Ausweislich der Begründung der Verordnung verlangen jedoch zumindest einige Gerichte bei elektronisch eingereichten Abrechnungsanträgen eine Vorlage des Originals des Berechtigungsscheins und lassen die Übersendung eines elektronischen Dokuments nicht zur Glaubhaftmachung ausreichen.

Die Änderung dient vor allem dem Zweck, die elektronische Übermittlung des Formulars an das Gericht zu erleichtern, indem die Möglichkeit vorgesehen wird, das Vorliegen des Originals eines Berechtigungsscheins anwaltlich zu versichern. Mit der Änderung wird auf die divergierende Rechtsprechung reagiert. Sie ist ausdrücklich zu begrüßen.

Die Änderungen der Formulare der Verbraucherinsolvenzformularverordnung ist rein redaktionell und wegen ihrer klarstellenden Wirkung begrüßenswert.

Saarbrücken, 2. Juni 2022

Ziel des im Entwurf vorgelegten Gesetzes ist eine Änderung der Gewerbeordnung und des Bundezentralregistergesetzes – vornehmlich, um einen Austausch von Strafregisterinformationen auch mit dem Vereinigten Königreich als nunmehr Drittstaat zu ermöglichen. Zu beachten ist, dass mit § 5 Abs. 1 Nr. 8 und § 58a‑c BZRG Normen angepasst werden, die ohnehin erst zum 1. Oktober 2022 in Kraft treten. Die Änderungen sollen außerdem zukünftig natürlichen Personen einen weiteren Weg zur elektronischen Beantragung des Führungszeugnisses zur Verfügung stellen.

Mit der auf dem Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft einerseits und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland andererseits vom 24. Dezember 2020 (ABl. L 444 vom 31. Dezember 2020, S. 14) beruhenden Ergänzung der gesetzlichen Grundlagen wird dem Umstand Rechnung getragen, dass das Vereinigte Königreich nun für die EU Drittstaat ist und die speziell für EU-Mitgliedstaaten erlassenen Rechtsgrundlagen für ECRIS nicht mehr unmittelbar für das Vereinigte Königreich gelten. Dies ist zu begrüßen.

1.       Onlinezugangsgesetz (OZG)

Die angestrebten Änderungen sollen das BZRG und die GewO für die Digitalisierungsvorhaben des Bundes rüsten. Zudem soll zukünftig die digitale Beantragung des Führungszeugnisses auch über den Portalverbund ermöglicht werden. Dies ist ebenfalls zu begrüßen. Allerdings hätte parallel hierzu auch geprüft werden können, ob zusätzlich – wie im Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 5. Oktober 2021 (BGBl I 4607) für den elektronischen Rechtsverkehr vorgesehen – der Weg zum Bundeszentralregister über das besondere elektronische Bürger- und Organisationenpostfach hätte eröffnet werden können.

Saarbrücken, 9. Mai 2022

  1. Übergang zur elektronischen Gesetzesverkündung

Die Zielsetzung des Gesetzentwurfs, die bisherige Papierfassung des Bundesgesetzblatts zum 1. Januar 2023 durch eine amtliche elektronische Ausgabe des Bundesgesetzblatts zu ersetzen, ist zu begrüßen. Wie die Begründung des Gesetzentwurfs zu Recht ausführt, bietet die elektronische Verkündung gegenüber der papiergebundenen Verkündung weitreichende Vorteile. Sie beschleunigt den Ausgabeprozess, verbessert den Zugang zum Bundesgesetzblatt und spart Ressourcen. Die elektronische Verkündung wird heute in zahlreichen europäischen Staaten, in mehreren Ländern der Bundesrepublik Deutschland sowie auf der Ebene der Europäischen Union praktiziert. So sind in einigen Ländern (in Brandenburg[1] , in Bremen[2] , im Saarland[3] und in Hessen[4] ) elektronische Verkündungen in elektronischen Gesetzblättern verfassungsrechtlich vorgesehen. Auch auf der EU-Ebene ist seit dem 1. Juli 2013 die elektronische Ausgabe des Amtsblatts (e‑ABl) verbindlich[5]. Die Papierfassung hat dort keine Rechtsgültigkeit mehr — es sei denn, dass wegen einer unvorhergesehenen Störung der IT-Systeme kein Online-Amtsblatt veröffentlicht werden kann. Bemerkenswert ist, dass ohne Änderung des Wortlauts des für die Veröffentlichung der Gesetzgebungsakte maßgebenden Art. 297 AEUV durch Sekundärrecht die Umstellung vom offiziellen Papier-Amtsblatt auf das elektronische Amtsblatt vorgenommen wurde.

Der bisherige Weg der Papier-Verkündung ist zeitraubend: Zunächst erfolgt die Ausfertigung in Form der Unterzeichnung der Urschrift durch den Bundespräsidenten. Nach der Vervielfältigung durch die beauftragte Druckerei wird das Gesetz im Gesetzblatt verkündet. Als Verkündungstermin gilt der Zeitpunkt, zu dem das erste Stück der Nummer des Gesetzblattes in Verkehr gebracht wird. Gemäß der Rechtsprechung des BVerfG reicht die Auslieferung an einen einzelnen Bezieher aus. Demgegenüber wird in der Literatur mehrheitlich ein Versand an die Mehrheit der Bezieher (zumeist der Tag nach der Einlieferung bei der Post) als maßgeblich angesehen. Entsprechend wird in der Praxis als Ausgabedatum der auf die Einlieferung bei der Post folgende Tag auf dem Kopf des Gesetzblatts vermerkt. Im Falle der elektronischen Verkündung tritt dagegen als maßgeblicher Verkündungszeitpunkt der Tag der Freigabe des elektronischen Dokuments an die Stelle des Ausgabedatums. Damit kann die Zeit von der Ausfertigung bis zum maßgeblichen Verkündungszeitpunkt entscheidend verkürzt werden. Wartezeiten bis zur Anlieferung der Papier-Gesetzes- und Verordnungsblätter entfallen.

Schließlich ist die heutige maßgebliche Gesetzesverkündung in Papier mit einem Medienbruch verbunden, weil oft zur Arbeitserleichterung mit elektronischen Dateien gearbeitet wird, die dann in eine Papierfassung zur Verkündung umgewandelt werden müssten. Bei jedem Medienbruch besteht die Gefahr neuer Fehlerquellen. Die elektronische Verkündung schafft zusammen mit dem Projekt der Bundesregierung „Elektronisches Gesetzgebungsverfahren des Bundes (E‑Gesetzgebung)“ und mit dem Ziel, das Rechtsetzungsverfahren des Bundes auf eine neue IT-Grundlage zu stellen und einen durchgehenden digitalen Prozess innerhalb der Bundesregierung, zwischen der Bundesregierung, dem Deutschen Bundestag, dem Bundesrat, dem Vermittlungsausschuss und dem Bundespräsidialamt aufzubauen, die Möglichkeit, auf fehleranfällige Medienbrüche von der Erstellung eines Gesetzentwurfs bis zur Gesetzesdokumentation zu verzichten.

  1. Zumutbarkeit der Kenntnisnahme bei elektronischer Verkündung von Gesetzen

Innerhalb der Bundesregierung war bereits vor ca. 15 Jahren über die Einführung einer elektronischen Verkündung diskutiert worden. Es setzten sich damals allerdings die Bedenken durch, die auf Probleme hinwiesen, die für Bürgerinnen und Bürger entstehen könnten, die nicht über einen Internetanschluss verfügten. Dieses Argument war zwar schon damals kaum mehr überzeugend. Heute erscheint es eher unzumutbar, die Regelungsadressatinnen und ‑adressaten auf den Erwerb der Papierfassung des Bundesgesetzblatts zu verweisen, um sich vom Erlass und vom Inhalt der für sie geltenden Rechtsnormen und Bekanntmachungen verlässlich Kenntnis zu verschaffen. Eine große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger wie auch die Angehörigen der Rechtsberufe dürften den elektronischen Zugriff auf Gesetzestexte als schneller und bei der Einbindung von Suchmaschinen auch benutzerfreundlicher ansehen. Dementsprechend dürfte auch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung, die die zumutbare Kenntnismöglichkeit von den Rechtsnormen und Bekanntmachungen verlangt (vgl. BVerfGE 16, 6, 16 f. und 18; BVerfGE 40, 237, 252 f. und 255), eine Umstellung auf ein elektronisches Medium gebieten. Der Begründung des Referentenentwurfs, wonach die Umstellung auch für die Gruppe derjenigen, die das Internet bislang nicht nutzen, keine Erschwerung des Zugangs im Vergleich zum gedruckten Bundesgesetzblatt erzeuge, ist ebenfalls zuzustimmen. Außerdem wird es den Personen, die nicht über einen Internetzugang verfügen oder selbst keine Möglichkeit zum Ausdruck haben, ermöglicht, Ausdrucke von einzelnen Gesetzen, Verordnungen oder Bekanntmachungen oder andere Veröffentlichungen auf Papier zu erhalten.

  1. Erforderlichkeit einer Grundgesetzänderung

Zur Begründung dafür, dass ohne eine Grundgesetzänderung eine Umstellung auf eine elektronische Verkündung nicht in Betracht komme, wurde auf den Wortlaut des Art. 82 Abs. 1 GG verwiesen. Mit der Formulierung („im Bundesgesetzblatte verkündet“) könne nur eine Verkündung in Papier gemeint sein.

Diese Auslegung erscheint zwar nicht zwingend, weil bekanntlich auch die Interpretation von Verfassungsnormen den Wandel des soziokulturellen Umfelds berücksichtigen muss. So umfasst heute etwa der grundgesetzliche Begriff der „Versammlung“ auch neue Versammlungsformen (etwa Flashmobs), der Begriff der „Kunst“ auch nicht traditionelle Kunstformen, der Begriff der „Ehe“ auch die gleichgeschlechtliche Ehe, an die 1949 noch nicht gedacht war, der Begriff „Eigentum“ auch das geistige Eigentum – jeweils Fortentwicklungen. Es erscheint daher fraglich, weshalb der Begriff „Bundesgesetzblatt“ nicht auch zeitgemäß als elektronisches Gesetzblatt verstanden werden kann.

Nachvollziehbar ist jedoch, dass man bei verbleibenden Rechtsunsicherheiten über die Auslegungsmöglichkeiten des Begriffs „Bundesgesetzblatt“ nicht die Wirksamkeit der Gesetzesverkündungen beim Wechsel des Verkündungsmediums gefährden wollte. Insoweit verweist der Gesetzentwurf konsequent auf die Voraussetzung einer federführend vom Bundesministerium des Innern zu erarbeitenden Grundgesetzänderung durch die Einführung eines Regelungsvorbehalts in Art. 82 Abs. 1 GG betreffend die Gesetzesverkündung.

  1. Ein Verkündungsorgan für Gesetze und Verordnungen

Zu begrüßen ist auch, dass die Umstellung auf die elektronische Verkündung zum Anlass genommen wird, das Nebeneinander unterschiedlicher Verkündungsorgane für die Verkündung von Gesetzen und Verordnungen (teilweise im Bundesgesetzblatt, teilweise im Bundesanzeiger) zu beenden und eine einzige elektronische Verkündungsplattform für Gesetze und Verordnungen vorzusehen. Dies erleichtert die Auffindbarkeit einzelner verkündeter Normen durch die angebotene Suchfunktion im Ergebnis erheblich. Zu begrüßen ist ferner, dass zukünftig die Verkündung von Gesetzen und Rechtsverordnungen jeweils durch die Ausgabe einer Nummer des Bundesgesetzblatts erfolgen soll (§ 3 des Gesetzentwurfs). Auch dies erleichtert das Ermitteln und die Lesbarkeit der verkündeten Norm.

  1. Zugänglichkeit und Verwertbarkeit des Bundesgesetzblatts (strukturiertes Dokumentenformat) bzw. der Veröffentlichungen im Bundesanzeiger

Die Regelung in § 4 Abs. 1, wonach das Bundesgesetzblatt jederzeit frei zugänglich zu sein hat, ist ebenso zu begrüßen, wie die Anordnung, dass es unentgeltlich gelesen, ausgedruckt, gespeichert und verwertet werden kann. Insbesondere die Verwertung war beim PDF-Abbild der Papierfassung in der Vergangenheit nicht gewährleistet. Nunmehr soll auch eine freie übergreifende Recherche und Kopierbarkeit gewährleistet sein.

Der Übergang zur elektronischen Gesetzesverkündung bietet allerdings Chancen, die über das im vorliegenden Entwurf Geregelte hinausgehen. Bislang werden elektronische Dokumente, insbesondere auch die Online-Ausgabe des Bundesgesetzblatts, in der Regel als PDF-Dokumente zur Verfügung gestellt. Dem Entwurf ist keine Änderung dieses Vorgehens zu entnehmen.

Aus technischer Sicht gibt es allerdings nur wenige Argumente für diese Form der Bereitstellung. Wir schlagen daher vor, – zumindest neben dem PDF-Dokument – ein strukturiertes Format (auf Basis von XML) für die Gesetzesverkündung und für Bekanntmachungen vorzusehen, das eine automatische Weiterverarbeitung erheblich vereinfachen würde. Insbesondere können vorhandene Software-Werkzeuge für XML-Dokumente eingesetzt werden. Ein Verlust ist damit nicht verbunden, denn die vollautomatische Generierung anderer gängiger Formate (wie PDF, HTML, ePub) ist einfach möglich – in umgekehrter Richtung gilt das nicht.

PDF-Dokumente sind für eine bestimmte Darstellungsform optimiert, beispielsweise den Ausdruck im Format DIN A4; der heute üblichen Bandbreite an Endgeräten von Smartphone-Bildschirmen über eBook-Reader bis hin zu Breitbild-Monitoren wird dies nicht gerecht. Mindestanforderungen an die Barrierefreiheit können durch entsprechende PDF-Versionen erreicht werden, doch die Festlegung auf eine bestimmte optische Darstellung ohne automatisiert verarbeitbare Strukturinformation erschwert es, eine maßgeschneiderte Ansicht für Menschen mit sehr unterschiedlich ausgeprägten Sehbehinderungen zu erstellen. XML-Dokumente hingegen sind an keine bestimmte Darstellung gebunden, bringen aber die notwendige Strukturinformation mit.

Auch andere Prozesse zur Erstellung und Erschließung von Gesetzen werden durch ein strukturiertes Format erleichtert. Synopsen können automatisch erstellt, Verweise auf andere Rechtsnormen mit geringer Fehleranfälligkeit auch als „klickbare“ Links umgesetzt und automatisiert überprüft werden. Wird das strukturierte Format auch bereits im Gesetzgebungsverfahren eingesetzt, ist eine automatische Umsetzung von Änderungsanweisungen in den neuen Gesetzestext (und umgekehrt) mittels sehr einfacher Softwarewerkzeuge möglich.

Ohnehin werden Bundesgesetze auf https://www.gesetze-im-internet.de bereits in einem XML-Format zur Verfügung gestellt. Die maßgebliche Fassung in einem strukturierten Format zu verkünden hätte Signalwirkung und würde auch einen verlässlichen Ausgangspunkt für die Ableitung aller weiteren Darstellungsformen beitragen.

Ob die Umsetzung dieses Vorschlags unmittelbar mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Verkündungs- und Bekanntmachungswesens möglich ist oder aufgrund notwendiger Abstimmungen erst nach einer Übergangsfrist erfolgen kann, können wir nicht einschätzen. Jedenfalls ist die Zeit für eine entsprechende gesetzliche Verankerung reif. Dann könnte wie folgt formuliert werden: „Die Veröffentlichung erfolgt in zumindest einem gängigen maschinenlesbaren, automatisiert auswert- und verarbeitbaren strukturierten Dateiformat. Einzelheiten werden durch Rechtsverordnung geregelt“.

Sollte ein strukturiertes Format für die Gesetzesverkündung nicht unmittelbar vorgesehen werden, möchten wir anregen, Mindestanforderungen an die Barrierefreiheit und Weiterverarbeitbarkeit konkret im Gesetz zu verankern.

§ 4 Abs. 2 sieht für die Veröffentlichungen im amtlichen Teil des Bundesanzeigers keine freie „Verwertbarkeit“ vor. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren sollte geprüft werden, ob auch die amtlichen Bekanntmachungen im Bundesanzeiger wie die Gesetze für eine freie Verwertung geöffnet werden können.

  1. Einsatz des qualifizierten elektronischen Siegels

Zu begrüßen ist auch, dass nunmehr von der durch die eIDAS-Verordnung eingeführten Möglichkeit eines qualifizierten elektronischen Siegels Gebrauch gemacht werden soll. Bisher waren die im deutschen Recht vorgesehenen Einsatzfelder des elektronischen Siegels begrenzt. So müssen nach dem Gesetzesvorschlag nunmehr zur Gewährleistung der Authentizität und der Integrität des Bundesgesetzblatts jede nach § 3 Absatz 1 oder nach § 8 Absatz 1 ausgegebene Nummer mit einem qualifizierten elektronischen Siegel versehen werden, um den Nutzerinnen und Nutzern die Möglichkeit zu verschaffen, zuverlässig zu erkennen, dass das Dokument tatsächlich von der amtlichen Verkündungsstelle erstellt wurde und unverfälscht ist. Auch die Bekanntmachungen im amtlichen Teil des Bundesanzeigers müssen zukünftig mit einem qualifizierten elektronischen Siegel versehen werden, um Authentizität und Integrität ihrer Inhalte zu gewährleisten. Dieses zusätzliche Sicherungsinstrumentarium, das bisher fehlte, wird zu Recht nun eingeführt und es bietet einen zusätzlichen Schutz gegen Manipulationen und Verfälschungen. Genau zu diesem Zweck wurde das qualifizierte elektronische Siegel auch durch die europäische Verordnung vorgesehen.

  1. Änderungsverbot

Das in § 6 geregelte Änderungsverbot des Bundesgesetzblatts und des Bundesanzeigers entspricht dem bisherigen Recht. Neu ist die in § 6 Abs. 2 vorgesehene Möglichkeit, personenbezogene Daten aus Gründen ihres Schutzes im Bundesgesetzblatt unkenntlich zu machen und einen Hinweis auf Datum und Grund der Löschung anzubringen. Im Gegensatz zur nachträglichen Veränderung von Veröffentlichungen im Bundesanzeiger ist jedoch eine nachträgliche Veränderung von Gesetzesverkündungen neu und schwerwiegend. Sie verändert damit die Rechtslage – auch wenn die Gesetzesbegründung dies verneint. Deshalb bedarf es für diese Möglichkeit einer stärkeren Begründung und Beschreibung, an welche Fallgestaltung bei der in § 6 Abs. 2 vorgesehenen Veränderungsmöglichkeit gedacht ist. In jedem Fall muss zudem eine Archivierung auch der ursprünglichen Version der Gesetzesverkündung sichergestellt sein. Beides ergibt sich bisher nicht aus der Begründung. Hierüber sollte im weiteren Gesetzgebungsverfahren Klarheit geschaffen werden.

