Brauchen wir nationale juristische Sprachmodelle?

Eignen sich generalistische Sprachmodelle – überwiegend auf US- und internationalem Recht trainiert – für deutsche oder schweizerische Rechtsfragen? Selbst bei identischer Sprache und RAG-Unterstützung (Primärquellen) drohen Übernahmen aus anderen Rechtsordnungen: etwa deutsche Begriffe im schweizerischen Kontext – und umgekehrt. Brauchen wir daher eigene Modelle pro Rechtsordnung, reicht eine robuste Domänenanpassung oder können wir Modelle einsetzen, ohne sie im Training anzupassen?

Im Workshop präsentiert zunächst Daniel Brunner den Ansatz des Schweizerischen Bundesgerichts, das sich unter anderem auf das Swiss Justice Base Model stützt – ein Modell, das von der ETH Zürich/EPFL Lausanne in Zusammenarbeit mit dem Bundesgericht und dem Verein eJustice.ch entwickelt wird. Anschließend stellt Dr. Nils Feuerhelm den Ansatz eines eigenen juristischen Sprachmodells eines deutschen KI Start-ups vor. Ebenfalls an der Diskussion beteiligt ist Prof. Dr. Matthias Grabmair, der im Forschungsprojekt „Generatives Sprachmodell für die Justiz“ an einem eigenen juristischen Sprachmodell für die deutsche Justiz forscht.

 

Vorträge

 

Daniel Brunner: Verantwortungsvoller Einsatz der KI am Schweizerischen Bundesgericht

Nach einer kurzen Einführung zum Thema KI, Ethik, Chancen und Risiken präsentiert Daniel Brunner einerseits die Applikation ChatTF zum verantwortungsvollen Einsatz der generativen KI und andererseits stellt er das Projekt “Swiss Justice Base Model”, das nationale Sprachmodell für die schweizerische Justiz, sowie die dahinterstehenden Motivationen.

Dr. Nils Feuerhelm: Juristische KI made in Europe – Ein europäischer Weg zwischen Vertrauen, Qualität und Souveränität

Große Sprachmodelle wie GPT oder Claude dominieren den globalen KI-Markt – doch sie genügen nicht den Anforderungen an Vertraulichkeit, rechtliche Präzision und europäische Datenschutzstandards. Noxtua verfolgt einen alternativen Ansatz: eine juristische KI, die auf einem eigenen Sprachmodell, europäischen Infrastrukturen und kuratierten juristischen Fachinhalten basiert. Der Vortrag von Dr. Nils Feuerhelm zeigt, warum Europa gerade im Bereich spezialisierter Expertenmodelle führend sein kann – und weshalb Vertrauen, Qualität und digitale Souveränität keine Widersprüche, sondern Voraussetzungen für den produktiven Einsatz von Legal AI sind.


Kurzbiografien

 

Daniel Brunner, Ing. info. dipl. EPFL, ist Leiter des Informatikbereichs am schweizerischen Bundesgericht. Er ist nicht nur Experte in der digitalen Transformation und digitalen Souveränität, er hat sich in den letzten Jahren auf den verantwortungsvollen Einsatz der KI in der Justiz spezialisiert. Seine Erfahrungen reichen von der KI-gestützten Anonymisierung von Entscheidungen zur Konzeption einer Applikation für den verantwortungsvollen Einsatz der KI bis zur Mitarbeit bei einem Projekt für das Trainieren eines nationalen auf schweizerischer Ebene juristischen Sprachmodells.

Dr. Nils Feuerhelm ist Vice President Legal Operations von Noxtua, Europas souveräner Rechts-KI. Er leitet dort den Bereich Legal Operations. Dazu gehören die Verantwortung für Customer Success, die Integration juristischer Workflows und die Koordination zwischen Legal, Produktentwicklung und Engineering. Zuvor war Dr. Feuerhelm in internationalen Kanzleien (u. a. Hughes Hubbard & Reed LLP, CMS), bei Legal-Tech-Unternehmen wie Libra und an verschiedenen Universitäten tätig.

Prof. Dr. Matthias Grabmair ist Mitglied im Vorstand des EDV-Gerichtstags und Tenure-Track Assistant Professor für Legal Tech an der Fakultät für Informatik der Technischen Universität München. Er arbeitet im Bereich der Anwendung von Methoden von künstlicher Intelligenz, maschinellem Lernen, Data Science, Natural Language Processing, und Wissensrepräsentation zur Lösung von Aufgaben und Problemen aus den Bereichen Recht, Justiz und öffentliche Verwaltung. Er studierte Rechtswissenschaften an der Universität Augsburg und absolvierte ein LLM-Programm an der University of Pittsburgh, wo er auch einen Ph.D. im Bereich intelligenter Systeme erhielt. Im Anschluss lehrte und forschte er 2015-2019 am Language Technologies Institute der Carnegie Mellon University und arbeitete 2019 bis 2020 als Legal Data Scientist bei der SINC GmbH.

Dr. Jörn Erbguth ist Jurist und Informatiker. Er ist Präsident der NGO Geneva Macro Labs und berät zudem zu neuen Technologien und Datenschutz. Er ist sowohl Mitglied im Vorstand des EDV-Gerichtstags als auch des Vereins entscheidsuche.ch, der schweizer Gerichtsentscheide gesammelt online stellt.

 

 

12. September 2025,
11:00 - 12:30 Uhr

Arbeitskreis

Universität des Saarlandes,
Geb. B 4.1, HS 0.19