  1. Verfügbarkeit

Die Regelungen im 2. Abschnitt des Referentenentwurfs zu Verkündungen und Bekanntmachungen in besonderen Fällen (insbesondere Ersatzverkündungen und Ersatzbekanntmachungen) sind plausibel und daher zu begrüßen. In § 8 Abs. 2 Satz 2 sollten jedoch neben den Bibliotheken und Behörden auch die Gerichte erwähnt werden. Es fehlt allerdings eine Regelung für die anzustrebende Verfügbarkeit im Normalfall. In der Privatwirtschaft werden in sog. Service Level Agreements für Dienstleistungen wie die Bereitstellung von Websites entsprechende Verfügbarkeiten (z.B. 99,9% im Jahresmittel) sowie Zeitfenster für geplante Wartungsarbeiten oft konkret festgelegt. Die Vorgabe eines entsprechenden Ziels für die elektronische Verkündung bzw. Bekanntmachung wäre der Bedeutung des Vorhabens angemessen und könnte zumindest als Richtschnur dienen – selbst wenn konkrete Rechtsfolgen bei einer Verletzung der Vorgabe ausbleiben. Die vorgesehenen Regelungen zur dauerhaften Aufbewahrung und Sicherung des Beweiswertes (§§17 und 18) sind zu begrüßen, da sie auch dem Standard ähnlicher Regelungen auf Landesebene entsprechen und die langfristige Sicherheit und Lesbarkeit der verkündeten Normen sicherstellen.

[1] Art.81 Abs. 4 BbgVerf.

[2] Art. 123 Abs 4 BremVerf.

[3] Art. 102 Satz 2 SLVerf.

[4] Art. 120 Satz 2 Verfassung des Landes Hessen

[5] Art. 297 AEUV. Verordnung (EU) Nr. 216/2013; siehe Veröffentlichung auf https://eur-lex.europa.eu/oj/all/auth-direct-access.html, abgerufen am 25. April 2022: „Ab dem 1. Juli 2013 ist die elektronische Ausgabe des Amtsblatts (e‑ABl.) verbindlich.“

Saarbrücken, 7. April 2022

Das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) vom 5. Juli 2021 (BGBl. I S. 3338), welches größtenteils am 1. August 2022 in Kraft tritt, setzt die zwingenden Vorgaben der Richtlinie (EU) 2019/1151 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht (ABl. L 186 vom 11.7.2019, S. 80) bereits vollständig um. Die mit dem DiRuG vorgenommene Änderung des § 12 Absatz 1 Satz 2 HGB lässt notarielle Online-Beglaubigungen von Handelsregisteranmeldungen durch Einzelkaufleute, für Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, für Zweigniederlassungen der vorgenannten Gesellschaften sowie Zweigniederlassungen von Kapitalgesellschaften, die dem Recht eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum unterliegen, zu.

Mit dem nun vorgelegten BMJ- Referentenentwurf eines Gesetzes zur Ergänzung der Regelungen zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie soll die Beschränkung des Anwendungsbereiches des § 12 Absatz 1 Satz 2 HGB auf bestimmte Rechtsträger aufgehoben werden. Damit kann das Erfordernis, persönlich beim Notar zu erscheinen, bei Handelsregisteranmeldungen durch und für sämtliche Rechtsträger in Zukunft vermieden und eine Online-Beglaubigung ermöglicht werden. Anmeldungen zum Partnerschafts‑, Genossenschafts- und Vereinsregister sollen zukünftig ebenfalls online beglaubigt werden können. Dies ist zu begrüßen, da die vorgesehenen digitalen Instrumentarien für eine Online-Beglaubigung den Beteiligten das persönliche Aufsuchen des Notars ersparen, was nicht nur in Pandemiezeiten unter Infektionsschutzgründen hilfreich erscheint, sondern auch den zeitlichen Aufwand zum Aufsuchen des Notars/der Notarin entfallen lässt.

Ferner ist eine Ausweitung des notariellen Verfahrens der Online-Beurkundung auf weitere beurkundungspflichtige Gegenstände des GmbH-Rechts vorgesehen (einstimmig gefasste satzungsändernde Beschlüsse sowie GmbH-Sachgründungen und Gründungsvollmachten). Bereits durch das DiRUG wurde mit § 78p BNotO festgelegt, dass die Beurkundung mittels Videokommunikation ausschließlich über das Videokommunikationssystem der Bundesnotarkammer erfolgen darf. Insoweit verweist die Begründung des Referentenentwurfs darauf, dass die Bundesnotarkammer das Videokommunikationssystem in Erfüllung ihrer Aufgaben als Körperschaft des öffentlichen Rechts im Wege der mittelbaren Staatsverwaltung betreibt. Eine Beurkundung im Online-Verfahren über andere, von privaten Dritten zur Verfügung gestellten Videokommunikationssystemen sei aufgrund des hoheitlichen Charakters des Beurkundungsverfahrens nicht zulässig. Dieser Argumentation ist zuzustimmen, da privatwirtschaftlich betriebene Videokonferenzsysteme derzeit noch nur schwer beantwortbare Fragen auch im Hinblick auf die Einhaltung der erforderlichen Datenschutzregeln und zur IT-Sicherheit aufwerfen, insbesondere, wenn Datenströme über Drittländer im Sinne der Datenschutzgrundverordnung geleitet werden.

Die Ausweitung der Möglichkeiten der Online-Beurkundung auf weitere Sachverhalte hat zur Folge, dass die Regelungen der §§ 16a BeurkG (in der Fassung des DiRUG) mit den vorgeschriebenen hohen Standards für die Identifizierung ebenfalls anwendbar sind, insbesondere die persönliche Identifizierung durch den Notar mittels Lichtbildauslesung, das Sicherheitsniveau „hoch“ im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 73; eIDAS-Verordnung) und der Unterschriftenersatz durch eine dauerhaft prüfbare qualifizierte elektronische Signatur.

Zu begrüßen ist, dass zukünftig infolge der im Referentenentwurf vorgesehenen Gesetzesänderung auch etwaige von anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ausgestellte elektronische Identifizierungsmittel verwendet werden können. Wie bei den von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ausgestellten elektronischen Identifizierungsmitteln gilt, dass sie ebenfalls für die Zwecke der grenzüberschreitenden Authentifizierung nach Artikel 6 der eIDAS-Verordnung anerkannt sein und dem Vertrauensniveau „hoch“ im Sinne des Artikels 8 Absatz 2 Buchstabe c der eIDAS-Verordnung entsprechen müssen. Die Einbeziehung solcher Identifizierungsmittel ist sinnvoll, weil sie die Möglichkeiten der Online-Einbindung von Notaren erweitert und gleichzeitig das wünschenswerte Sicherheitsniveau wahrt. Zu wünschen wäre, dass es gelingen möge, zukünftig auch elektronische Identifizierungsmittel von Drittstaaten außerhalb der EU und des EWR auf dem vorgeschriebenen Niveau der eIDAS-Verordnung anerkennen zu können, um so auch Angehörigen aus Drittstaaten eine Remote-Gründung einer Gesellschaft zu erlauben.

Sollten die elektronischen Identifizierungsinstrumente nicht die aus der Sicht des Notars erforderliche Sicherheit gewährleisten, soll dieser die Beurkundung mittels Videokommunikation ablehnen, wenn er die Erfüllung seiner Amtspflichten auf diese Weise nicht gewährleisten kann, insbesondere wenn er sich auf diese Weise keine Gewissheit über die Person eines Beteiligten verschaffen kann oder er Zweifel an der erforderlichen Rechtsfähigkeit oder Geschäftsfähigkeit eines Beteiligten hat (§ 16a Absatz 2 BeurkG). Diese Regelungen gewährleisten das in Angelegenheiten der notariellen Beurkundung erforderliche Maß an Rechtssicherheit.

Die Differenzierung bei den Bestimmungen über das Inkrafttreten ist nachvollziehbar; es ist sinnvoll, teilweise das zeitgleiche Inkrafttreten mit dem DiRUG (also zum 1. August 2022) vorzusehen, teilweise (insbesondere, wenn entsprechende technische Vorbereitungen zeitlichen Aufwand erzeugen) das Inkrafttreten auf den 1. August 2023 zu verschieben.

Der EDVGT nimmt nicht Stellung zu der Frage, ob der Gesetzgeber der deutschen Rechtstradition entsprechend weiterhin die Notare in die Anmeldungen zu den Registern einbinden sollte und damit auf die Möglichkeit einer – mit sicheren informationstechnologischen Instrumenten auch vorstellbaren – unmittelbaren elektronischen Anmeldung durch die Gesellschafter (wie in einigen EU-Mitgliedstaaten üblich) weiterhin verzichten sollte. Bereits die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (BT-Drs. 19/28177) hatte insoweit auf die „Wahrung der etablierten Grundsätze und Prinzipien des deutschen Handels- und Gesellschaftsrechts“ hingewiesen und die Wahrung der „Funktionsfähigkeit und Verlässlichkeit der Handels‑, Genossenschafts- und Partnerschaftsregister“ sowie die Rolle der Notarinnen und Notare für den Rechts- und Geschäftsverkehr betont. Solange die Einbindung der Notarinnen und Notare eine rein digitale Anmeldung nicht blockiert, ist den vom EDVGT einzubringenden Belangen Rechnung getragen. Die durch das DiRUG gewählte und durch den Referentenentwurf fortgeschriebene digitale Einbindung der Notare gewährleistet jedenfalls, dass die Warn- und Beweisfunktionen der bestehenden (analogen) Formerfordernisse auch digital erfüllt werden können. Ferner wird nicht zur Frage Stellung genommen, ob es sinnvoll wäre, bei einer digitalen Beglaubigung bzw. Beurkundung via Videokommunikationssystem von der Einschränkung abzusehen, wonach ein Notar tätig werden muss, in dessen Amtsbereich sich der künftige Gesellschaftssitz oder der (Wohn-) Sitz eines Gesellschafters befindet. Die Gründe für die Beibehaltung der Zuständigkeitsregelungen basieren nicht auf Erwägungen zum Einsatz der digitalen Technologien.

Das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) vom 5. Juli 2021 (BGBl. I S. 3338), welches größtenteils am 1. August 2022 in Kraft tritt, setzt die zwingenden Vorgaben der Richtlinie (EU) 2019/1151 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht (ABl. L 186 vom 11.7.2019, S. 80) bereits vollständig um. Die mit dem DiRuG vorgenommene Änderung des § 12 Absatz 1 Satz 2 HGB lässt notarielle Online-Beglaubigungen von Handelsregisteranmeldungen durch Einzelkaufleute, für Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, für Zweigniederlassungen der vorgenannten Gesellschaften sowie Zweigniederlassungen von Kapitalgesellschaften, die dem Recht eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum unterliegen, zu.

Mit dem nun vorgelegten BMJ- Referentenentwurf eines Gesetzes zur Ergänzung der Regelungen zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie soll die Beschränkung des Anwendungsbereiches des § 12 Absatz 1 Satz 2 HGB auf bestimmte Rechtsträger aufgehoben werden. Damit kann das Erfordernis, persönlich beim Notar zu erscheinen, bei Handelsregisteranmeldungen durch und für sämtliche Rechtsträger in Zukunft vermieden und eine Online-Beglaubigung ermöglicht werden. Anmeldungen zum Partnerschafts‑, Genossenschafts- und Vereinsregister sollen zukünftig ebenfalls online beglaubigt werden können. Dies ist zu begrüßen, da die vorgesehenen digitalen Instrumentarien für eine Online-Beglaubigung den Beteiligten das persönliche Aufsuchen des Notars ersparen, was nicht nur in Pandemiezeiten unter Infektionsschutzgründen hilfreich erscheint, sondern auch den zeitlichen Aufwand zum Aufsuchen des Notars/der Notarin entfallen lässt.

Ferner ist eine Ausweitung des notariellen Verfahrens der Online-Beurkundung auf weitere beurkundungspflichtige Gegenstände des GmbH-Rechts vorgesehen (einstimmig gefasste satzungsändernde Beschlüsse sowie GmbH-Sachgründungen und Gründungsvollmachten). Bereits durch das DiRUG wurde mit § 78p BNotO festgelegt, dass die Beurkundung mittels Videokommunikation ausschließlich über das Videokommunikationssystem der Bundesnotarkammer erfolgen darf. Insoweit verweist die Begründung des Referentenentwurfs darauf, dass die Bundesnotarkammer das Videokommunikationssystem in Erfüllung ihrer Aufgaben als Körperschaft des öffentlichen Rechts im Wege der mittelbaren Staatsverwaltung betreibt. Eine Beurkundung im Online-Verfahren über andere, von privaten Dritten zur Verfügung gestellten Videokommunikationssystemen sei aufgrund des hoheitlichen Charakters des Beurkundungsverfahrens nicht zulässig. Dieser Argumentation ist zuzustimmen, da privatwirtschaftlich betriebene Videokonferenzsysteme derzeit noch nur schwer beantwortbare Fragen auch im Hinblick auf die Einhaltung der erforderlichen Datenschutzregeln und zur IT-Sicherheit aufwerfen, insbesondere, wenn Datenströme über Drittländer im Sinne der Datenschutzgrundverordnung geleitet werden.

Die Ausweitung der Möglichkeiten der Online-Beurkundung auf weitere Sachverhalte hat zur Folge, dass die Regelungen der §§ 16a BeurkG (in der Fassung des DiRUG) mit den vorgeschriebenen hohen Standards für die Identifizierung ebenfalls anwendbar sind, insbesondere die persönliche Identifizierung durch den Notar mittels Lichtbildauslesung, das Sicherheitsniveau „hoch“ im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 73; eIDAS-Verordnung) und der Unterschriftenersatz durch eine dauerhaft prüfbare qualifizierte elektronische Signatur.

Zu begrüßen ist, dass zukünftig infolge der im Referentenentwurf vorgesehenen Gesetzesänderung auch etwaige von anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ausgestellte elektronische Identifizierungsmittel verwendet werden können. Wie bei den von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ausgestellten elektronischen Identifizierungsmitteln gilt, dass sie ebenfalls für die Zwecke der grenzüberschreitenden Authentifizierung nach Artikel 6 der eIDAS-Verordnung anerkannt sein und dem Vertrauensniveau „hoch“ im Sinne des Artikels 8 Absatz 2 Buchstabe c der eIDAS-Verordnung entsprechen müssen. Die Einbeziehung solcher Identifizierungsmittel ist sinnvoll, weil sie die Möglichkeiten der Online-Einbindung von Notaren erweitert und gleichzeitig das wünschenswerte Sicherheitsniveau wahrt. Zu wünschen wäre, dass es gelingen möge, zukünftig auch elektronische Identifizierungsmittel von Drittstaaten außerhalb der EU und des EWR auf dem vorgeschriebenen Niveau der eIDAS-Verordnung anerkennen zu können, um so auch Angehörigen aus Drittstaaten eine Remote-Gründung einer Gesellschaft zu erlauben.

Sollten die elektronischen Identifizierungsinstrumente nicht die aus der Sicht des Notars erforderliche Sicherheit gewährleisten, soll dieser die Beurkundung mittels Videokommunikation ablehnen, wenn er die Erfüllung seiner Amtspflichten auf diese Weise nicht gewährleisten kann, insbesondere wenn er sich auf diese Weise keine Gewissheit über die Person eines Beteiligten verschaffen kann oder er Zweifel an der erforderlichen Rechtsfähigkeit oder Geschäftsfähigkeit eines Beteiligten hat (§ 16a Absatz 2 BeurkG). Diese Regelungen gewährleisten das in Angelegenheiten der notariellen Beurkundung erforderliche Maß an Rechtssicherheit.

Die Differenzierung bei den Bestimmungen über das Inkrafttreten ist nachvollziehbar; es ist sinnvoll, teilweise das zeitgleiche Inkrafttreten mit dem DiRUG (also zum 1. August 2022) vorzusehen, teilweise (insbesondere, wenn entsprechende technische Vorbereitungen zeitlichen Aufwand erzeugen) das Inkrafttreten auf den 1. August 2023 zu verschieben.

Der EDVGT nimmt nicht Stellung zu der Frage, ob der Gesetzgeber der deutschen Rechtstradition entsprechend weiterhin die Notare in die Anmeldungen zu den Registern einbinden sollte und damit auf die Möglichkeit einer – mit sicheren informationstechnologischen Instrumenten auch vorstellbaren – unmittelbaren elektronischen Anmeldung durch die Gesellschafter (wie in einigen EU-Mitgliedstaaten üblich) weiterhin verzichten sollte. Bereits die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (BT-Drs. 19/28177) hatte insoweit auf die „Wahrung der etablierten Grundsätze und Prinzipien des deutschen Handels- und Gesellschaftsrechts“ hingewiesen und die Wahrung der „Funktionsfähigkeit und Verlässlichkeit der Handels‑, Genossenschafts- und Partnerschaftsregister“ sowie die Rolle der Notarinnen und Notare für den Rechts- und Geschäftsverkehr betont. Solange die Einbindung der Notarinnen und Notare eine rein digitale Anmeldung nicht blockiert, ist den vom EDVGT einzubringenden Belangen Rechnung getragen. Die durch das DiRUG gewählte und durch den Referentenentwurf fortgeschriebene digitale Einbindung der Notare gewährleistet jedenfalls, dass die Warn- und Beweisfunktionen der bestehenden (analogen) Formerfordernisse auch digital erfüllt werden können. Ferner wird nicht zur Frage Stellung genommen, ob es sinnvoll wäre, bei einer digitalen Beglaubigung bzw. Beurkundung via Videokommunikationssystem von der Einschränkung abzusehen, wonach ein Notar tätig werden muss, in dessen Amtsbereich sich der künftige Gesellschaftssitz oder der (Wohn-) Sitz eines Gesellschafters befindet. Die Gründe für die Beibehaltung der Zuständigkeitsregelungen basieren nicht auf Erwägungen zum Einsatz der digitalen Technologien.

Saarbrücken, 10. Februar 2022

Der Entwurf dient unter anderem der Umsetzung der Verordnung (EU) 220/1783 vom 25.11.2020 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen (Beweisaufnahme), ABl. L 405/1 sowie der Verordnung (EU) vom 25.11.2020 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten, ABl. L 405/40. Dabei handelt es sich in beiden Fällen nicht um eine umfassende Neuregelung, sondern um eine Neufassung früherer Vorschriften.

Der in Art. 3 der Beweisaufnahme-Verordnung vorgesehene unmittelbare Geschäftsverkehr zwischen Gerichten war bereits durch die Vorgängerverordnung eröffnet. Art. 7 sieht die Übermittlung von Ersuchen und sonstigen Mitteilungen nach der Verordnung über ein sicheres und zuverlässiges dezentrales IT-System vor, das auf einer Interoperabilitätslösung wie z.B. e‑CODEX zu beruhen habe. Dies gründet auf Art. 5 der EU-Zustellungs-Verordnung, der nach Art. 37 Abs. 2 dieser Verordnung voraussichtlich erst Ende 2024 oder Anfang 2025 in Kraft treten wird, weil es zum einen einer technischen Umsetzung eines solchen Systems und eines weiteren Durchführungsrechtsakts der Kommission bedarf.

In diesem Kontext ist auf die beabsichtigte Neuregelung des § 1068 ZPO hinzuweisen, nach der an Adressaten in der Bundesrepublik Deutschland gerichtliche Schriftstücke nach Art. 19 der Zustellungsverordnung in einem gerichtlichen Verfahren nur nach ausdrücklicher Zustimmung elektronisch zugestellt werden dürfen, wenn die Zustellung mittels eines qualifizierten Dienstes für die Zustellung elektronischer Einschreiben im Sinne des Europarechts erfolgt. Die Variante des Art. 19 Abs. 1b der Zustellungs-Verordnung, nach der Schriftstücke im gerichtlichen Verfahren mit vorheriger Zustimmung der Partei auch per E‑Mail gegen Empfangsbestätigung zugestellt werden könnten, schließt die vorgesehene Gesetzesbegründung unter Hinweis auf die Formanforderungen des deutschen Rechts für wirksame elektronische Dokumente aus. Da inzwischen die Anmeldung zu dem bei dem Bundesamt für Justiz geführten Klageregister für Musterfeststellungsklagen per einfacher E‑Mail mit einem vorgegebenen Formular möglich ist, könnte die Regelung des Art. 19 Abs. 1b der EU-Zustellungsverordnung Anlass geben, die höchst strengen deutschen Voraussetzungen für wirksame elektronische Antragstellung und formgerechten elektronischen Rechtsverkehr partiell oder in toto zu überdenken.

Auch die unmittelbare Beweisaufnahme, insbesondere die Vernehmung von Zeugen, durch das ersuchende Gericht war in Art. 19 der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 vom 28.05.2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen, ABl. L 174 vom 27.06.2001, S. 1 bereits vorgesehen. Die Neufassung der Verordnung lässt nun in Art. 20 ausdrücklich die unmittelbare Beweisaufnahme per Videokonferenz oder mittels anderer Fernkommunikationstechnologie zu. Wie Art. 17 Abs. 4 der Verordnung vom 27.06.2001 zu entnehmen ist, war die Videokonferenz bereits damals Gegenstand der Erwähnung und wird nun ausdrücklich in den Kontext der unmittelbaren Beweisaufnahme gestellt.

Dies setzt der Regierungsentwurf zu § 1070 ZPO unter Nr. 13 um, was zu begrüßen ist. Dies geschieht allerdings in der bekannten Technik einer Verweisung auf die EU-Verordnung, was der praxiswichtigen Lesbarkeit und Verständlichkeit der ZPO-Vorschrift nicht förderlich ist. Zudem wird auf die Notwendigkeit eines förmlichen Rechtshilfeersuchens zur Durchführung einer unmittelbaren Beweisaufnahme nicht verzichtet, was ebenfalls auf die EU-Verordnung und deren Regelungen zurückgeht. Ob das Erfordernis eines Rechtshilfeersuchens unter dem Blickwinkel einer weit vorangeschrittenen europäischen Vereinigung noch zeitgemäß ist, hat bei der Stellungnahme zu dem Entwurf eines deutschen Umsetzungsgesetzes dahin zu stehen.

Saarbrücken, 23. Februar 2021: Der Deutsche EDV-Gerichtstag e.V. (EDVGT) dankt dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz für die Möglichkeit, zur Formulierungshilfe des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz für den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches — Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen sogenannte Feindeslisten Stellung nehmen zu dürfen.

Der Deutsche EDV-Gerichtstag begrüßt die Intention des Gesetzentwurfes, den strafrechtlichen Schutz vor sogenannten Feindeslisten zu verbessern. Aus der strafrechtlichen Praxis ist bekannt, dass solche Listen Betroffene einschüchtern und die Bevölkerung insgesamt nachhaltig verunsichern können. „Feindeslisten” gefährden den öffentlichen Diskurs und die demokratische Meinungsbildung, da sie sich oftmals gegen demokratisch engagierte und besonders exponierte Personen oder Gruppen richten.

Der Deutsche EDV-Gerichtstag hält es jedoch für fraglich, ob § 126a StGB‑E in der vorgeschlagenen Fassung einen effektiven, jenseits rechtspolitischer Symbolik einzuordnenden Beitrag zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes zu leisten vermag. Voraussetzung der Strafbarkeit soll die konkrete und vorsatzumfasste Eignung der Inhaltsverbreitung zu einer Gefährdung betroffener Personen sein. Als wesentliche Umstände, die eine konkrete Gefährdungseignung bei Veröffentlichungen im Internet nahelegen, kommen nach der Entwurfsbegründung insbesondere die Anonymität des Verfassers, eine extremistische Ausrichtung der Internetseite, auf der die Daten veröffentlicht werden oder die Zuordnung der Veröffentlichung zu einer Gruppierung aus dem extremistischen Spektrum oder zu verfassungswidrigen Organisationen, ferner das Vorliegen militanter Bezüge oder der Bezug zu Straftaten im Kontext der Veröffentlichung in Betracht.

Diese Bezugspunkte erscheinen aus kriminalpraktischer Sicht kaum geeignet, Verurteilungen in Bezug auf Online-Sachverhalte in nennenswerter Zahl zu tragen. Denn die unter Strafe gestellte Art und Qualität der Verbreitungshandlung dürfte kaum mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit beweisbar sein. So ist die Anonymität des Verfassers eines Online-Postings regelmäßig strafrechtlich unspezifisch und vielfach charakteristisch für den online geführten (legalen) Diskurs. Feindeslisten entfalten ihre Wirkung insbesondere dann, wenn sie in üblichen Medien mit hoher Reichweite — etwa über „soziale” Medien — veröffentlicht werden. Veröffentlichungen auf Internetseiten, die dem extremistischen Spektrum unterfallen, dürften mit Blick auf den durch die Urheber in den Blick genommenen Adressatenkreis regelmäßig nicht vornehmlich der Fallgruppe öffentlicher Einschüchterung, sondern vielmehr einer konkreten Aufforderung zur Begehung von Straftaten zuzurechnen sein. Die Zuordnung zu einem konkreten Urheberkontext wird in der pseudonymisierten Wirklichkeit des Internet kaum hinreichend trennscharf gelingen.

Unklar bleibt der Entwurf auch in dem Verhältnis des § 126a StGB‑E zu § 241 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität vom 18.6.2020. Es bleibt abzuwarten, ob durch die erweiterten tatbestandlichen Voraussetzungen der Bedrohung auch dem Phänomen der sogenannten Feindeslisten wirksam begegnet werden kann. Im Hinblick auf die erwartbar untergeordnete praktische Bedeutung von § 126a StGB‑E dürfte es sich daher empfehlen, zunächst eine Evaluation der Wirksamkeit des Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität abzuwarten.

Saarbrücken, 5. Februar 2021: Der Deutsche EDV-Gerichtstag e.V. (EDVGT) dankt dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz für die Möglichkeit, zu dem Referentenentwurf einer Verordnung über den Zeitpunkt der Einführung der elektronischen Aktenführung in Bußgeldverfahren im Geschäftsbereich des Bundes (Bundes-E-Bußgeldakten-Einführungsverordnung – BEBußAktEV) Stellung nehmen zu dürfen.

Da der hierzu vorgestellte Entwurf weitestgehend wortgleich mit dem Entwurf einer Verordnung über den Zeitpunkt der Einführung der elektronischen Strafakte im Geschäftsbereich des Bundes (dortiges Aktenzeichen 4100/38–10-R5 160/20) ist, darf zur Vermeidung von Wiederholungen auf die hiesige – zu Ihrer Unterrichtung in Kopie beigefügte – Stellungnahme vom 28.09.2020 Bezug genommen werden.

Die Regelungen des hier vorgestellten Entwurfes begrüßt der Deutsche EDV-Gerichtstag e.V. ausdrücklich.

Saarbrücken, 12. Januar 2021: Der Deutsche EDV-Gerichtstag befasst sich dem Vereinszweck entsprechend unter anderem mit dem Einsatz der Informationstechnologie bei der Rechtsanwendung einschließlich der Auswirkungen auf die Rechtssetzung, die Rechtswissenschaft, die Gestaltung des Arbeitsplatzes und des organisatorischen Umfeldes. Regelmäßig stehen dabei auch Fragen der Gestaltung der Rechtssetzung im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Justiz in der Diskussion. 

Unter diesem Blickwinkel nehmen wir zu dem Gesetzentwurf Stellung.

Es ist zu begrüßen, dass die Bundesregierung den nicht vertretenen Parteien die Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr ermöglichen will. Insbesondere der elektronische Rückverkehr war bisher für diese fast nicht (mehr) möglich (von der kaum genutzten DE-Mail-Kommunikation abgesehen). Es bedarf dringend eines komfortabel nutzbaren elektronischen Weges. Ein solcher einfacher und leicht zu bedienender Zugang könnte die Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs bei den Amtsgerichten, den Arbeitsgerichten und den Sozialgerichten, wo besonders häufig Naturalparteien an Verfahren beteiligt sind, maßgeblich fördern. Ebenso ist zu begrüßen, dass die Einrichtung eines eBO-Postfachs auch Organisationen und vor allem Unternehmen jeglicher Art möglich sein soll.

Das Gesetz behält die bisherige Systematik des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und den Staatsanwaltschaften bei und erweitert die sicheren Übermittlungswege um das für allen natürlichen und juristischen Personen sowie rechtsfähige Personenvereinigungen besondere elektronische Bürger- und Organisationenpostfach (eBO) (§ 130a Absatz 4 Nummer 4 ZPO‑E; § 32a Absatz 4 Nr. 4 StPO‑E; § 46c Absatz 4 Nr. 4 ArbGG‑E; § 65a Absatz 4 Nr. 4 SGG‑E; § 55a Absatz 4 Nr. 4 VwGO‑E; § 52a Absatz 4 Nr. 4 FGO‑E) und unter bestimmten Bedingungen die Nutzer- beziehungsweise Organisationskonten, die nach dem Onlinezugangsgesetz (OZG) innerhalb eines Portalverbunds eingerichtet werden können (§ 130a Absatz 4 Nummer 5 ZPO‑E; § 32a Absatz 4 Nr. 5 StPO‑E; § 46c Absatz 4 Nr. 5 ArbGG‑E; § 65a Absatz 4 Nr. 5 SGG‑E; § 55a Absatz 4 Nr. 5 VwGO‑E; § 52a Absatz 4 Nr. 5 FGO‑E).

Bemerkenswert ist die Einschätzung bereits auf der ersten Seite des Entwurfes:

Sowohl die Nutzung qualifizierter elektronischer Signaturen als auch die Nutzung des De-Mail-Systems sind in der Praxis allerdings kaum verbreitet. Sie weisen zudem strukturelle Nachteile auf und sind für eine zukunftsweisende, umfassende elektronische Kommunikation nicht geeignet.

Zur Bewertung dieser Einschätzung siehe unten Seite 33.

Diese Erkenntnis macht den Weg frei, auch alternative Lösungen anzugehen, zumal weiterhin die Möglichkeit besteht, qualifiziert signierte Dokumente einzureichen.

Die Änderungen sollen noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden. Das Gesetz soll – mit Ausnahme der sonstigen Änderungen des Arbeitsgerichtsgesetzes – am ersten Tag des auf den dritten der Verkündung folgenden Monats in Kraft treten. Das bedeutet, dass sich die Landesjustizverwaltungen noch auf die technische und organisatorische Umsetzung der Neuregelungen im Laufe des zweiten Halbjahres 2021 vorbereiten müssen.

A.   Besonderes elektronisches Bürger- und Organisationenpostfach („eBO“) als Zugangskanal zur Justiz

Hiermit soll ein Zugangsweg geschaffen werden, um ohne qualifizierte elektronische Signaturen rechtsverbindlich elektronisch mit der Justiz zu kommunizieren. Die Überlegungen des Referentenentwurfes lehnen sich dabei an der Konstruktion des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) an.

Geregelt wird einmal die Einrichtung eines solchen besonderen elektronischen Bürger- und Organisationenpostfach „eBO“ (§§ 10, 11 ERVV‑E), zum anderen die Übermittlung elektronischer Dokumente über den sicheren Übermittlungsweg des eBO im neu eingefügten § 130a Absatz 4 Nr. 4 ZPO‑E.

 

1.    Einrichtung eines solchen Besonderen elektronischen Bürger- und Organisationenpostfach „eBO“ (§§ 10, 11 ERVV‑E)

a)    Zuständigkeit für die Einrichtung und den Betrieb des Systems

Der Gesetzentwurf nimmt in der Begründung (S. 17) Bezug auf die bestehende Infrastruktur des EGVP und die bereits eingerichteten elektronischen Postfächer beA und beN sowie das beBPo. Das beA wird von der BRAK betrieben, das beN von der Bundesnotarkammer. Über das eBO führt die Gesetzesbegründung (S. 21) aus:

OSCI-Clients, also Softwarelösungen mit EGVP-Empfangs- und Sendekomponente, werden derzeit z. B. von Herstellern wie Governikus oder Procilon angeboten. Es handelt sich um Drittprodukte. Der Governikus Communicator wird derzeit für die Nutzung der bisherigen nicht authentifizierten Nutzerkonten kostenlos zur Verfügung gestellt. Ein weiteres Produkt des Herstellers Procilon wird für eine Gebühr von monatlich fünf Euro bereitgestellt.

Das kostenpflichtige Produkt dient dabei nicht ausschließlich der Kommunikation mit der Justiz, sondern wird auch für den sicheren Nachrichtenaustausch von Bürgerinnen, Bürgern und Unternehmen mit Behörden sowie von Unternehmen mit Unternehmen genutzt. Da nach dem Entwurf eine Authentifizierung der Bürgerin oder des Bürgers (zum Beispiel über den elektronischen Personalausweis) erforderlich sein wird, müssen diese Programme von den Herstellern entsprechend angepasst werden. Es wird angestrebt, Bürgerinnen und Bürgern auch weiterhin einen kostenlosen Bürger-Client des Herstellers Governikus zur Verfügung zu stellen. Soweit Bürgerinnen und Bürger auf ein Drittprodukt des Herstellers Procilon zurückgreifen möchten, ist dies mit Kosten von unter zehn Euro monatlich verbunden.

Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass die eBO-Postfächer im Auftrag und auf Kosten der Justiz gehostet werden.

Hierfür soll der bereits seit 2005 gemeinsam von Bund und Ländern betriebene Bürgerintermediär genutzt werden. Der Intermediär verarbeitet schon jetzt mehr als eine Million Nachrichten monatlich und darf somit als erprobt gelten. Es ist daher davon auszugehen, dass eine Wiederholung der mit dem beA schmerzhaft gemachten  Erfahrungen nicht zu befürchten ist.

Die Formulierungen

Es wird angestrebt, Bürgerinnen und Bürgern auch weiterhin einen kostenlosen Bürger-Client des Herstellers Governikus zur Verfügung zu stellen.“

und

„…müssen diese Programme von den Herstellern entsprechend angepasst werden.“

enthalten reine Absichtserklärungen, treffen keine Aussage zum Zeithorizont und die Frage, wer letztlich die – auf Dauer anfallenden — Kosten des Betriebs zu tragen hat.

Gerade im Hinblick auf den oben dargestellten kurzen Zeitrahmen könnte diese Lücke in der Begründung zu Diskussionen führen, die die zeitnahe Verabschiedung des Gesetzes gefährden könnten. Eine Schwachstelle stellt dies jedoch nicht dar, da dem EDV-Gerichtstag durch seine Vorstandsmitglieder bekannt ist, dass alle erforderlichen Tools rechtzeitig und dauerhaft bereitgestellt werden können.

Auch heißt es auf Seite 24 der Begründung:

Das SAFE-Verzeichnis muss weiterentwickelt werden. Zwar können Bürgerinnen und Bürger bereits jetzt im SAFE-Verzeichnis erfasst werden. Dies geschieht aber bislang ohne eine besondere Identifizierung und Authentifizierung. Die Kosten für die Weiterentwicklung sind im Wesentlichen bereits durch frühere Planungen abgedeckt. Es handelt sich um Kosten der Justiz von Bund und Ländern, welche nach dem Königsteiner Schlüssel zwischen den Ländern aufgeteilt werden, wobei zuvor ein Kostenanteil von 1 Prozent für den Bund abgezogen wird. 

Es wäre zur Beförderung des Gesetzesvorhabens hilfreich, wenn klargestellt würde, dass, wie dem Vorstand des EDV-Gerichtstages bekannt, das SAFE-Verzeichnis im Auftrag des Bundes und der Länder rechtzeitig angepasst sein wird. 

b)   Zuständigkeit für die Identifizierung und Authentisierung des Postfachinhabers

Die Vorschrift des § 11 ERVV‑E regelt die Identifizierung und Authentisierung des Postfachinhabers:

(1) Die Länder oder mehrere Länder gemeinsam bestimmen jeweils für ihren Bereich eine öffentlich-rechtliche Stelle, die nach Prüfung der Identität des Inhabers eines besonderen elektronischen Bürger- und Organisationenpostfachs die Freischaltung des Postfachs veranlasst.

Zu erinnern ist hier an den Zeitverzug bei der Einrichtung der besonderen Behördenpostfächer (beBPo), der dadurch eingetreten ist, dass die Bundesländer teilweise erst knapp 2 Jahre (!!) nach Inkrafttreten der entsprechenden Regelung die erforderlichen beBPo-Prüfstellen eingerichtet hatten. Aus der Gesetzesbegründung ist nicht ersichtlich, ob es bereits in den Bundesländern entsprechende Vorüberlegungen dazu gibt, welche Behörden diese Aufgabe Identifizierung und Authentisierung des Postfachinhabers übernehmen sollen und ob diese Behörden bereits auf die Erfüllung dieser Aufgaben vorbereitet sind. Aber erst wenn die entsprechenden Prüfstellen eingerichtet sind und ihre Arbeit aufgenommen haben, kann überhaupt mit den Anmeldungen begonnen werden. Aus den Erfahrungen mit der Einrichtung der Arbeitsweise der beBPo-Prüfstellen wird dringend empfohlen, die Aufgabe der Prüfung, die nach dem Kenntnisstand des Vorstandes des EDV-Gerichtstages automatisiert erfolgen kann, an zentraler Stelle zu bündeln, um ein rechtzeitiges Bereitstellen, ein einheitliches sowie kosteneffizientes Vorgehen zu ermöglichen.

Zu bedenken ist auch hier, dass das Gesetz am Datum des ersten Tages des dritten auf die Verkündung folgenden Monats in Kraft tritt, also nur eine sehr kurze Vorbereitungsphase zur Verfügung steht. Die Akzeptanz der mit dem Gesetz angestrebten Lösung wird nachhaltig beeinträchtig, wenn es hier für die Teilnehmer, die diesen Weg nutzen wollen, nicht bereits ab dem Inkrafttreten der Neuregelung keine Möglichkeit der Anmeldung gibt.

c)    Identifizierung und Authentisierung des Postfachinhabers

aa.                                                                 Darstellung des Verfahrens

Ein Postfachinhaber ist eindeutig identifiziert, wenn ausreichend verifizierte Daten zu seinem Postfach vorliegen. Hierfür ist es – so der Entwurf – erforderlich, dass zusätzlich zum Namen und Vornamen eines Postfachinhabers auch die Anschrift verifiziert wurde und im SAFE-Verzeichnisdienst veröffentlicht ist.

Name und Anschrift sind nach dem jetzigen Stand elektronisch auslesbar

  • für Bürger aus dem neuen Personalausweis oder aus einem Aufenthaltstitel mit eID und
  • für juristische Personen und nichtrechtsfähige Personenvereinigungen aus einem qualifizierten elektronischen Siegel.

Daher sollen diese elektronischen Identifizierungsmittel für die Anlage eines besonderen EGVP-Postfaches genutzt werden können. § 11 Abs. 2 Nr. 1 — 4 ERVV‑E regeln dementsprechend dieses elektronische Identifizierungsverfahren.

Daneben kann ein manuelles Identifizierungsverfahren durchlaufen werden, mit dem Ziel, die Identität eines Postfachinhabers festzustellen und die erforderlichen Daten (Namen und Anschrift) anschließend im Adress-Verzeichnisdienst für den ERV (SAFE) zu veröffentlichen.

Dieses manuelle Identifizierungsverfahren ermöglicht es insbesondere Postfachinhabern, die nicht berechtigt sind, ein qualifiziertes elektronisches Siegel zu erhalten, einen sicheren Übermittlungsweg unter Verwendung der Geschäftsadresse einzurichten.

Für die manuelle Identifizierung sieht § 11 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 ERVV‑E nach der Gesetzesbegründung im Einzelnen ein Identifizierungsverfahren vor, bei dem ein Notar die Identität des Postfachinhabers oder, wenn es sich um eine juristische Person handelt, ihres Vertreters im Rahmen der Unterschriftsbeglaubigung gemäß § 40 Beurkundungsgesetz (BeurkG) feststellt.

Die Gesetzesbegründung beschreibt ausführlich dieses recht komplexe Identifizierungsverfahren, das das Ziel hat, die Identität einer Postfachinhaberin bzw. eines Postfachinhabers festzustellen und durch Weitergabe der Erklärung die Veröffentlichung der erforderlichen Daten im SAFE-Verzeichnisdienst zu veranlassen. Auf diese Weise können auch natürliche oder juristische Personen oder Vereinigungen, die nicht über einen elektronischen Identitätsnachweis verfügen, ein eBO einrichten. Zu dem Personenkreis können etwa auch Sachverständige, Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuer oder Einzelkaufleute gehören, die ein eBO unter Verwendung der Geschäftsadresse einrichten möchten.

Auch im Rahmen des Identifizierungsverfahrens nach § 11 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 ERVV‑E muss zunächst ein Postfach mit einer EGVP-Sende- und Empfangskomponente (EGVP-Drittprodukt) angelegt und dabei mindestens der Name, Vorname (nur bei natürlichen Personen) oder die Firma sowie die persönliche oder geschäftliche Adresse angegeben werden. Die angegebenen Daten werden gespeichert und dem Postfachinhaber zum Ausdrucken oder als elektronisches Dokument bereitgestellt.

Der Postfachinhaber legt anschließend das Dokument, das die gespeicherten Postfachdaten enthält, einem Notar vor. Dieser beglaubigt sodann die Unterschrift des Postfachinhabers auf diesem Dokument. Das Verfahren der Unterschriftsbeglaubigung ermöglicht eine verlässliche Zuordnung der Erklärung zu der erklärenden Person, die durch den Notar zum Zwecke der Beglaubigung der Unterschrift amtlich identifiziert wird (§ 40 Absatz 4 in Verbindung mit § 10 BeurkG). Der Postfachinhaber wird in diesem Rahmen von dem Notar – typischerweise anhand eines amtlichen Lichtbildausweises – identifiziert. Handelt die natürliche Person nicht für sich selbst, sondern als gesetzliche Vertreterin einer in einem Register eingetragenen Gesellschaft, muss der Erklärung eine beglaubigte Abschrift aus dem betreffenden Register oder eine notarielle Vermerkurkunde über den Inhalt des Registers beigefügt werden, in der die Vertretungsberechtigung der erklärenden Person eingetragen ist.

Alternativ kann der Notar in den Beglaubigungsvermerk auch eine Vertretungsbescheinigung nach § 21 Bundesnotarordnung (BNotO) aufnehmen, mit der er nach Einsicht in das betreffende Register die Vertretungsbefugnis bescheinigt. Ist der Postfachinhaber in einem öffentlichen Register eingetragen, kann zum Nachweis der geschäftlichen Anschrift auf die im Register eingetragene inländische Geschäftsanschrift zurückgegriffen werden. Wie bei der Ermittlung der Vertretungsbefugnis kann dies durch Beifügung einer beglaubigten Abschrift aus dem Handelsregister, einer notariellen Vermerkurkunde über den Inhalt des Handelsregisters oder einer entsprechenden notariellen Registerbescheinigung nach § 21 BNotO erfolgen.

Nach Beglaubigung der Unterschrift unter der die angegebenen Postfachdaten enthaltenden Erklärung wird das Dokument nebst etwaig beigefügten Nachweisen an die nach Absatz 1 bestimmte Stelle übermittelt, die die Freischaltung des eBO veranlasst.

Kann zum Nachweis der geschäftlichen Anschrift nicht auf ein öffentliches Register zurückgegriffen werden, muss die nach Absatz 1 für die Prüfung der Identität bestimmte Stelle durch zusätzliche Maßnahmen prüfen, ob es sich um die zutreffend angegebenen Daten handelt. Eine solche Prüfung kann etwa dadurch erfolgen, dass ein Brief an die in der Erklärung angegebene Postanschrift gesendet wird. Mithilfe eines in dem Brief enthaltenen Nachweishilfsmittels (etwa eines Buchstaben- und/oder Zahlencodes) können Postfachinhaber die Richtigkeit der angegebenen Anschrift bestätigen. Diese Art der Überprüfung kann auch durch andere, ein gleiches Maß an Sicherheit bietende Verfahren erfolgen. Eine Regelung, welche zusätzlichen Maßnahmen zur Überprüfung getroffen werden müssen erfolgt nur in der Begründung, bleibt allerdings sehr abstrakt. Eine Konkretisierung wäre begrüßenswert.

Es sollte in der Neuregelung klargestellt werden, dass dies nicht nur für ein nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens neu eingerichteten elektronischen Postfaches möglich ist, sondern dass auch die nachträgliche Identifizierung für ein bereits im Betrieb befindliches Postfach möglich sein kann.

bb.                                                                Bewertung aus Sicht der Praxis

Bereits für die (erstmalige) Einrichtung eines eBO werden mit dem vom Gesetz vorgegebenen Schritten in der Praxis hohe Hürden aufgestellt.

Die Bürger und Organisationen müssen sich zunächst eine EGVP-Sende- und Empfangskomponente (EGVP-Drittprodukt) beschaffen. Anschließend legen die Bürger und Organisationen sodann ein besonderes EGVP-Postfach an.

Die nach § 11 Absatz 2 ERVV‑E geforderte Identifizierung der Person, die ein elektronisches Postfach einrichtet, ist momentan elektronisch für Bürgerinnen und Bürger nur aus dem neuen Personalausweis oder aus einem Aufenthaltstitel mit eID, für juristische Personen und Vereinigungen des Privatrechts nur aus einem qualifizierten elektronischen Siegel auslesbar, so dass derzeit nur diese elektronischen Identifizierungsmittel für die Anlage eines eBO genutzt werden können (Seite 34 Gesetzesbegründung). Soweit dem Bürger kein solches Identifizierungsmittel zur Verfügung steht, muss er den noch aufwendigeren Weg einer manuellen Identifizierung nach § 11 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 ERVV‑E gehen.

(1)  Identifizierung und Authentisierung des „Normalbürgers“

Zwar ist es – wie Eingangs klargestellt — grundsätzlich zu begrüßen, auch dem „Normalbürger“ einen elektronischen Zugang zu den Gerichten zu ermöglichen.

Der im Gesetzentwurf vorgesehene komplizierte Weg des § 11 II ERVV‑E lässt allerdings befürchten, dass kaum eine Bürgerin oder ein Bürger für seine – in aller Regel einmalige oder höchstens gelegentliche – Korrespondenz mit der Justiz diesen mühsamen Weg gehen wird, sich ein Besonderes elektronisches Bürger- und Organisationenpostfach „eBO“ einzurichten. Zudem steht dem Bürger frei, ein Verwaltungsportal oder weiterhin die qeS zu nutzen, so dass er sich für die Kommunikation mit der Justiz nicht zwingend eine gesonderte Lösung beschaffen muss.

(2)  Identifizierung und Authentisierung des „professionellen Verfahrensbeteiligten“

Das eBO soll nicht zuletzt auch Unternehmen, Organisationen, Verbänden den elektronischen Zugang zur Justiz ermöglichen.

Aus Sicht der Justiz ist dieser Zugang interessanter und für die Praxis deutlich relevanter, soweit es sich hierbei um sog. „professionellen Verfahrensbeteiligte“ handelt, die nicht nur einmalig an einzelnen gerichtlichen Verfahren teilnehmen. Die gesetzgeberischen Überlegungen sollten sich daher in erster Linie an diesem Adressatenkreis orientieren und nicht an dem Sonderfall eines „Normalbürgers“.

Zielgruppe sind hier die sog. Massenkläger wie in der ordentlichen Gerichtsbarkeit z.B. großen Wohnungsbaugesellschaften in Mietverfahren, Wohnungsverwalter in WEG-Verfahren oder im strafrechtlichen Bereich Bundesbahn und Nahverkehrsgesellschaften z.B. in Verfahren wegen Schwarzfahrens. Die Überlegungen des Gesetzgebers richten sich aber nicht zuletzt auch auf die Verfahren vor den Arbeits- und Sozialgerichten, in denen häufiger Unternehmen und Verbände beteiligt sind.

Auch für Sachverständige und Dolmetscher bietet sich – wie die Gesetzesbegründung zutreffend ausführt – ein solcher elektronischer Zugang zu den Gerichten an.

Unternehmen, Organisationen, Verbände usw. werden sich ein eBO einrichten, um regelmäßig mit den Gerichten elektronisch zu kommunizieren. Ebenso haben Sachverständige, Dolmetscher, Berufsbetreuer etc. das Bedürfnis, mit einem Gericht, bei dem sie regemäßig tätig sind, diesen elektronischen Kommunikationskanal zu eröffnen. Bei diesem Kreis der „professionellen Verfahrensbeteiligten“ kann von der erforderlichen Akzeptanz ausgegangen werden.

d)   Übermittlung elektronischer Dokumente über den sicheren Übermittlungsweg des eBO (§ 130a Absatz 4 Nr. 4 ZPO‑E, § 11 Abs. 3 ERVV‑E).

Für jeden Zugang zu seinem eBO und damit jede Kommunikation zum Gericht muss der Nutzer sich aufwendig anmelden, nämlich sowie eines der bezeichneten elektronischen Authentisierungsmittel.

  • 11 Abs. 3 ERVV‑E lautet dazu:

(3) Der Postfachinhaber hat sich beim Versand eines elektronischen Dokuments zu authentisieren durch

  1. den elektronischen Identitätsnachweis nach § 18 des Personalausweisge setzes oder nach § 78 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes,
  2. ein Authentisierungszertifikat, das auf einer qualifizierten elektronischen Signaturerstellungseinheit nach dem Anhang II der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 gespeichert ist, oder
  3. ein nichtqualifiziertes Authentisierungszertifikat, das über Dienste validier bar ist, die über das Internet erreichbar sind.

Eine Betätigung der Postfachfunktionen „Senden“ und „Empfangen“ ist damit erst dann möglich, wenn zuvor eine solche Authentisierung des Postfachinhabers erfolgt ist. Demnach sind ohne eine solche sichere Anmeldung nicht einmal formlos eingegangene Dokumente zu lesen.

Es fällt auf, dass § 10 ERVV‑E und § 6 ERVV (Anforderungen des besonderen elektronischen Behördenpostfachs) zwar größtenteils übereinstimmen. Jedoch enthält § 6 ERVV keine § 10 Abs. 1 Nr. 4 ERVV‑E entsprechende Regelung. Bei der Nutzung eines beBPo muss sich der Postfachinhaber beim Versand eines elektronischen Dokuments jeweils auch mit mindestens einem Softwarezertifikat authentisieren. Gemäß § 24 Abs. 1 RAVPV erfolgt die Anmeldung des Inhabers an seinem beA mit einem ihm zugeordneten Zertifikat und der zugehörigen Zertifikats-PIN. Nach der Anmeldung können Nachrichten versandt und empfangen werden. Nach § 16 NotVPV erfolgt die Anmeldung am beN mit mindestens zwei voneinander unabhängigen Sicherungsmitteln. Danach ist ein Versand von nicht qualifiziert elektronischen Dokumenten möglich. Das Sicherheitsniveau der Anmeldung bei eBO, beA und beN ist somit vergleichbar.

aa.      Akzeptanz des Anmeldevorgangs vor jeder Kommunikation beim Normalbürger

Diesen aufwendigen Anmeldevorgang unter Einsatz von Anmeldename + Passwort + elektronischem Authentisierungsmittel wird zumindest der „Normalbürger“ vergleichen mit seinem bequemen Zugang zu seinem Online-Bankkonto, das ihm nach Eingabe der Nutzerkennung (idR seiner Kontonummer) und seines Passwortes offen steht, ggf. noch nach Übersendung einer iTan auf sein Handy als zusätzlichem Sicherungsmittel. Es ist davon auszugehen, dass der Bürger das Sicherheitsniveau, das ihm seine Bank auf bequeme Weise bietet, um regelmäßig Zugang zu seinem Online-Konto zu erhalten, auch für seine gelegentliche Korrespondenz mit der Justiz als ausreichend ansehen wird. Allerdings erwarten auch die Verwaltungsportale eine hohe Authentisierung für schriftformersetzende Einreichungen, so dass eine Herabsetzung des Sicherheitsniveaus im Bereich der Justiz nicht konsensfähig sein dürfte.

Um den elektronischen Rechtsverkehr attraktiver zu machen, müsste aber der Aufwand für Bürger und auch für Unternehmen abgesenkt werden. Zu befürchten ist, dass der „Normalbürger“ den umständlichen Weg des eBO nicht nutzen wird, denn der herkömmliche Weg über ein ausgedrucktes Dokument und den gelben Briefkasten oder das – mit dem Entwurf nicht abgeschaffte – Fax ist schlicht einfacher. Es besteht daher die Gefahr, dass das eBO jedenfalls für den „Normalbürger“ das gleiche Schicksal der mangelnden Akzeptanz erleiden wird wie qeS und DE-Mail. Nichts desto trotz ist die zeitnahe Einführung des eBO jedenfalls deswegen sinnvoll, um den professionellen Nutzern den dringend benötigten praktikablen und zudem sicheren Kommunikationskanal für den ERV zur Verfügung zu stellen.

bb.     Strenge Formvorgaben der ERVV

Weiteres Akzeptanzhindernis sind zudem die zusätzlich einzuhaltenden strengen Formatvorgaben der ERVV für das übermittelte Dokument. § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV schreibt vor, dass das einzureichende elektronische Dokument in druckbarer, kopierbarer und, soweit technisch möglich, durchsuchbarer Form im Dateiformat PDF zu übermitteln ist. Der Bürger darf also nicht einfach das von ihm erzeugte Word-Dokument abschicken, sondern muss wissen, dass er eine Umwandlung in PDF vorzunehmen hat. Zudem wird ein durchsuchbares PDF-Dokument verlangt.[1] Durchsuchbarkeit bedeutet, dass das Dokument OCR-behandelt einzureichen ist.[2] Zwar ist auch für den Normalbürger die entsprechende Umwandlung eines in Word erzeugten Dokumentes technisch möglich, es wird ihm aber vielfach an der erforderlichen Kenntnis fehlen. Den Absender trifft also ein erhebliches Risiko, dass sein elektronisch auf dem Weg des eBO eingereichter Antrag als unzulässig zurückgewiesen wird.

cc.       Die „Schriftformfalle“

Ein besonderes Risiko für den Bürger, Unternehmen und sonstige Verfahrensbeteiligte bei Nutzung des eBO ist die „Schriftformfalle“. Denn der elektronische Weg über den sicheren Zugangsweg des § 130a Abs. 3 ZPO ohne zusätzliche Nutzung der qeS beinhaltet eine Falle, in die schon gestandene Anwälte getappt sind. Dieser Zugangsweg ersetzt zwar die verfahrensrechtlichen Schriftformanforderungen, nicht aber die Schriftformerfordernisse nach materiellem Recht wie z.B. aus § 550 BGB, § 568 BGBG, § 623 BGB, § 650h BGB und § 766 BGB.

Soll die im materiellen Recht gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden, muss nach § 126a Abs. 1 BGB der Aussteller der Erklärung das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Die Erleichterung der Nutzung des eBO erstreckt sich nicht auf das materielle Recht; hier bleibt die Signatur weiterhin nach § 126a BGB erforderlich. Werden diese Erklärungen mit Doppelnatur über das eBO (naturgemäß ohne qeS) übermittelt, werden folglich die materiell-rechtlichen Anforderungen nicht erfüllt und die Erklärung ist daher letztlich unwirksam.

Prekär wäre dies auch bei der Einbindung von Gutachtern und Dolmetschern, wenn die von diesen Beteiligten über das eBO elektronisch eingereichten Dokumente wegen Nichterfüllung der materiell-rechtlichen Formerfordernisse im Verfahren gar nicht verwertet werden könnten.

Es ist daher dringend geboten, diese seit Jahren bekannte und in der Literatur diskutierte[3] „Schriftformfalle“ zu beseitigen und eine Harmonisierung der Schriftformanforderungen vorzunehmen. Beim beA konnte noch darauf vertraut werden, dass dem Anwalt diese Differenzierung bekannt ist; dies gilt aber keinesfalls für alle künftigen Nutzer des eBO.

2.    Auswirkungen des Eingangs elektronischer Dokumente über das eBO auf die Justiz-Fachsysteme

Aus Sicht der Justiz ist der Eingang elektronischer Dokumente auf diesem Weg als solcher keine zusätzliche Anforderung, weil diese Funktionalitäten bereits aus der Arbeit mit dem beA bekannt sind.

Der Nachweis der für § 130a ZPO erforderlichen sicheren Anmeldung wird auch hier über einen sogenannten Herkunftsnachweis (VHN) geführt, der den Nachrichten immer dann beigefügt ist, wenn Postfachinhaberinnen und ‑inhaber sicher im Sinne der gesetzlichen Vorschriften angemeldet waren. Nicht zu überblicken ist die Frage, ob die Prüfung des vertrauenswürdigen Herkunftsnachweises bei Normalbürgern und den übrigen Nutzern des eBOs besondere Schwierigkeiten auslösen wird. Da der VHN allerdings gemäß den Vorgaben an EGVP-Drittprodukte immer automatisiert zu prüfen und die Prüfergebnisse in einem sogenannten Prüfvermerk zu dokumentieren sind, werden den Nutzern alle erforderlichen Informationen in die Hand gegeben.

B.   Regelungen zur elektronischen Zustellung (§§ 173 – 176 ZPO‑E)

Der Entwurf betrifft unmittelbar nur die Neuregelungen zur elektronischen Zustellung in den §§ 173 – 176 ZPO‑E. Diese Neuregelungen beinhalten auch Änderung der Nummerierung der einschlägigen Vorschriften, sodass dadurch eine Vielzahl von Verweisungen in anderen Normen angepasst werden müssen.

Aus Sicht der gerichtlichen Praxis sollen hier jedoch nicht nur die Auswirkungen auf die Arbeitsabläufe bei der förmlichen Zustellungen betrachtet werden, sondern auch auf die nicht formgebundene Übermittlung elektronischer Dokumente an Parteien der Verfahren (Bürger, Unternehmen) und verfahrensbeteiligte Dritte (Sachverständige, Dolmetscher) abgestellt werden. Daher ist auch der Übermittlungsweg für jegliche Art der elektronischen Kommunikation in die Betrachtung mit einzubeziehen. Denn die Frage, ob der Weg über das eBO auch für die Übermittlung elektronischer Dokumente des Gerichts ohne formelle Zustellung praxisgerecht genutzt werden kann, ist von großer praktischer Bedeutung.

1.    Pflicht zur Einrichtung eines sicheren Übermittlungsweges

Der Entwurf beinhaltet eine Pflicht zur Einrichtung eines sicheren Übermittlungsweges. Die maßgebliche Vorschrift des § 173 ZPO‑E differenziert hierzu.

a)    Anwälte, Notare usw. 

  • 173 ZPO‑E

(2) Die folgenden Personen haben einen sicheren Übermittlungsweg zu eröffnen:

  1. Rechtsanwälte, Notare, Gerichtsvollzieher, Steuerberater sowie sonstige Personen, bei denen aufgrund ihres Berufes von einer er höhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann, und
  2. Behörden, Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts.

Mit dem neuen § 173 Abs. 2 ZPO‑E wird die Regelung des bisherigen § 174 Abs. 3 Satz 4 ZPO sowie die Aufzählung der Personengruppen aus § 174 Abs. 1 ZPO übernommen. Absatz 3 Satz 1 ZPO‑E ist dem bisherigen § 174 Absatz 1, Absatz 3 und Absatz 4 Satz 3 ZPO nachgebildet. Die Neuformulierung beinhaltet keine Rechtsänderung. Insbesondere wird der Nachweis der Zustellung an diese Zustellungsadressaten weiterhin durch ein elektronisches Empfangsbekenntnis erbracht.

Entscheidend ist, dass dieser Adressatenkreis einen solchen elektronischen Übermittlungsweg eröffnen muss (passive Nutzungspflicht).

b)   Personen bei denen aufgrund ihres Berufs von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann

  • 173 Abs. 2 ZPO‑E regelt welche Personen zur Eröffnung eines sicheren Übermittlungswegs verpflichtet sind. Erfasst werden nach § 173 Abs. 2 Nr. 1 ZPO‑E auch „sonstige Personen, bei denen aufgrund ihres Berufes von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann“.

Nach dem bisherigen Aufbau der Norm wird in § 174 Abs. 3 Satz 4 ZPO auf die beispielhafte Aufzählung in § 174 Abs. 1 ZPO, bei welchen Personen aufgrund ihres Berufs von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann, verwiesen. Die Auslegung, wer zu diesem Personenkreis zu zählen ist, wurde der Rechtsprechung überlassen. In der Vergangenheit wurde die Zulässigkeit einer Zustellung gegen Empfangsbekenntnis für die nachstehenden Personengruppen bejaht: Steuerbevollmächtigte, vereidigte Buchprüfer, Wirtschaftsprüfer, Patentanwälte, öffentlich bestellte Sachverständige, Prozessagenten, Richter und Hochschullehrer.[4]

  • 173 Abs. 2 Nr. 1 ZPO‑E geht es darum, diesem Personenkreis die Pflicht aufzuerlegen. Auch wenn der Verstoß gegen diese Verpflichtung nicht mit einer Sanktion belegt ist, kann bei einer solchen Verpflichtung nicht die auslegungsbedürftige Formulierung „sowie sonstige Personen, bei denen aufgrund ihres Berufes von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann“ beibehalten werden. Unklarheiten hinsichtlich des Personenkreises bedeuten damit aber auch Unklarheiten über das Bestehen einer solchen Nutzungspflicht.

c)    Sachverständige, Dolmetscher, Übersetzer usw.

Unklar ist, ob man auch Sachverständige, Dolmetscher, Übersetzer usw. unter der Definition der „sonstigen Personen, bei denen aufgrund ihres Berufes von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann“ erfassen kann. Nach der bisherigen Rechtsprechung zu § 174 Abs. 1 ZPO ist dies nicht der Fall. Diese Auslegung hätte nach § 173 Absatz 2 ZPO‑E mittelbar zur Folge, dass diese Personen einen sicheren Übermittlungsweg zu eröffnen haben, also verpflichtet sind, sich ein eBO einzurichten.

Eine solche Konsequenz wäre aus Sicht der Justiz durchaus zu begrüßen. Der Gesetzgeber sollte zumindest diesen Personenkreis ausdrücklich in den Regelungsbereich des § 173 Abs. 2 Nr. 1 ZPO‑E einbeziehen.

2.    Regelungen zur Zustellung

a)    Anwälte, Notare und gleichgestellte Adressaten

Da dieser Adressatenkreis einen solchen elektronischen Übermittlungsweg eröffnen muss, bedarf es keines Einverständnisses zur elektronischen Zustellung.

Die Gesetzesinitiative sollte die Gelegenheit nutzen, eine weitere in der Praxis problematische Unklarheit zu beseitigen. Hilfreich wäre eine klarstellende Regelung, dass bei einer Zustellung an eine Rechtsanwalts GmbH bzw. eine Rechtsanwalts-AG diese an das beA des Sachbearbeiters bzw. der Sachbearbeiterin des Verfahrens erfolgen kann und nicht an den GmbH-Geschäftsführer bzw. den Vorstand der Rechtsanwalts-Aktiengesellschaft erfolgen muss. Bei dem Vor- und Zunamen sowie der Anschrift des Sachbearbeiters dürfte es sich um für eine Übermittlung elektronischer Dokumente erforderliche Angaben i.S.v. § 130 Nr. 1a ZPO handeln, die mitzuteilen sind und eine Adressierung des korrekten beA ermöglichen.

Zwar ist im Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz eines Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe (Bearbeitungsstand: 29.10.2020) die Einführung eines Besonderen elektronischen Anwaltspostfachs für Berufsausübungsgesellschaften (früherer Begriff „Kanzleipostfach“) enthalten, es ist aber zweifelhaft, ob diese Regelung noch vor dem Ende der Legislaturperiode verabschiedet werden wird. Zudem ist vorgesehen, dass dieses Gesetz am ersten Tag des dreizehnten auf die Verkündung folgenden Kalendermonats in Kraft treten wird, also keinesfalls zeitgleich mit dem hier diskutierten Entwurf.

b)   Sachverständige, Dolmetscher, Übersetzer usw.

Bezieht man Sachverständige, Dolmetscher, Übersetzer in den Kreis des § 173 Abs. 2 Nr. 1 ZPO‑E ein mit der Folge, dass diese Personen verpflichtet sind, sich ein eBO einzurichten, bedürfte es keiner wie auch immer ausgestalteter Zustimmung.

Zwar geht es bei diesem Personenkreis in der Praxis meist um eine Übermittlung ohne Zugangsnachweis (Beispiel: Übersendung eines Gutachterauftrages an den Sachverständigen). Es sind jedoch auch förmliche Zustellungen vorgesehen, so z.B. bei Maßnahmen nach § 409 ZPO und § 411 Abs. 2 ZPO.

c)    Übrige Adressaten

Für die übrigen, nicht unter § 173 Abs. 2 ZPO‑E fallenden Adressaten – also speziell die Inhaber eines eBO – gilt jedoch für die förmliche Zustellung die folgende abweichende Regelung:

(4) An andere als die in Absatz 2 Genannten kann ein elektronisches Dokument nur zugestellt werden, wenn sie der Zustellung elektronischer Dokumente für das jeweilige Verfahren zugestimmt haben.

Zu begrüßen ist dabei aus Sicht der Gerichtspraxis, dass zwar an die privaten Einreicher elektronisch zugestellt werden darf, aber dazu keine Verpflichtung besteht. So bleibt Spielraum für die vielfältigen Konstellationen und Schwierigkeiten in diesem Bereich.

aa.                                                                 Zustimmung nur für das jeweilige Verfahren

Hier ist nach dem Entwurf eine Zustellung also nur möglich, wenn der Adressat der Zustimmung zugestimmt hat – und zwar für das jeweilige konkrete Verfahren.

Die Gesetzesbegründung führt hierzu aus:

Das Zustimmungserfordernis dient ihrem Schutz wegen der an Übermittlungs- und Zustellungsvorgänge geknüpften Rechtsfolgen. Die Zustimmung soll sicherstellen, dass den Beteiligten die Folgen der elektronischen Übermittlung und Zustellung und die in diesem Zusammenhang einhergehenden Sorgfaltspflichten im eigenen Interesse der Beteiligten hinreichend deutlich vor Augen geführt werden.

Anders als bei der Kontrolle des Briefkastens oder der persönlichen Aushändigung von Schriftstücken bei herkömmlichen Zustellungen wird die elektronische Zustellung dem Empfänger nicht in gleicher körperlicher Weise deutlich, wie dies etwa die Aushändigung eines Briefumschlags bewirkt. Die Entgegennahme des elektronischen Dokuments erfordert ein vorheriges Tätigwerden der Empfangsperson selbst: Diese muss sich, nachdem sie ein besonderes elektronisches Postfach eingerichtet hat, an diesem jeweils anmelden und kontrollieren, ob dort Eingänge vorhanden sind.

bb.                                                                Zustimmung auch konkludent möglich

Zwar muss – anders als nach der bisherigen Rechtsprechung und Literatur zur Regelung des § 174 Abs. 3 Satz 2 ZPO[5] – die Zustimmung nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern – so die Gesetzesbegründung auf S. 29 – es reicht aus, wenn sich diese im Einzelfall aus den konkreten Umständen ergibt. Es muss jedoch in jedem Fall erkennbar sein, dass die im eigenen Interesse bestehende Sorgfaltspflicht zur regelmäßigen Kontrolle des besonderen elektronischen Postfachs dem Postfachinhaber deutlich vor Augen steht. Daher reicht die Einrichtung eines besonderen elektronischen Postfachs allein regelmäßig nicht aus, um von einer Zustimmung auszugehen. Wird dagegen das besondere elektronische Postfach beispielsweise initiativ durch einen Inhaber genutzt, um in einem Verfahren etwa ein Schriftstück an das Gericht zu übermitteln, so kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die Person in diesem Verfahren auch auf dem „Rückweg“ Zustellungen gegen sich auf diesem Übermittlungswege gelten lassen möchte.[6]

Das bedeutet konkret, dass die Gerichte nicht von sich aus einem im Safe-Verzeichnis als Postfachinhaber erkennbaren Adressaten elektronische Dokumente zuleiten können, sondern nur dann, wenn dieser Adressat ausdrücklich oder konkludent seine Bereitschaft hierzu erklärt hat. Dies kann – so die Begründung – aus einem elektronisch von diesem Adressaten eingegangen Dokument geschlossen werden. Da dies aber nur verfahrensbezogen möglich ist, kann die bloße Verwendung eines eBO im Briefkopf hierfür nicht ausreichen.[7]

Aus Sicht der Praxis bedeutet dies erhebliche Zusatzarbeit für die Servicekraft, die die Zustellungen durchführen muss und beinhaltet das Risiko, dass aufgrund einer falschen Auslegung fehlerhafte Zustellungen erfolgen. Die Zustellung von Dokumenten ist aber in der Gerichtspraxis ein Massengeschäft, das nicht durch derartige Differenzierungen erschwert werden sollte. Wenn für die Servicekraft im alltäglichen Massengeschäft der Ausdruck des zuzustellenden Dokumentes mit dem anschließenden Postversand einfacher und schneller geht, wird man diesen Weg wählen und von der elektronischen Zustellung Abstand nehmen. Sofern dies nicht schon geschehen ist, müssten aufgrund der vorgeschlagenen Regelung die Justizfachverfahren dahingehend umgestaltet werden, dass eine Zustimmung zu einer elektronischen Zustellung in dem jeweiligen Verfahren vermerkt werden kann und technisch sichergestellt werden, dass ohne einen solchen Vermerk eine elektronische Zustellung nicht angestoßen werden kann.

cc.                                                                 Auswirkungen in der Gerichtspraxis

Verlangt man eine solche verfahrensbezogene Zustimmung des Verfahrensbeteiligten zur elektronischen Zustellung nach § 173 ZPO‑E, hat das außerdem die wenig sinnvolle Konsequenz für die Gerichte, dass die erste Zustellung an einen Beklagten bzw. Antragsgegner in keinem Fall elektronisch über das eBO erfolgen kann! Denn die verfahrensbezogene Zustimmung liegt noch nicht vor und kann auch vor Beginn eines Verfahrens gar nicht verfahrensbezogen erteilt werden. 

Wendet man diese Anforderung einer verfahrensbezogenen Zustimmung auch auf die formlose Korrespondenz an, so wäre auch dieser Kommunikationsweg nur sehr eingeschränkt nutzbar. Erfasst man Sachverständigen und Dolmetschern nicht unter § 173 Abs.2 Nr. 1 ZPO‑E, wäre eine elektronische Kommunikation mit diesen kaum möglich. Denn hier tritt immer das Gericht an diese externen Verfahrensbeteiligten heran, es erfolgt also kein initiatives Herantreten an das Gericht.

dd.                                                                Schlussfolgerungen und Vorschläge

Das Erfordernis der Einholung einer verfahrensbezogenen Zustimmung dürfte sich folglich in der Praxis als eine enorme Hürde und Bremse auswirken und den Nutzen dieses Kommunikationsweges erheblich einschränken.

Die Gesetzesbegründung argumentiert auf S. 28/29 mit den Gefahren einer allgemeinen Zustimmung zur Nutzung des elektronischen Zustellungsweges. Die Zustimmung solle sicherstellen, dass den Beteiligten die Folgen der elektronischen Übermittlung und Zustellung und die in diesem Zusammenhang einhergehenden Sorgfaltspflichten im eigenen Interesse der Beteiligten hinreichend deutlich vor Augen geführt werden. Anders als bei der Kontrolle des Briefkastens oder der persönlichen Aushändigung von Schriftstücken bei herkömmlichen Zustellungen wird die elektronische Zustellung dem Empfänger nicht in gleicher körperlicher Weise deutlich, wie dies etwa die Aushändigung eines Briefumschlags bewirkt. Die Entgegennahme des elektronischen Dokuments erfordert ein vorheriges Tätigwerden der Empfangsperson selbst: Diese muss sich, nachdem sie ein besonderes elektronisches Postfach eingerichtet hat, an diesem jeweils anmelden und kontrollieren, ob dort Eingänge vorhanden sind.

(1). Bedeutung für den „Normalbürger“

Diese Bedenken mögen im Ansatz berechtigt sein bei einem „Normalbürger“, der allenfalls gelegentlich mit dem Gericht Kontakt hat und bei dem sein eBO schon mal in Vergessenheit geraten kann. Er wird auch nicht ständig damit rechnen, in seinem eBO Zustellungen vorzufinden und daher nicht regelmäßig in seinem Postfach nachsehen. Das entsprechende Risiko lässt sich aber auf andere Weise besser ausschalten, indem man z.B. – wie bei den meisten Online-Banking-Systemen üblich – bei einer Zustellung in das eBO dem Bürger auf seine normale E‑Mail-Adresse eine entsprechende Mitteilung zukommen lässt.

Da zudem nach der obigen Einschätzung eine nennenswerte elektronische Kommunikation von Normalbürgern über das eBO nicht stattfinden wird, hat diese Frage ohnehin nur marginale Bedeutung und sollte nicht den Schwerpunkt der Überlegungen bestimmen.

(2). Bedeutung für „professionelle Verfahrensbeteiligte“

Das eBO soll jedoch auch nicht zuletzt Unternehmen, Organisationen, Verbänden den elektronischen Zugang zur Justiz ermöglichen. Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen; und hier sollten keine unnötigen Hindernisse aufgebaut werden.

Für diese „professionellen Verfahrensbeteiligten“ kann die für diese Einschränkungen gebotene Begründung aus Sicht der gerichtlichen Praxis nicht überzeugen.

Unternehmen, Organisationen, Verbände usw. werden sich ein eBO einrichten, gerade weil sie regelmäßig mit den Gerichten elektronisch kommunizieren wollen. Ebenso haben Sachverständige, Dolmetscher, Berufsbetreuer etc. das Bedürfnis, einem Gericht, bei dem sie regemäßig tätig sind, allenfalls nur ein einziges Mal mitzuteilen, dass sie mit einer elektronischen Zustellung einverstanden sind und nicht in jedem neuen Verfahren der elektronischen Zustellung erneut zustimmen zu müssen. Sie werden dementsprechend schon aus Eigeninteresse die notwendigen Vorkehrungen für eine ordnungsgemäße und regelmäßige Überwachung des eBO auf rechtlich relevante Eingänge vorsehen.

Hier sollte bereits nach der Einrichtung eines eBO die Möglichkeit einer generellen Einverständniserklärung durch den eBO-Nutzer vorgesehen werden.

d)   Rücknahme der Zustimmung 

Die Gesetzesbegründung enthält keine Ausführungen zu der Frage, ob der Adressat seine Zustimmung zurücknehmen kann.

Nach der ursprünglichen technischen Konzeption war vorgesehen, die Zustimmung generell für alle Verfahren zu erteilen. Dann hätte eine Rücknahme der Zustimmung durch den Postfachinhaber technisch dadurch gelöst werden können, dass der entsprechende technische Hinweis im SAFE-Verzeichnis gelöscht wird.

Die Möglichkeit eines Widerrufs der in einem konkreten Verfahren erteilten Zustellung hätte erhebliche Konsequenzen in der praktischen Umsetzung bei Gericht. Denn ist die Zustimmung erteilt, kann dies im Fachsystem erfasst werden und dient als Vorgaben für alle folgenden Zustellungen. Würde man ein jederzeitiges Widerrufsrecht einräumen, müsste das Gericht zumindest sicherheitshalber vor jeder Nutzung des elektronischen Postausgangs prüfen, ob ein solcher Widerruf besteht oder wirksam in das eBO zugestellt werden kann. In der Praxis wird diesen Zusatzaufwand niemand bei Gericht vornehmen wollen, da in der Regel dann der Papierversand einfacher und weniger aufwendig ist. Zudem besteht das Risiko, dass ein Widerruf in Antizipation einer nachteilhaften Zustellung erfolgt, in der Hoffnung, deren wirksame Zustellung zu verzögern.

Auch die in § 12 Abs. 2 ERVV‑E vorgesehene „jederzeitige Löschung“ des eBO sollte durch eine „Kündigungsfrist“ von mind. zwei, besser vier Wochen ergänzt werden.

3.    Zustellungsnachweis durch automatisierte Eingangsbestätigung

Im Anwendungsbereich von § 173 Abs. 4 ZPO‑E wird die Zustellung durch eine automatisierte Eingangsbestätigung nachgewiesen. Ein elektronisches Dokument gilt am dritten Tag nach dem auf der automatisierten Eingangsbestätigung ausgewiesenen Tag des Eingangs in dem vom Empfänger eröffneten elektronischen Postfach als zugestellt. Satz 3 gilt nicht, wenn der Empfänger nachweist, dass das Dokument nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist.

Dieser Regelung ist in vollem Umfang zuzustimmen, weil sie erheblichen Aufwand bei den Gerichten vermeidet. Das so gemeldete Zustellungsdatum kann automatisch im Justiz-Fachsystem vermerkt und die ggf. erforderlichen Anschlussarbeiten angestoßen werden.

In der Begründung erfolgen keine Ausführungen zu der Frage, welche Anforderungen an den Nachweis, dass ein Dokument nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist, gestellt werden.

4.    Zustellungsnachweis durch EB

Für Rechtsanwälte, Notare, Gerichtsvollzieher, Steuerberater sowie sonstigen Personen, bei denen aufgrund ihres Berufes von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann (§ 173 Abs. 2 ZPO‑E), bleibt es bei der Zustellung gegen elektronisches Empfangsbekenntnis. Diese sonstigen Personen werden somit bessergestellt als die Personen, die freiwillig am elektronischen Rechtsverkehr teilnehmen.

Hinzuweisen bleibt an dieser Stelle auf eine ungeklärte Frage im Zusammenhang mit dem Beweiswert des eEB.[8] Wenn das eEB als privates elektronisches Dokument erstellt und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen worden ist, richtet sich seine Beweiskraft nach § 371a Abs. 1 ZPO. Es erbringt damit nach Maßgabe der §§ 371a Abs. 1, 416 ZPO vollen Beweis dafür, dass die in ihm enthaltenen Erklärungen von dem Aussteller abgegeben wurden.

Um den unter strengen Anforderungen zulässigen Gegenbeweis zu erbringen, dass die Angaben unrichtig sind, muss die Beweiswirkung des § 174 ZPO vollständig entkräftet und jede Möglichkeit ausgeschlossen sei, dass die Angaben des Empfangsbekenntnisses richtig sein können. Diese Kriterien gelten auch für die Beweiswirkung des eEBs. In der Regel werden eEBs jedoch nicht signiert, sondern über einen sicheren Übermittlungsweg versandt. Soweit ersichtlich, wurde bislang auch in diesem Fall angenommen, dass ihnen dieselbe Beweiskraft wie privaten Urkunden zukommt, ohne zu diskutieren, dass nur eine analoge Anwendung von § 371a Abs. 1 ZPO in Betracht kommt.[9]

Der Gesetzgeber kann sich auch diesmal nicht dazu durchringen, das EB abzuschaffen und auch gegenüber Anwälten usw. eine automatisierte Eingangsbestätigung einzuführen.

Die Handhabung des elektronischen Empfangsbekenntnisses ist in der Praxis leider nach wie vor enorm fehleranfällig. Der Zustellungsnachweis “Empfangsbekenntnis” verursacht auch bei einem maschinell lesbaren elektronischen Empfangsbekenntnis einen erheblichen Kontroll- und Verwaltungsaufwand, die zu der ohnehin erforderlichen Protokollierung des elektronischen Versands hinzutritt. Es wäre daher zu begrüßen gewesen, wenn der Entwurf wie in Abs. 4 für die Nutzer eines eBO- oder eines Postfach- und Versanddienstes eines Verwaltungsportals den Nachweis der Zustellung durch eine automatisierte Eingangsbestätigung, die das System ohnehin erzeugt, zugelassen hätte, um einen in der Praxis der deutschen Gerichte jährlich millionenfach anfallenden, überaus fehleranfälligen Geschäftsprozess schlicht einzusparen.

Das EB ist zwar ursprünglich als Erleichterung für die Justiz eingeführt worden, anstelle der aufwendigen Zustellungsurkunde einen leichteren und billigen Zustellungsweg nutzen zu können. Weite Teile der Anwaltschaft verstehen das EB allerdings als Privileg, letztlich selbst über den Zeitpunkt des Zugangs eines Dokumentes bestimmen zu können und berufen sich hier sogar auf einen verfassungsrechtlichen Schutz. Unter anderem wurde eingewandt, dass eine Abschaffung des EB dem Grundgedanken des § 53 Abs. 1 BRAO widerspreche, nach dem sich ein Anwalt für bis zu sieben Tage aus seiner Kanzlei entfernen dürfe, ohne einen Vertreter zu bestellen.

Dieses Argument mag zwar gegenüber einer per Briefpost übermittelten Zustellung vorgebracht werden können, wenngleich man auch dagegen auf die Verpflichtung zur Einrichtung einer ordnungsgemäßen Kanzleiorganisation auch bei Abwesenheit verweisen könnte. Das Argument greift aber nicht bei einer elektronischen Zustellung, die jederzeit und von (fast) jedem Ort der Welt aus dem elektronischen Postfach entgegengenommen werden kann. Auch ist es sicherlich technisch möglich, hier eine entsprechende Mitteilungsfunktion auf die normale E‑Mail-Adresse zu aktivieren, sobald eine elektronische Zustellung im Postfach eingeht. Jede Online-Bank bietet eine solche Funktionalität, mit der das von der Anwaltschaft beschriebene Restrisiko ausgeschlossen werden kann.

Die Zurückhaltung des Gesetzgebers an dieser Stelle ist schlicht und ergreifend der Befürchtung geschuldet, dass der Versuch einer Abschaffung des EB den entschiedenen Widerstand der Anwaltschaft auslösen und das Gesetzgebungsverfahren möglicherweise zum Erliegen bringen könnte.

5.    Formlose Kommunikation

Fraglich ist, ob die in § 173 ZPO‑E getroffenen Regelungen über die Zustimmung zur Nutzung des eBO sich nur auf die formelle Zustellung bezieht oder auch die formlose Kommunikation mit den Beteiligten umfasst.

Bejaht man diese Frage, bestehen auch für die einer Zustellung regelmäßig vorausgehenden Kommunikationsvorgänge die oben beschriebenen und die Praxis belastenden Einschränkungen. Dies würde sich gerade bei der Kommunikation mit Sachverständigen und Dolmetschern besonders stark auswirken, die in aller Regel ohne Zustellungen abläuft.

Verneint man diese Frage und lässt die formlose Kommunikation mit den Beteiligten ohne verfahrensbezogene Zustimmung zu, hätte dies noch negativere Konsequenzen für den Verfahrensablauf in den Gerichten. Denn dann müssten in den beiden Varianten unterschiedliche Kommunikationswege genutzt werden.

Auch dies spricht dafür, jedenfalls bei den „professionellen Nutzern“ zumindest eine generelle Zustimmung zu ermöglichen.

6.    Telekopie (Fax) in § 175 Abs.2 und Abs. 4 ZPO‑E

In § 175 Abs.2 und Abs. 4 ZPO‑E wird weiterhin die Telekopie (Fax) zugelassen.

Dies läuft den allgemeinen Bestrebungen zur Abschaffung des Fax zuwider (dazu siehe Seite 32) und sollte an dieser Stelle entfallen, da hier kein praktisches Bedürfnis für die Beibehaltung des Fax besteht. Stattdessen sollte die hier anstehende Änderung genutzt werden für einen entsprechenden „Einstieg in den Faxausstieg“.

C.   § 195 ZPO‑E (Zustellung von Anwalt zu Anwalt)

In § 195 Abs. 2 Satz 2 ZPO wird der folgende Satz 3 eingefügt:

„Die Zustellung eines elektronischen Dokuments ist durch ein elektronisches Empfangsbekenntnis in Form eines strukturierten Datensatzes nachzuweisen.“

Wenn für die Zustellung von Anwalt zu Anwalt ebenfalls das eEB eingeführt wird, muss der absendende Anwalt in der Lage sein, einen solchen Strukturdatensatz überhaupt zu erzeugen.

Zudem kam es bisher auf Gerichtsseite auch zu Problemen bei dem Versand des Strukurdatensatzes des eEB. Deswegen ist durch Art. 1 des Gesetzes zur Regelung der Wertgrenze für die Nichtzulassungsbeschwerde in Zivilsachen, zum Ausbau der Spezialisierung bei den Gerichten sowie zur Änderung weiterer prozessrechtlicher Vorschriften vom 19.12.2019 der bisherige § 174 Abs. 4 ZPO Satz 5 durch neue Sätze 5 und 6 ersetzt worden:

Wird vom Gericht hierfür mit der Zustellung ein strukturierter Datensatz zur Verfügung gestellt, ist dieser zu nutzen. Andernfalls ist das elektronische Empfangsbekenntnis abweichend von Satz 4 als elektronisches Dokument (§ 130a) zu übermitteln.

Für die gerichtliche Zustellung wurde dies in § 173 Abs. 3 S. 2 und 3 ZPO‑E übernommen.

Für die Übermittlung ist der vom Gericht mit der Zustellung zur Verfügung gestellte strukturierte Datensatz zu verwenden. Ist dies nicht möglich, ist dem Gericht das elektronische Empfangsbekenntnis als elektronisches Dokument (§ 130a) zu übermitteln.

Diese Änderung diente dazu, den Versand eines elektronischen Empfangsbekenntnisses auch ohne Beifügung eines strukturierten Datensatzes zu gestatten.

Es erscheint nicht unwahrscheinlich, dass es auch auf Anwaltsseite zu technischen Problemen kommen kann, die dazu führen, dass kein strukturierter Datensatz übermittelt werden kann. Deswegen sollte geprüft werden, ob nicht bei § 195 ZPO‑E eine Formulierung gewählt werden soll, die sich an § 173 Abs. 3 S. 2 und 3 ZPO‑E orientiert.

D.   Kommunikation über die Verwaltungsportale — § 130a Absatz 4 Nr. 5 ZP0, § 13 ERVV‑E

Zu begrüßen ist insbesondere, dass der sichere Übermittlungsweg zu den Gerichten über den Postfach- und Versanddienst eines Verwaltungsportals im Sinne des § 2 Abs. 2 Onlinezugangsgesetz ermöglicht werden soll. Denn für die Bürger, vor allem aber auch für die Unternehmen sollte es in Zukunft darum gehen, möglichst nicht unterschiedliche Kommunikationsstrukturen bedienen zu müssen – je nachdem, ob die Verwaltung oder die Justiz digital adressiert werden soll. Daher sollten mittelfristig die beiden im Gesetzentwurf aufgeführten elektronischen Zugangswege zusammengeführt werden.

Nach dem bisherigen Verständnis des Nutzerkontos im Portalverbund sollen Identifizierungsdaten dort hinterlegt werden und mit Einverständnis des Bürgers/der Unternehmen bei der Kommunikation mit der Verwaltung verwandt werden dürfen. Dieser Weg sollte 1:1 auch für die Kommunikation mit Justiz vorgesehen werden.

Allerdings muss nach § 13 ERVV‑E der Nutzer des Postfach- und Versanddienstes sich beim Versand eines elektronischen Dokuments entsprechend § 11 Absatz 3 (aktiv) authentisieren. Es genügt also hier nicht – wie beim Dokumentenversand an die Verwaltung –, dass er (vorher) die Zustimmung zur Verwendung der im Nutzerkonto hinterlegten Identifizierungsdaten gegeben hat. Einen tragfähigen Grund für eine solche unterschiedliche Behandlung nennt der Entwurf nicht.

Eine solche aktive Identifizierung vor (jedem) Dokumentenversand würde allerdings im Wesentlichen denselben Aufwand für Bürger und Unternehmen darstellen wie das Anbringen einer qeS. Und würde auch hier ein erhebliches Akzeptanzhindernis darstellen.

Auf die Ausführungen zu den formalen Vorgaben der ERVV (Seite 13) und der sog. Schriftformfalle (Seite 14) wird verwiesen.

E.   Regelung für die Arbeitsgerichtsbarkeit

Gemäß § 50 Abs. 2 ArbGG ist § 174 ZPO auf die nach § 11 ArbGG zur Prozessvertretung vor dem Arbeitsgericht zugelassenen Personen entsprechend anzuwenden. Durch diese Vorschrift wurden die nach § 11 Abs. 1 Sätze 2 u. 3 und Abs. 2 Satz 2 ArbGG a.F. zur Prozessvertretung zugelassenen Verbandsvertreter und die nach § 11 Abs. 1 Satz 4 ArbGG a.F. den Verbandsvertretern i.S.v. § 11 Abs. 1 Satz 2 ArbGG a.F. gleichgestellten Bevollmächtigten im Hinblick auf von Amts wegen vorzunehmende Zustellungen den Rechtsanwälten gleichgestellt.[10]

Es ist ungeklärt, ob ab der Geltung von § 11 Abs. 2 ArbGG n.F. die Sonderregelung des § 50 Abs. 2 ArbGG für alle Bevollmächtigten nach § 11 ArbGG gilt. Somit ist ebenfalls ungeklärt, ob alle Bevollmächtigten nach § 11 ArbGG verpflichtet sind, einen sicheren Übermittlungsweg i.S.v. § 130a Abs. 4 ZPO für die Zustellung elektronischer Dokumente zu eröffnen.[11] Die Einführung des § 173 ZPO‑E wäre eine gute Gelegenheit, um diese Unklarheit auszuräumen.

F.    Weiterführende Vorschläge

Wohl aufgrund des engen gesetzgeberischen Zeitplanes lässt der Entwurf einige weitergehende Vorschläge vermissen, die aber im Rahmen dieser Stellungnahme aus Sicht des Deutschen EDV-Gerichtstages noch einmal kurz angerissen werden sollen.

1.    Genereller Ausschluss des Fax

Mittelfristig ist auch über die Abschaffung des technisch überholten Kommunikationsweges über Telefax nachzudenken. Dabei muss allerdings eine technisch voll funktionsfähige Alternativlösung angeboten werden, die auch in den praxisrelevanten Bereichen des wochenendlichen Bereitschaftsdienst für PsychKG und andere Unterbringungsverfahren oder in der nächtlichen Fixierungs- und Blutentnahmebereitschaft die entsprechenden einleitenden Schriftstücke die praktischen Bedürfnisse abdecken kann.

Ein Fax hat in der Praxis seine Eilbedürftigkeit einfach deshalb praktisch „auf der Stirn geschrieben“, weil es als Fax ankommt. Der elektronische Zugang muss auf die gleiche Weise schon automatisch als eilig erkannt werden. Zu Bedenken ist auch, dass gerade in diesen Fällen die jeweiligen antragstellenden Kommunikationspartner weder besonders technikaffin sind noch die Zeit haben, sich anstelle des einfach zu bedienenden Fax durch umständliche Legitimationsverfahren durchzukämpfen, um einen eiligen Antrag bei Gericht einzureichen. Möchte man das Fax tatsächlich verbannen – was ausdrücklich unterstützt würde – müsste man sich sehr zielgerichtet mit dem Thema der Zuleitung wirklich eiliger elektronischer Nachrichten befassen.

2.    Weitere Kommunikationsprozesse

Der Gesetzentwurf beschränkt sich auf den (externen) elektronischen Rechtsverkehr, also die elektronische Kommunikation Dritter mit den Gerichten. Ausgeblendet bleibt u.a. die elektronische Kommunikation zwischen Gerichten (Aktenaustausch), für die weiterer Ausgestaltungs- und Standardisierungsbedarf besteht.

3.    Möglichkeit der Einführung eines oder mehrerer elektronischer Klageformulare

Leider greift der Entwurf die Möglichkeit der Einführung eines oder mehrerer elektronischer Klageformulare, wie in § 130c ZPO bereits zugelassen, nicht auf und lässt damit die Chance aus, das eine geradezu ungeheure Rationalisierungsperspektive enthaltende Thema des strukturierten Sachvortrags in einem gemeinsamen elektronischen Dokument der Parteien in effektiverer Weise anzugehen, als dies bei der jüngsten Ergänzung des § 139 Abs. 1 ZPO um einen neuen Satz 3 geschehen ist.

Erinnert sei auch an das Ergebnis der 2019 eingesetzten gemeinsame Arbeitsgruppe der obersten Zivilgerichte von Bund und Ländern, die bereits in ihrem vorläufigen Diskussionsentwurf für eine grundlegende Erneuerung des Zivilprozesses auch den Vorschlag unterbreitet hat, den heute üblichen Austausch von Schriftsätzen – aus denen das Gericht dann den Sachverhalt rekonstruieren muss – durch eine strukturierte, in der Regel chronologische Darstellung des Sachverhalts durch die Parteien im Rahmen eines “Basisdokuments” zu ersetzen. Dieser Vorschlag sollte dringend vom BMJV aktiv aufgegriffen und hinsichtlich der praktischen Umsetzbarkeit ausgelotet werden. Der Deutsche EDV-Gerichtstag bietet auch hier ausdrücklich seine Unterstützung an.

4.    Lösungsalternative zum eBO

Im Vorstand des Deutschen EDV-Gerichtstages wurde auch die Frage aufgeworfen, ob der hier eingeschlagene Weg des eBO, der die Lösungen beA, beBPo usw. fortschreibt und erweitert, die richtige zukunftsträchtige Lösung ist. Angesichts der Kürze der Zeit konnte hier keine abschließende Meinung herbeigeführt werden.

Jedenfalls wurde die Einschätzung nicht allgemein geteilt, dass die qualifizierte elektronische Signatur keine zukunftsweisende, moderne Kommunikation ermögliche. Unter E.2 werden in der Begründung des Entwurfs Kosten von 50 € + 25 € bzw. 1071 € oder 2.142 € an Kosten genannt, wobei die Kosten für die bereitzustellende Infrastruktur bei den Ländern noch völlig außer Betracht bleiben. Auch die weiteren Investitionen in die EGVP Infrastruktur seien nicht berücksichtigt. Vertreten wurde die Ansicht, bereits das besondere elektronische Anwaltspostfach habe gezeigt, dass Aufwand und Kosten dieser Infrastruktur keinerlei Vorteile gegenüber der Nutzung der qualifizierten elektronischen Signatur und der dadurch eröffneten Möglichkeiten bietet.

Es wurde die Meinung vertreten, der elektronische Rechtsverkehr sollte sich davon verabschieden, für jeden Anwendungsbereich (Rechtsanwälte, Notare, Behörden, Bürger, Unternehmen) eine eigene Infrastruktur aufzubauen und auf allgemein verfügbare und vorhandene internationale Standards setzen.

Dazu wurde Folgendes ausgeführt:

„Durch die Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 73; L 23 vom 29.1.2015, S. 19; L 155 vom 14.6.2016, S. 44) (nachfolgend IVTV  bzw. EIDAS VO) haben sich ganz neue Möglichkeiten der Nutzung infizierter elektronische Signaturen in Form von Fernsignaturen eröffnet. Fernsignaturen erlauben es, transaktionsbezogene Vergütungsmodelle zu etablieren. Neben der Bundesdruckerei sind weitere Anbieter auf dem Markt (Namirial, Docusign etc.) im Bereich von Verbraucherdarlehensverträgen, Teilzeitarbeitsverhältnissen, befristeten Arbeitsverhältnissen etc. werden vielfach qualifizierte elektronische Signaturen eingesetzt und erhebliche Kosten eingespart. 

Nach Art. 24 Abs. 1 Abs. 2 IVTV  bzw. EIDAS VO erfolgt bereits jetzt die Identifizierung durch qualifizierte Vertrauensdiensteanbieter sehr zuverlässig und ohne zusätzlichen Aufwand für die öffentliche Hand. Eine weitere Identifizierungsinfrastruktur aufzubauen ist nicht erforderlich und schadet letztlich dem wirklich sinnvollen Anliegen, den elektronischen Rechtsverkehr zu fördern und den Bürgern moderne und handhabbare Kommunikationsmittel an die Hand zu geben. 

Wird die eigenhändige Unterschrift nach Art. 25 IVTV bzw. EIDAS VO durch die qualifizierte elektronische Signatur ersetzt, werden dadurch Authentizität und Integrität der eingereichten Nachrichten ausreichend gewährleistet. Die Praxis des besonderen elektronischen Anwalts Postfachs und der anderen Postfächer zeigt, dass deren Nutzung mit Anmeldung über Chipkarte, Eingabe von PIN etc. mindestens den gleichen Aufwand wie die Anbringung einer qualifizierten elektronischen Signatur mit sich bringt.“ 

Die Stellungnahme zu diesem Gesetzgebungsverfahren ist nicht der geeignete Ort, diese durchaus komplexen Fragestellungen abschließend zu bewerten, die auch einen Paradigmenwechsel bedeuten und erhebliche Auswirkungen auf die Praxis von Justiz und Anwaltschaft haben. Der Deutsche EDV-Gerichtstag sieht es jedoch als seine Aufgabe an, in die Zukunft zu denken und auch Alternativen zu bestehenden Lösungen zu diskutieren. Hier bieten sich neben der zuvor aufgezeigten Alternative auch weiterführende Gedanken an wie z.B. der elektronische Datenraum, der ja auch im Vorschlag der Präsidentin und Präsidenten der OLG, des KG und des BGH angesprochen wird.

Der Vorstand behält sich vor, weitere Überlegungen zu diesem Thema in geeigneten Formaten voranzutreiben.

[1] Zur Frage, ob diese Vorschrift eine Ordnungsvorschrift, deren Verletzung nicht zur Unwirksamkeit des Eingangs führt siehe OLG Koblenz, B. v. 23. November 2020 – 3 U 1442/20 m.w.N. entgegen BAG, B. v. 12. März 2020 — 6 AZM 1/20NZA 2020, 607, 608 Rn. 7 und BAG, U. v. 3. Juni 2020 — 3 AZR 730/19, juris Rn. 28f.

[2] Biallaß in jurisPK-ERV, 2020, §2 ERVV Rn. 15 mwN.

[3] Schmieder, jM 2017, 398, Dötsch, AnwZert MietR 3/2018 Anm. 1, Dötsch MietRB 2018, 30, Simon, AnwZert ArbR 15/2020 Anm. 2, Mardorf Mardorf, jM 2018, 140

[4] siehe Biallaß in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 1. Aufl., § 174 ZPO (Stand: 01.09.2020), Rn. 33 m.w.N.

[5] Biallaß in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 1. Aufl., § 174 ZPO (Stand: 01.09.2020), Rn. 40 f m.w.N.

[7] So auch bisher: Siehe Biallaß in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 1. Aufl., § 174 ZPO (Stand: 01.09.2020), Rn. 40 m.w.N

[8] Dazu Biallaß in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 1. Aufl., § 174 ZPO (Stand: 01.09.2020), Rn. 65 ff. mwN.

[9] OVG des Saarlandes v. 27.09.2019 — 1 D 155/19 — juris Rn. 9 — NJW 2019, 3664; OVG des Saarlandes v. 21.02.2020 — 2 E 340/19 — juris Rn. 12OVG Lüneburg v. 19.12.2019 — 2 ME 634/19 — juris Rn. 2., Biallaß aaO. Rn. 67

[10] Biallaß in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 1. Aufl., § 174 ZPO (Stand: 01.09.2020), Rn. 29

[11] Biallaß in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 1. Aufl., § 174 ZPO (Stand: 01.09.2020), Rn. 31

Saarbrücken, 12. Januar 2021: Der Deutsche EDV-Gerichtstag befasst sich dem Vereinszweck entsprechend unter anderem mit dem Einsatz der Informationstechnologie bei der Rechtsanwendung einschließlich der Auswirkungen auf die Rechtssetzung, die Rechtswissenschaft, die Gestaltung des Arbeitsplatzes und des organisatorischen Umfeldes. Regelmäßig stehen dabei auch Fragen der Gestaltung der Rechtssetzung im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Justiz in der Diskussion.

Unter diesem Blickwinkel nehmen wir zu dem Gesetzentwurf Stellung, der zwei Artikel vorsieht: Mit Art. 1 des genannten Gesetzentwurfs soll die Open-Data-Regelung des Bundes (§ 12a EGovG) ausgeweitet werden. Art. 2 dient der Umsetzung der Richtlinie über offene Daten und die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors ‑Richtlinie (EU) 2019/2024.

  1. Der Deutsche EDV-Gerichtstag unterstützt grundsätzlich die Zielsetzung, mit einem zweiten Open-Data-Gesetz die Bereitstellung offener Daten durch die Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 12a EGovG auf die mittelbare Bundesverwaltung (und damit auf die schwerpunktmäßig operativ arbeitenden Geschäftsbereichsbehörden) zu erweitern und einige Ausnahmetatbestände abzuschaffen. Ferner sollen die Behörden des Bundes dazu verpflichtet werden, unbearbeitete Daten, die sie zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben erhoben haben oder durch Dritte in ihrem Auftrag haben erheben lassen, in maschinenlesbarer Form zum Datenabruf über die öffentlich zugänglichen Netze bereitzustellen. Der Bund regelt insoweit nur die Open-Data-Grundsätze für die in seiner Kompetenz stehenden Bundesbehörden. Der Deutsche EDV-Gerichtstag sieht allerdings in der Bundesregelung auch eine Chance, die Länder zu ähnlichen, effizienteren Open-Data-Regelungen in der Landesverwaltung zu animieren.
  2. Das EGovG erfasst — wie sich bereits aus § 1 Abs. 3 EGovG ergibt — die Gerichte in ihrer Rechtsprechungsaufgabe nicht, wohl aber die (Bundes-)Gerichtsverwaltungen und die (Bundes-)Behörden der Justizverwaltung einschließlich der ihrer Aufsicht unterliegenden Körperschaften, soweit diese keine Rechtsprechungsaufgaben wahrnehmen („soweit die Tätigkeit der Nachprüfung durch die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit oder der Nachprüfung durch die in verwaltungsrechtlichen Anwalts‑, Patentanwalts- und Notarsachen zuständigen Gerichte unterliegt“). Das ist nachvollziehbar, denn die Rechtsprechungsaufgaben (und nur diese) unterliegen besonderen verfassungsrechtlichen Maßgaben und Schutzregelungen, die sich auch auf die Open-Data-Prinzipien auswirken.
  3. Erfasst sind die beim Bundesamt für Justiz angesiedelte Register (Bundeszentralregister, Gewerbezentralregister, Zentrales Staatsanwaltliches Verfahrensregister), allerdings dürften die meisten Registerdaten wegen ihres Personenbezugs nicht bereitzustellen sein.
  4. Der vorgeschlagene Wortlaut in § 12a Abs. 1 Satz 1 EGovG: („Die Behörden des Bundes stellen unbearbeitete, maschinenlesbare Daten, die sie zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben erhoben haben, oder durch Dritte in ihrem Auftrag haben erheben lassen, zum Datenabruf über öffentlich zugängliche Netze bereit“) ist laut Begründung so zu interpretieren, dass nur eine Verpflichtung zur Bereitstellung der Daten besteht, die bereits maschinenlesbar sind. Eine Verpflichtung zur Umwandlung von Daten in ein maschinenlesbares Format soll nicht begründet werden (so die Begründung auf S. 24 unten). Im Ergebnis bedeutet dies, dass im Gegensatz zum in der Gesetzesbegründung auf S. 14 dargestellten Ziel, die Datennutzungsmöglichkeit für die Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Verwaltung, Wissenschaft und Forschung zu befördern und bisherige Ausnahmegründe vom Open-Data-Grundsatz einzuschränken, Behörden weiterhin die Bereitstellung von Daten mit der Begründung verweigern können, die Daten lägen nicht in maschinenlesbarer Form vor. Dies erscheint unbefriedigend.
  5. Unklar ist in diesem Zusammenhang allerdings das genaue Zusammenwirken der Norm des § 12a EGovG mit § 7 DNG‑E, denn dieser fordert (auch für öffentliche Stellen, also auch für die Bundesverwaltung), dass „die Daten, soweit möglich und sinnvoll, elektronisch und in nach den anerkannten Regeln der Technik offenen, maschinenlesbaren, zugänglichen, auffindbaren und interoperablen Formaten zusammen mit den zugehörigen Metadaten zu übermitteln sind“. Abs. 3 regelt einschränkend: „Die Absätze 1 und 2 verpflichten öffentliche Stellen und öffentliche Unternehmen nicht, Daten und Metadaten neu zu erstellen oder anzupassen oder Teile zur Verfügung zu stellen, wenn dies mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden wäre, der über eine einfache Bearbeitung hinausgeht“. Daraus könnte man die Pflicht zur Erstellung maschinenlesbarer Formate entnehmen, soweit dies mit nicht unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist. § 9 verpflichtet öffentliche Stellen dazu „hochwertige Datensätze, die in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes Fallen, in maschinenlesbarem Format (…) nutzbar zu machen“. Die § 12a EGovG‑E und § 7 DNG- E sowie § 9 DNG‑E bedürfen insoweit der Harmonisierung im Hinblick auf die Frage, ob und wann Behörden zur Herstellung der Maschinenlesbarkeit verpflichtet werden sollen. Zumindest sollte die Beziehung zwischen diesen Normen klargestellt werden.
  6. Ferner sollte die in § 12a Abs.12 EGovG‑E vorgesehene Rechtsverordnung zur Förderung und Entwicklung von Standards für Datenformate und Schnittstellen die bereits vorhandenen und etablierten Standards, soweit hierfür relevant, aus den Bereichen der öffentlichen Verwaltung und der Justiz zwingend berücksichtigen (etwa den Standard XJustiz). Dies sollte sich bereits in die Verordnungsermächtigung niederschlagen.
  7. Um zu verhindern, dass gesetzliche Pflichten, die sich an Behörden richten, von diesen nur als unverbindliche Programmsätze wahrgenommen werden, ist es allerdings wichtig, geeignete Maßnahmen zur Durchsetzung der Pflichten Deshalb sollte der Ausschluss von subjektiven Rechten in 12a Abs. 1 Satz 2 EGovG‑E („Ein Anspruch auf Bereitstellung dieser Daten wird hierdurch nicht begründet“) daraufhin überprüft werden, ob dieser explizite Ausschluss wirklich erforderlich ist. Dies gilt umso mehr, als in der Begründung des Gesetzentwurfs auf S. 14 auf Erwägungsgrund 5 der Richtlinie (EU) 2019/1024 verwiesen wird, wonach der Zugang zu Informationen ein in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bestimmtes Grundrecht ist, dass nämlich jede Person das Recht auf freie Meinungsäußerung hat; dies schließe die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben.
  8. Auch die Regelung in § 4 DNG‑E ist nicht konsequent nutzerfreundlich: So heißt es zwar in Abs. 1: „Daten, die in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fallen, dürfen für jeden kommerziellen oder nicht-kommerziellen Zweck genutzt werden“. Andererseits schließt § 4 Abs. 3 ein Recht auf Zugang zu Daten ausdrücklich aus. Auch insoweit sollte geprüft werden, ob auf diesen Ausschluss eines subjektiven Zugangsrechts verzichtet werden kann, um die tatsächliche Umsetzung der neuen gesetzlichen Pflichten zu fördern.
  9. Die Neuregelung des § 12a EGovG sollte mit höherrangigem Verfassungsrecht und vorrangigem EU-Recht kompatibel Dies betrifft zum einen den Zugang zu Informationen auf der Grundlage des Grundrechts auf Informationsfreiheit (Art. 5 GG, ebenso geschützt durch Art. 11 EU-Grundrechte-Charta). Zum anderen ist es wichtig, den Schutz des Grundrechts auf informationelles Selbstbestimmungsrecht und die Geltung der Europäischen Datenschutzgrundverordnung durch Regelungen zu unterstützen, die die Bereitstellung personenbezogener Daten nur nach Anonymisierung vorsehen. Die Formulierung im vorgeschlagenen Gesetzestext für die Anonymisierung („derart umgewandelt wurden, dass sie sich nicht mehr auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen, oder derart umgewandelt wurden, dass die betroffene Person nicht oder nicht mehr identifiziert werden kann“) ist geeignet, dem Datenschutzgrundsatz Rechnung zu tragen, da auch die Gefahr der De-Anonymisierung bzw. Re-Identifizierbarkeit durch Verknüpfung mit anderen, öffentlichen zugänglichen Daten (Begründung zu Buchstabe c, S. 23), etwa bei zu veröffentlichenden Gerichtsurteilen, vor Datenbereitstellung zu berücksichtigen und auszuschließen wäre. Diese Maßgabe ist deshalb besonders wichtig, weil durch Einsatz künstlicher Intelligenz eine De-Anonymisierung erleichtert wird.
  10. Durch die Neuregelungen des Gesetzentwurfs für Behörden und Justizverwaltung entsteht zusätzlicher Personalaufwand. Die Begründung des Gesetzentwurfs errechnet den zusätzlichen Personalaufwand. Dies allein sichert aber noch nicht eine den Zielen des Gesetzes in jeder Hinsicht genügende praktische Umsetzung. Es müssen auch in den Bundeshaushalt die zusätzlich erforderlichen Ressourcen konkret eingestellten werden. Aspekte der Informationssicherheit sind gerade auch in dem hier relevanten Regelungszusammenhang sehr wichtig. Dies gilt insbesondere wegen den hier betroffenen Austauschschnittstellen zwischen den nationalen Datenportalen und einzelnen Behörden bei Bund, Ländern und Kommunen zum Europäischen Datenportal.
  11. Das durch Art. 2 des Entwurfs eines Artikelgesetzes neu vorgesehene Datennutzungsgesetz erfasst auch die öffentlichen Stellen der Länder. Eine explizite Ausnahme für die Rechtsprechungsorgane ist nicht vorgesehen. Allerdings gilt das Gesetz nur für Daten

    die mit einem Zugangsrecht beansprucht werden können, also etwa auf der Grundlage der Informationsfreiheitsregelungen. § 3 Nr. 1g IFG schließt aber den Zugang zu Daten aus, die die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitsrechtlicher oder disziplinarischer Ermittlungen betreffen; Entsprechendes gilt für die Informationsfreiheitsgesetze der Länder,
    die aufgrund einer gesetzlichen Bereitstellungspflicht bereitgestellt werden (die Bereitstellungspflicht müsste sich für Daten aus dem Zuständigkeitsbereich der Justiz dann für die Bundesebene aus § 12a EGovG‑E oder entsprechendem Landesrecht ergeben, siehe dazu oben)
    oder die freiwillig bereitgestellt werden.
    Rechtsprechungs- und Strafermittlungsdaten dürften daher nicht vom DNG‑E erfasst sein. Das ist auch angesichts des Schutzes personenbezogener Daten und im Hinblick auf die besonderen Justiz- und Strafermittlungsinteressen angemessen.

  12. Generell einbezogen sind aber Daten der Justizverwaltung (auf Bundesebene ergibt sich das aus § 12a EGovG‑E), auf Landesebene kommt es auf entsprechende landesrechtlichen Bereitstellungspflichten an. bzw. grundsätzlich die Justizregister der Länder, soweit die Registergesetze eine Bereitstellungspflicht vorsehen und kein oder ein eingeschränktes Zugangsrecht besteht (§ 2 Abs. 3 DNG‑E). § 2 Abs. 3 Nr. 1 2. Halbsatz DNG‑E schließt die Anwendbarkeit insbesondere dann aus, „wenn der Zugang nur bei Nachweis eines rechtlichen oder berechtigten Interesses besteht“. Dies trifft auf die Grundbuchdaten zu. Daran sollte festgehalten werden. Zwar erscheint es erwägenswert, die Zugangsschwellen bei der Grundbucheinsicht wie in anderen EU-Mitgliedstaaten abzusenken, um z.B. die deutschen Grundbücher auch an der europäischen Grundbuchvernetzung teilnehmen zu können. Diese Frage ist aber nicht zwingend im Rahmen des DNG zu klären und setzt eine Änderung der GBO voraus. Auch dürften nur Daten für die Open-Data-Nutzung vorgesehen werden, die keinen Personenbezug aufweisen.
  13. Andere Justizregister wie Handels‑, Genossenschafts‑, Partnerschafts‑, Vereins‑, Insolvenz‑, Unternehmens- und Schiffsregister eignen sich grundsätzlich für eine Einbeziehung in das DNG, natürlich unter Beachtung der DSGVO.
  14. Dass viele Daten aus den Justizregistern noch nicht den wünschenswerten Formaten zur Datennutzung (wie im DNG‑E vorgesehen) entsprechen, sollte die Einbeziehung in das DNG‑E nicht generell hindern. Denn es muss Ziel sein, auch diese Daten zukünftig stärker im Wirtschaftsleben nutzbar zu machen. Es bedarf allerdings für die entsprechenden Anpassungen auch hinreichender Ressourcen.
  15. In diesem Zusammenhang ist allerdings der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) zu berücksichtigen. Demnach ist eine grundsätzliche, zu begrüßende Anpassung des Bekanntmachungswesens für die Handels‑, Genossenschafts‑, Partnerschafts- und Vereinsregister vorgesehen, nach der künftig keine separate Bekanntmachung von Eintragungen in diesen Registern mehr erfolgen soll, sondern die Informationen dadurch bekanntgemacht werden sollen, dass sie erstmalig zum Abruf über das Gemeinsame Registerportal der Länder bereitgestellt werden. Auch soll eine Umstellung des Systems zur Offenlegung von Rechnungslegungsunterlagen dahingehend erfolgen, dass diese Unterlagen nicht länger beim Betreiber des Bundesanzeigers zur Bekanntmachung einzureichen, sondern zukünftig unmittelbar der das Unternehmensregister führenden Stelle zur Einstellung in das Unternehmensregister zu übermitteln sind. Schließlich sieht der Regierungsentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Einführung und Verwendung einer Identifikationsnummer in der öffentlichen Verwaltung und zur Änderung weiterer Gesetze (Registermodernisierungsgesetz – RegMoG) weitere Regelungen für einen Datenaustausch vor. Es sollten insoweit im weiteren Gesetzgebungsverfahren Vorkehrungen dafür getroffen werden, dass die Übersichtlichkeit der für den Austausch, die Struktur und die Nutzbarkeit von Registerdaten gewahrt bleibt.

Saarbrücken, 28. September 2020: Der Deutsche EDV-Gerichtstag e.V. (EDVGT) dankt dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz für die Möglichkeit, zu dem Referentenentwurf einer Verordnung über den Zeitpunkt der Einführung der elektronischen Aktenführung in Strafsachen im Geschäftsbereich des Bundes (Bundes-E-Strafakten-Einführungsverordnung – BStrafAktEV) Stellung nehmen zu dürfen.

Durch § 2 der Bundesgerichte-Aktenführungsverordnung vom 27.03.2020 (BGBl. I, 745) wurde die Möglichkeit, die Akten ab dem 02.04.2020 elektronisch zu führen, in fast allen Verfahrensarten eröffnet und die Entscheidung über die näheren Einzelheiten, welche Akten ab wann elektronisch geführt werden, den jeweiligen Gerichtspräsidenten übertragen.

Hiervon nicht betroffen war die Führung elektronischer Akten in Straf- und Bußgeldverfahren.

Denn die technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen für die elektronische Aktenführung im Strafverfahren waren bereits zuvor – allerdings ohne die Eröffnung einer Pilotierungsphase – durch die Bundesstrafaktenführungsverordnung (BStrAktFV) vom 09.12.2019 (BGBl. I, 2140) geregelt worden, die der elektronischen Aktenführung in Bußgeldverfahren durch die Bundesbußgeldaktenführungsverordnung (BBußGAktFV) vom 08.01.2020 (BGBl. I, 63).

In beiden Rechtsverordnungen offengelassen wurde – insoweit anders als in § 2 Bundesgerichte-Aktenführungsverordnung – die Frage, ab wann Straf- und Bußgeldakten bei den Behörden des Bundes und dem Bundesgerichtshof vor dem 01.01.2026 elektronisch geführt werden können, und wer die diesbezüglichen Entscheidungen trifft.

Mit dem vorliegenden Entwurf soll nun zumindest eine dieser beiden Lücken geschlossen werden.

Er betrifft nur die Führung elektronischer Strafakten, nicht hingegen die Führung elektronischer Bußgeldakten der Bundes-Verwaltungsbehörden, des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof und des Bundesgerichtshofs (vgl. § 1 BBußAktFV).

Der Entwurf umfasst drei Vorschriften, und bestimmt in § 1 den Geltungsbereich und in § 3 das Inkrafttreten der Verordnung; beides aus hiesiger Sicht unproblematische Regelungen.

Kern des Entwurfs ist § 2 BStrafAktEV, der die Einführung der elektronischen Akte regelt.

Nachdem die Länder bereits begonnen haben, in einzelnen Behörden und Gerichten bzw. für bestimmte Verfahren die elektronische Akte in Straf- und/oder Bußgeldverfahren einzuführen, scheint es zielführend, entsprechend § 32 Abs. 1 S. 1 StPO die Führung elektronischer Strafverfahrensakten bei den in § 1 BStrafAktEV genannten Gerichten und Behörden — wie in § 2 Abs. 1 BStrafAktEV vorgesehen — ab dem Tag nach Inkrafttreten der Verordnung zu ermöglichen.

Dies bietet dem Bundesgerichtshof und den Bundesbehörden einerseits die Möglichkeit, von der Papierakte in einer mit Inkrafttreten beginnenden Pilotphase schrittweise bis zum 31.12.2025 auf die Führung elektronischer Strafakten umzustellen, andererseits ermöglicht es dem Bund, entsprechend der titelgenau dargestellten Finanzplanung die für den Umstellungsprozess erforderlichen Haushaltsmittel schrittweise bereitzustellen.

Gemäß § 2 Abs. 2 BStrafAktEV soll die Entscheidung, ab wann und in welchem Bereich auf eine elektronische Aktenführung umgestellt wird, den Behördenleitern bzw. der/m Präsidenten/-in des Bundesgerichtshofs übertragen werden.

Die Möglichkeit einer Übertragung dieser Entscheidung auf den Gerichtspräsidenten und die Behördenleiter ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus § 32 Abs. 1 S. 2 und 4 StPO. Sie entspricht aber der bereits erlassenen Regelung in § 2 Bundesgerichte-Aktenführungsverordnung und begegnet aus hiesiger Sicht im Hinblick auf eine flexible Handhabung während der Pilotierungsphase keinen durchgreifenden Bedenken. Zudem würde die Abstimmung, wann für welche Verfahrensart oder welchen Bereich die Umstellung auf eine elektronische Führung von Strafakten erfolgt, seitens der vorgesetzten Bundesministerien ohnehin nur auf Empfehlung des Gerichtspräsidenten bzw. der Behördenleiter erfolgen.

Abschließend darf davon ausgegangen werden, dass im Nachgang zur Verabschiedung dieses Entwurfs den Bundesbehörden und dem Bundesgerichtshof auch für die Einführung elektronischer Bußgeldakten eine entsprechende Pilotierungsphase eingeräumt werden wird.

der Deutsche EDV-Gerichtstag e.V. (EDVGT) dankt dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz für die Möglichkeit, zu dem Referentenentwurf einer Verordnung über den Zeitpunkt der Einführung der elektronischen Aktenführung in Strafsachen im Geschäftsbereich des Bundes (Bundes-E-Strafakten-Einführungsverordnung – BStrafAktEV) Stellung nehmen zu dürfen.

Durch § 2 der Bundesgerichte-Aktenführungsverordnung vom 27.03.2020 (BGBl. I, 745) wurde die Möglichkeit, die Akten ab dem 02.04.2020 elektronisch zu führen, in fast allen Verfahrensarten eröffnet und die Entscheidung über die näheren Einzelheiten, welche Akten ab wann elektronisch geführt werden, den jeweiligen Gerichtspräsidenten übertragen.

Hiervon nicht betroffen war die Führung elektronischer Akten in Straf- und Bußgeldverfahren.

Denn die technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen für die elektronische Aktenführung im Strafverfahren waren bereits zuvor – allerdings ohne die Eröffnung einer Pilotierungsphase – durch die Bundesstrafaktenführungsverordnung (BStrAktFV) vom 09.12.2019 (BGBl. I, 2140) geregelt worden, die der elektronischen Aktenführung in Bußgeldverfahren durch die Bundesbußgeldaktenführungsverordnung (BBußGAktFV) vom 08.01.2020 (BGBl. I, 63).

In beiden Rechtsverordnungen offengelassen wurde – insoweit anders als in § 2 Bundesgerichte-Aktenführungsverordnung – die Frage, ab wann Straf- und Bußgeldakten bei den Behörden des Bundes und dem Bundesgerichtshof vor dem 01.01.2026 elektronisch geführt werden können, und wer die diesbezüglichen Entscheidungen trifft.

Mit dem vorliegenden Entwurf soll nun zumindest eine dieser beiden Lücken geschlossen werden.

Er betrifft nur die Führung elektronischer Strafakten, nicht hingegen die Führung elektronischer Bußgeldakten der Bundes-Verwaltungsbehörden, des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof und des Bundesgerichtshofs (vgl. § 1 BBußAktFV).

Der Entwurf umfasst drei Vorschriften, und bestimmt in § 1 den Geltungsbereich und in § 3 das Inkrafttreten der Verordnung; beides aus hiesiger Sicht unproblematische Regelungen.

Kern des Entwurfs ist § 2 BStrafAktEV, der die Einführung der elektronischen Akte regelt.

Nachdem die Länder bereits begonnen haben, in einzelnen Behörden und Gerichten bzw. für bestimmte Verfahren die elektronische Akte in Straf- und/oder Bußgeldverfahren einzuführen, scheint es zielführend, entsprechend § 32 Abs. 1 S. 1 StPO die Führung elektronischer Strafverfahrensakten bei den in § 1 BStrafAktEV genannten Gerichten und Behörden — wie in § 2 Abs. 1 BStrafAktEV vorgesehen — ab dem Tag nach Inkrafttreten der Verordnung zu ermöglichen.

Dies bietet dem Bundesgerichtshof und den Bundesbehörden einerseits die Möglichkeit, von der Papierakte in einer mit Inkrafttreten beginnenden Pilotphase schrittweise bis zum 31.12.2025 auf die Führung elektronischer Strafakten umzustellen, andererseits ermöglicht es dem Bund, entsprechend der titelgenau dargestellten Finanzplanung die für den Umstellungsprozess erforderlichen Haushaltsmittel schrittweise bereitzustellen.

Gemäß § 2 Abs. 2 BStrafAktEV soll die Entscheidung, ab wann und in welchem Bereich auf eine elektronische Aktenführung umgestellt wird, den Behördenleitern bzw. der/m Präsidenten/-in des Bundesgerichtshofs übertragen werden.

Die Möglichkeit einer Übertragung dieser Entscheidung auf den Gerichtspräsidenten und die Behördenleiter ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus § 32 Abs. 1 S. 2 und 4 StPO. Sie entspricht aber der bereits erlassenen Regelung in § 2 Bundesgerichte-Aktenführungsverordnung und begegnet aus hiesiger Sicht im Hinblick auf eine flexible Handhabung während der Pilotierungsphase keinen durchgreifenden Bedenken. Zudem würde die Abstimmung, wann für welche Verfahrensart oder welchen Bereich die Umstellung auf eine elektronische Führung von Strafakten erfolgt, seitens der vorgesetzten Bundesministerien ohnehin nur auf Empfehlung des Gerichtspräsidenten bzw. der Behördenleiter erfolgen.

Abschließend darf davon ausgegangen werden, dass im Nachgang zur Verabschiedung dieses Entwurfs den Bundesbehörden und dem Bundesgerichtshof auch für die Einführung elektronischer Bußgeldakten eine entsprechende Pilotierungsphase eingeräumt werden wird.

der Deutsche EDV-Gerichtstag e.V. (EDVGT) dankt dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz für die Möglichkeit, zu dem Referentenentwurf einer Verordnung über den Zeitpunkt der Einführung der elektronischen Aktenführung in Strafsachen im Geschäftsbereich des Bundes (Bundes-E-Strafakten-Einführungsverordnung – BStrafAktEV) Stellung nehmen zu dürfen.

Durch § 2 der Bundesgerichte-Aktenführungsverordnung vom 27.03.2020 (BGBl. I, 745) wurde die Möglichkeit, die Akten ab dem 02.04.2020 elektronisch zu führen, in fast allen Verfahrensarten eröffnet und die Entscheidung über die näheren Einzelheiten, welche Akten ab wann elektronisch geführt werden, den jeweiligen Gerichtspräsidenten übertragen.

Hiervon nicht betroffen war die Führung elektronischer Akten in Straf- und Bußgeldverfahren.

Denn die technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen für die elektronische Aktenführung im Strafverfahren waren bereits zuvor – allerdings ohne die Eröffnung einer Pilotierungsphase – durch die Bundesstrafaktenführungsverordnung (BStrAktFV) vom 09.12.2019 (BGBl. I, 2140) geregelt worden, die der elektronischen Aktenführung in Bußgeldverfahren durch die Bundesbußgeldaktenführungsverordnung (BBußGAktFV) vom 08.01.2020 (BGBl. I, 63).

In beiden Rechtsverordnungen offengelassen wurde – insoweit anders als in § 2 Bundesgerichte-Aktenführungsverordnung – die Frage, ab wann Straf- und Bußgeldakten bei den Behörden des Bundes und dem Bundesgerichtshof vor dem 01.01.2026 elektronisch geführt werden können, und wer die diesbezüglichen Entscheidungen trifft.

Mit dem vorliegenden Entwurf soll nun zumindest eine dieser beiden Lücken geschlossen werden.

Er betrifft nur die Führung elektronischer Strafakten, nicht hingegen die Führung elektronischer Bußgeldakten der Bundes-Verwaltungsbehörden, des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof und des Bundesgerichtshofs (vgl. § 1 BBußAktFV).

Der Entwurf umfasst drei Vorschriften, und bestimmt in § 1 den Geltungsbereich und in § 3 das Inkrafttreten der Verordnung; beides aus hiesiger Sicht unproblematische Regelungen.

Kern des Entwurfs ist § 2 BStrafAktEV, der die Einführung der elektronischen Akte regelt.

Nachdem die Länder bereits begonnen haben, in einzelnen Behörden und Gerichten bzw. für bestimmte Verfahren die elektronische Akte in Straf- und/oder Bußgeldverfahren einzuführen, scheint es zielführend, entsprechend § 32 Abs. 1 S. 1 StPO die Führung elektronischer Strafverfahrensakten bei den in § 1 BStrafAktEV genannten Gerichten und Behörden — wie in § 2 Abs. 1 BStrafAktEV vorgesehen — ab dem Tag nach Inkrafttreten der Verordnung zu ermöglichen.

Dies bietet dem Bundesgerichtshof und den Bundesbehörden einerseits die Möglichkeit, von der Papierakte in einer mit Inkrafttreten beginnenden Pilotphase schrittweise bis zum 31.12.2025 auf die Führung elektronischer Strafakten umzustellen, andererseits ermöglicht es dem Bund, entsprechend der titelgenau dargestellten Finanzplanung die für den Umstellungsprozess erforderlichen Haushaltsmittel schrittweise bereitzustellen.

Gemäß § 2 Abs. 2 BStrafAktEV soll die Entscheidung, ab wann und in welchem Bereich auf eine elektronische Aktenführung umgestellt wird, den Behördenleitern bzw. der/m Präsidenten/-in des Bundesgerichtshofs übertragen werden.

Die Möglichkeit einer Übertragung dieser Entscheidung auf den Gerichtspräsidenten und die Behördenleiter ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus § 32 Abs. 1 S. 2 und 4 StPO. Sie entspricht aber der bereits erlassenen Regelung in § 2 Bundesgerichte-Aktenführungsverordnung und begegnet aus hiesiger Sicht im Hinblick auf eine flexible Handhabung während der Pilotierungsphase keinen durchgreifenden Bedenken. Zudem würde die Abstimmung, wann für welche Verfahrensart oder welchen Bereich die Umstellung auf eine elektronische Führung von Strafakten erfolgt, seitens der vorgesetzten Bundesministerien ohnehin nur auf Empfehlung des Gerichtspräsidenten bzw. der Behördenleiter erfolgen.

Abschließend darf davon ausgegangen werden, dass im Nachgang zur Verabschiedung dieses Entwurfs den Bundesbehörden und dem Bundesgerichtshof auch für die Einführung elektronischer Bußgeldakten eine entsprechende Pilotierungsphase eingeräumt werden wird.

Saarbrücken, 3. März 2020: Der Deutsche EDV-Gerichtstag e. V. bedankt sich für die Gelegenheit zur Stellungnahme zum Entwurf der Reform des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes. Die Thematik ist für den EDV Gerichtstag insofern von Interesse, als wir stets bestrebt sind, die Optimierung gerichtlicher Verfahren durch den Einsatz von Informationstechnik zu diskutieren und voranzubringen. Eine Thematik, die der vorgelegte Entwurf leider in ihrem wesentlichen Kern ausspart.

Die kommunikationsrechtlichen Aspekte sind nicht Gegenstand der Äußerung.

Die vorgesehenen Änderungen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes beschränken sich im Wesentlichen in der Einführung eines in den vorgeschlagenen §§ 3b und c vorgesehenen Gegenvorstellungs- und Schlichtungsverfahrens und der Pflicht zur Unterrichtung des Nutzers, dessen Inhalte beanstandet wurden, über den Eingang der Beschwerde sowie die Belehrung des Beschwerdeführers über die Möglichkeit einer Strafanzeige oder eines Strafantrags – Letzteres dürfte dem Bürger bekannt sein. Dazu ist anzumerken, dass die Einführung weiterer komplizierter und vor allem in die Hand der privaten Anbieter gelegter außergerichtlicher Verfahren kein wirksamer Beitrag zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung sein wird.

Der erforderliche Schritt zur Einführung eines effektiven online-Gerichtsverfahrens, bei dem der Beschwerdeführer den inkriminierten Inhalt mit wenigen Klicks der Staatsanwaltschaft oder einem für die Löschung zivilrechtlich zuständigen Gerichts zur Verfügung stellen kann, wird wie schon im Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität nicht gegangen. Gerade für die Beleidigungsdelikte, die als Antragsdelikte von der nach dem parallelen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität vorgesehenen Meldepflicht ausgenommen bleiben sollen, wäre dies ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Rechte des Bürgers.

Für die Bestandsdaten des Nutzers, dessen Beitrag entfernt wurde, sieht der Gesetzentwurf für § 14 Abs. 3 TMG vor, dass die zuständigen Stellen, zu denen die Staatsanwaltschaften und deren Ermittlungsbeamte gehören, sowie der Verletzte für die zivilgerichtliche Rechtsverfolgung diese Daten erhalten können sollen. Damit werden die Telemediendienstleister den Telekommunikationsdienstleistern systematisch gleichgestellt, die dieser Pflicht bereits nach §§ 111 ff TKG unterliegen. Die Frage der strafverfolgungsrelevanten Weitergabe der Verbindungsdaten hingegen bleibt dem Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität überlassen, das die höchst praxisrelevanten Delikte der Beleidigung und der üblen Nachrede ausspart. Die zu begrüßende Einbeziehung der Bedrohung und der Volksverhetzung werden allerdings nicht unerhebliche Aufwände bei Staatsanwaltschaften und Gerichten verursachen. Ein durchsetzungfähiger Anspruch auf die Identifizierung des Nutzers gegen das soziale Netzwerk und dessen rechtliche Durchsetzbarkeit gegenüber den ausschließlich außereuropäischen Anbietern ist nicht genügend ausgeformt, um eventuelle zivilrechtliche Ansprüche auf Schadenersatz durchzusetzen.

Ob all dies, bei der für die Bürger nicht durchschaubaren Verteilung der relevanten Normen auf unterschiedliche Gesetze und zwei Gesetzentwürfe, zu einer spürbaren Verbesserung der Möglichkeiten der Durchsetzung der Rechte des betroffenen Bürgers und der Strafverfolgung führen wird, ist nicht abzusehen. Insofern verfehlt der Entwurf zentrale Zielvorgaben.

Saarbrücken, 18. August 2019: Der Deutsche EDV-Gerichtstag e.V. (EDVGT) hat  zu den drei Referentenentwürfen des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zur Einführung der elektronischen Akte im Bußgeldverfahren und im gerichtlichen Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz Stellung genommen.  Da die hierzu vorgestellten Entwürfe weitestgehend wortgleich mit den Entwürfen zur Einführung und zum Umgang mit elektronischen Akten in Strafsachen (dortiges Aktenzeichen 4100/38–10-R5 79/2019) sind und teilweise ineinander greifen (z.B. hinsichtlich der Akteneinsicht), darf zur Vermeidung von Wiederholungen auf die hiesige – zu Ihrer Unterrichtung in Kopie beigefügte – Stellungnahme vom 16.08.2019 Bezug genommen werden.

Zu begrüßen ist eine von den Regelung in § 2 Abs. 2 S. 1 des Entwurfs der Strafaktenführungsverordnung abweichende sprachlichen Formulierung in dem sonst wortgleichen § 2 Abs. 2 S. 1 des Entwurfs der Bußgeldaktenführungsverordnung, dass das Repräsentat nämlich nicht aus einer PDF-Datei sondern aus einer Vielzahl von einzelnen PDF-Dateien besteht.

Insgesamt wäre wünschenswert, wenn der in Ihrem Anschreiben zum Ausdruck gebrachte, für die weitere Softwareentwicklung wichtige Gedanke, dass elektronischen Akten nur bei den aktenführenden Stellen existieren und alle anderen Stellen mit Repräsentaten (besser Kopien der Repräsentate) arbeiten, auch klar in den geplanten Rechtsverordnungen zum Ausdruck gebracht würde. Ferner scheint wichtig zu erwähnen, dass es nur die elektronischen Akte und das Repräsentat, aber keine „Aktenkopien“ (zu vgl. Abs. 3 der Begründung zu § 1 des Entwurfs der Bußgeldaktenübermittlungsverordnung, S. 8) geben sollte. Denn zur Stärkung des Vertrauens in das Repräsentat, das die Originale „repräsentieren“ soll, sollte nicht noch ein weiterer „Stellvertreter“ der Akte geschaffen werden.

Der Deutsche EDV-Gerichtstag hat eine Stellungnahme zum Referentenentwurf  eines Gesetzes zur Regelung der Wertgrenze für die Nichtzulassungsbeschwerde in Zivilsachen, zum Ausbau der Spezialisierung bei den Gerichten sowie zur Änderung weiterer zivilprozessrechtlicher Vorschriften abgegeben.
Der Deutsche EDV-Gerichtstag hat eine Stellungnahme zum Referentenentwurf  einer Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung — ERV) abgegeben.

Der Deutsche EDV-Gerichtstag hat eine Stellungnahme zum Referentenentwurf einer Verordnung über die Rechtsanwaltsverzeichnisse und die besonderen elektronischen Anwaltspostfächer (RAVPV) abgegeben.

Dabei geht der Deutsche EDV-Gerichtsatg e.V. auf den vierten und fünften Teil, also die Regelung zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA), ein.

Stellungnahme